In einem sind sich alle Beteiligten der sonst so hitzig geführten Asyldebatten einig: Asylverfahren sollten so schnell wie möglich entschieden werden, solange die Qualität stimmt. Auch das Kabinett Faymann II nahm sich in seinem Arbeitsprogramm vor, die Verfahren zu straffen. Doch ob das gelang, ist zu bezweifeln: Laut Flüchtlingsberatern müssen Asylsuchende derzeit besonders lange auf eine Antwort warten. Und das liegt nicht nur an einer steigenden Zahl von Anträgen infolge des Syrien-Kriegs, sondern auch an einer Neuorganisation der Behörden.
Chaos im Amt
Mit Jahresbeginn 2014 nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Arbeit auf – die Zuständigkeiten für diverse fremdenrechtliche Dinge wurden hier gebündelt. Seither berichten NGOs von teils chaotischen Zuständen.
Erst führte eine EDV-Panne zu einem Stillstand bei den Verfahren. Später setzte dann der kontinuierliche Anstieg der Asylanträge ein, wobei die auch medial hitzig geführte Quartierfrage sich in längeren Verfahren niederschlägt: Wer länger in Traiskirchen bleiben muss, weil sich kein Bundesland findet, das ihn aufnimmt, der muss auch länger auf eine Entscheidung im Asylverfahren warten, da der Fall keinem regionalen Referenten zugewiesen werden kann, sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.
Anny Knapp von der Asylkoordination dreht den Spieß um: Dass sich die Quartierproblematik derart zugespitzt habe, sei vielmehr eine Folge der langen Verfahrensdauern. "Je kürzer das Verfahren, desto früher sind die Betroffenen aus der Grundversorgung draußen" – sie brauchen also kein organisiertes Quartier mehr.
Langes Warten auf Entscheidung
Vor allem bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen komme es teilweise zu "erheblichen Verzögerungen", berichtet Anny Knapp. Zu Beginn lag das auch daran, dass der neuen Behörde pro Fall sechs Monate Zeit für eine Entscheidung zugestanden wurde – auch dann, wenn der Akt bereits monatelang bei der "alten" Behörde gelegen war. Für die Betroffenen bedeutet das: langes Warten auf eine erste Entscheidung.
Doch auch in der zweiten Jahreshälfte sei es immer wieder zu chaotischen Zuständen gekommen, sagt Knapp. "Akten wandern von Wien nach St. Pölten und wieder zurück, auf dem Weg gehen Teile verloren, man weiß nicht, wer zuständig ist", schildert die Expertin.
Laut Grundböck spiegeln sich die Verzögerungen jedenfalls nicht in den Statistiken wider: Im ersten Halbjahr 2014 dauerten erstinstanzliche Verfahren unverändert drei Monate lang – wobei dieser Durchschnittswert auch jene Verfahren enthält, die nach relativ kurzer Zeit an andere EU-Mitgliedsstaaten abgetreten werden.
"Nicht unbeeinflusst"
Die Zahlen fürs zweite Halbjahr, die noch nicht vorliegen, werden jedoch "von der Grundversorgungsproblematik nicht unbeeinflusst bleiben", meint Grundböck. Dass es, wie manche Asylberater meinen, an mangelnder Personalausstattung und häufigem Personalwechsel liegen könnte, weist Grundböck jedoch zurück. Im Gegenteil: Man habe parallel zu steigenden Antragszahlen Personal aufgestockt (derStandard.at berichtete), um Verzögerungen zu vermeiden.
Auch wenn klar sei, welche Stelle zuständig ist, dauere es oft lange bis, bis die erste Entscheidung im Asylverfahren falle, sagt die Wiener Asylanwältin Nadja Lorenz zu derStandard.at. "Wir warten oft monatelang auf Einvernahmen, erreichen die Referenten nicht, bekommen keine Antwort auf Mails", so Lorenz. "Oft hilft nur noch eine Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht."
"Im Großen und Ganzen grauenhaft"
In den ersten Monaten habe sie die Probleme noch als Anlaufschwierigkeit gedeutet, "nach einem Jahr kann mir das aber niemand mehr erzählen". Die Anwältin berichtet von einem Fall, der zwischen September und Dezember dreimal den Referenten gewechselt hat.
Die Situation sei "im Großen und Ganzen grauenhaft", so Lorenz, die jedoch einräumt, dass sich die Betreuungsqualität zumindest atmosphärisch verbessert habe: "Die allermeisten neuen Referentinnen und Referenten sind sehr bemüht." Bemüht, aber zum Teil auch unerfahren, ergänzt Norbert Kittenberger von Asyl in Not: Entscheidungen aus bestimmten Regionalstellen wiesen überdurchschnittlich viele Mängel auf, sagt der Jurist.
Dass der von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner geforderte "Automatismus" bei der Zuteilung der Asylverfahren zu den Ländern die Lage entschärfen könnte, glaubt Anny Knapp nicht. Sie fordert, wie auch viele andere NGO-Vertreter, eine Anhebung der Abgeltungen für jene, die Asylquartiere bereitstellen, die aktuellen Tagsätze seien zu niedrig. Dass leerstehende Kasernen mehr als nur eine Übergangslösung sein könnten, glaubt Knapp nicht: Sie seien meist zu abgeschieden gelegen, den Asylsuchenden werde es dadurch schwergemacht, sich zu integrieren. (Maria Sterkl, derStandard.at, 16.12.2014)