Die neue Arbeitswelt, New Work, ist ein stark strapazierter Begriff geworden. Da schwirrt viel herum – von der Viertagewoche über unlimitierten Urlaub bis zu Sport- und Gesundheitspaketen. Manche Unternehmen brüsten sich auch mit Homeoffice-Vereinbarungen als weit fortgeschritten auf dem Weg in eine neue Arbeitswelt, die oft von den Ansprüchen junger Generationen nach Sinn, Flexibilität, Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung angetrieben scheint.

Ein Reparaturarbeiter an einer Brücke
Was hat New Work mit Jobs wie einem Reparaturtrupp zu tun? Sehr viel. Denn es geht um Wertschätzung, um das Denken der Arbeit vom Leben, von den Bedürfnissen der Menschen heraus. Wo sind Spielräume für Verbesserungen?
IMAGO

Auch der Personalmangel in vielen Bereichen und Branchen hat Änderungen im Wie des Arbeitens gebracht, Flexibilität weit über Gleitzeitvereinbarungen hinaus, mancherorts wahre Schlachten bei den Benefits, um überhaupt noch jemanden zu bekommen und in der Firma zu halten, ausgelöst. Was genau ist aber die echte New Work – etwa ein Debattenthema für die Privilegierten, gut Ausgebildeten, die den "Kampf um die Talente" gewonnen haben? Ganz und gar nicht. Es geht um eine gesamtgesellschaftliche Verhandlung von Arbeit, um eine Neudefinition in ihren gesamten Wirkungsfeldern. Pioniere zeigten in dieser Woche im Marketing Club in Wien, wie sie ihren Weg in die neue Arbeitswelt gehen und was für alle Unternehmen umsetzbar wäre – eigentlich umgesetzt werden müsse, weil die Zukunftsfähigkeit davon abhänge, wie es unisono hieß.

Christoph Monschein im Bild bei der Diskussion
Diskussion auf Einladung des Marketing Club in dieser Woche bei Edenred in Wien: 'New Work- kein Buzzword sondern gelebt im Arbeitsalltag'; Christoph Monschein
Regine Hendrich

Christoph Monschein, General Manager beim Gutscheinspezialisten Edenred:
"Wo wird es wehtun auf dem Weg in die New Work? Wir leben hier in Bürojobs. Aber 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung könnten gar kein Homeoffice machen. Was bedeutet New Work für diese Menschen in diesen vielen Berufen? Das wurde total ausgeklammert in der Diskussion. Es wird sehr wehtun, wenn wir bei all den Diskussionen über die Viertagewoche diese Menschen vergessen. Wir haben Role-Models, man kann auch in der Industrie etwas von Mediaagenturen lernen. Natürlich ist es in einem Start-up einfacher als in einem Corporate; an der Supermarktkasse, in der Pflege sind es noch einmal andere Herausforderungen. Aber es geht immer um den Menschen im Mittelpunkt. Beispielsweise darum, Schichten selbst einteilen zu können, statt via Mausklick eingeteilt zu werden. Oder am Bau in fixen Teams arbeiten zu können, statt herumgeschoben zu werden. Man muss schauen: Wo ist mein Gestaltungsspielraum, was kann ich wie an meiner Kultur verändern? Edenred ist in Paris börsennotiert, hat weltweit 12.000 Mitarbeitende. Wir sind hier in Wien 50 – und wir haben eine andere Kultur als in anderen Büros. Es geht viel, und es geht um das Package. Das Gehalt ist Hygienefaktor. Benefits müssen sich nach den Bedürfnissen richten, die verändern sich, und da kann man schon ein-, zweimal im Jahr drehen, je nachdem, was die Menschen wollen."

Pamela Rath bei der Diskussion im Bild
Diskussion: 'New Work- kein Buzzword sondern gelebt im Arbeitsalltag'; Pamela Rath, New Work-Beraterin mit ihrem Unternehmen "newworkday"
Regine Hendrich

Pamela Rath, New Work-Beraterin mit ihrem Unternehmen "newworkday":
"New Work ist ein Containerbegriff. Da wird viel hineingepackt. Aber es geht um eine zukunftsfähige Arbeitskultur – nicht mehr, nicht weniger. Nur zwei, drei Schrauben drehen und Nagellack drauf, so geht es nicht, sondern echte Kulturveränderung ist gefragt. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Veränderung, es ist ein Auftrag an die Volkswirtschaft, die Politik, an die Bildung, an Einzelpersonen. Es geht darum, Arbeit vom Leben heraus zu denken, nicht von der Wirtschaft heraus. Wir sprechen immer nur von Erwerbsarbeit, aber es geht dabei auch um Care-Arbeit, um Freiwilligenarbeit. Wir müssen über alles grundsätzlich diskutieren, die Jungen wollen das auch. Mach, was sinnvoll ist und weniger wehtut – auch dem Klima. Arbeit soll Kraft bringen, nicht Kraft nehmen. Das ist keine Sozialromantik, das ist eine Vision! Und da sagen doch viele: Ja, das hätte ich gerne! Die wichtigsten Teile einer solchen Kulturveränderung sind für mich Agilität, Diversität und Kreativität. Unternehmen müssen sich zuerst einmal hinsetzen und über ihren Unternehmenszweck nachdenken. Sonst kann das notwendige Vertrauen, sonst kann die Motivation für Veränderung nicht entstehen. Ist es so schwer, Wertschätzung und Menschen in all ihren Aspekten zu respektieren und zu inkludieren? Die Strukturen unseres Systems lassen sich nicht schnell umwerfen."

Verena kehr bei der Diskussion im Bild
Diskussion: 'New Work- kein Buzzword sondern gelebt im Arbeitsalltag'; Verena Kehr
Regine Hendrich

Verena Kehr, General Manager Mediaagentur Mediaplus:
"Unser New-Work-Konzept basiert auf drei Säulen: Flexibler Arbeitsort, flexible Arbeitszeit sind ein Hygienefaktor. Es gibt die Möglichkeit, bis zu acht Wochen vom Ausland aus zu arbeiten. Weiterbildung und Weiterentwicklung sind zentral. Und die Arbeitskultur, das Wohlbefinden sind ebenso eine Säule. Unsere Personalfachleute sind auch ausgebildete psychologische Ersthelferinnen, wir kooperieren mit einer psychotherapeutischen Praxis. Lukas, unser Koch, kocht zweimal die Woche nur für uns. Es ist wichtig, dass man auch gerne rein ins Büro kommt, Wohlbefinden ist auch mit den Räumlichkeiten verbunden. Wir fragen die Leute auch regelmäßig, was sie wollen, entwickeln Neues bottom-up. Dabei geht es um Reinhören, Nachfragen, darum, weitere Schrauben zu drehen. Das macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber, wirkt positiv auf die Marke, verringert die Fluktuation wesentlich, wir profitieren mit Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Ja, das ist anstrengend als Führungskraft, alles andere wäre gelogen. Leute mitzunehmen kostet Energie, klar. Aber es macht auch unglaublich Spaß! Wir sind zusammen gewachsen, und das fühlt sich gut an! Der Weg lautet: Bürokratie raus, Kultur rein!"

Niklas Wiesauer im Bild bei der Diskussion
Diskussion: 'New Work- kein Buzzword sondern gelebt im Arbeitsalltag'; Niklas Wiesauer
Regine Hendrich

Niklas Wiesauer, Geschäftsführer Agentur 1000things:
"Wir hatten quasi einen Startvorteil vor zehn Jahren, als es noch kein Homeoffice gab – wir wurden aber aus einer WG heraus gegründet, also war es gleich so. Wir verstehen uns als Vorreiter der New Work, es kommen auch viele zu uns und fragen uns, wie wir das machen. Gerade arbeiten wir daran, unsere Gehälter völlig transparent, ja auch nach außen, zu machen. Wir machen die Formel dafür transparent und auch die Gehaltsentwicklungen. Das braucht natürlich viele Gespräche, Coachings, das geht nicht über Nacht. Offener Urlaub ist bei uns so, dass die meisten Leute 6,5 Wochen nehmen, also 1,5 mehr als üblich. Es geht dabei um das Gefühl, Freiheit zu haben, wenn ich sie brauche. Aber wir mussten uns auch schon von Leuten trennen, die dann Urlaub genommen haben, wenn wir gerade die meisten Aufträge hatten. Es gibt bei uns keine All-in-Verträge. Unsere Wochenarbeitszeit haben wir aktuell auf 36 Stunden reduziert – das ist eine komplexe Sache, weil Agenturen meistens nach Stunden verrechnen und die Branche nicht bekannt ist für besonders gemütliche Arbeitszeiten. Unsere Teams sind klein, vier Personen pro Lead, und alles muss vertrauensbasiert funktionieren. Ich will jetzt das Büro wieder stärken, das ist eine Aufgabe, du musst ein so geiles Büro bauen, dass die Leute wieder gern kommen. New Work ist eine Reise, kein Ziel." (Karin Bauer, 17.5.2024)