Die Speisen von "Iss mich" kommen in Rexgläsern und am Fahrrad.

Foto: Stefan Csáky

Wien - Es ist zerkratzt, zerbrochen, hat Ernteschäden, ist zu klein oder zu groß für die Sortiermaschinen: Tobias Judmaier verarbeitet für sein Liefer- und Cateringservice "Iss mich" im neunten Wiener Gemeindebezirk jenes Biogemüse, das optisch nicht mehr gut genug für den Handel ist. Die Lebensmittel werden sonst wieder eingegraben, zu Tierfutter oder Biogas verarbeitet. "Das sind jedoch hochwertige Biolebensmittel, die für den menschlichen Verzehr produziert wurden", kritisiert er.

Den Ernteausschuss bezieht Iss mich kostenlos. Judmaier hatte die Idee, bei der Erzeugerorganisation Marchfeldgemüse (EOM) anzufragen, ob er den "Abfall" verwenden darf. Die Antwort überraschte ihn. "Wie viele Tonnen brauchen sie denn?", zeigte man sich bei EOM hilfsbereit.

Ein Drittel aller Lebensmittel wird weltweit nicht gegessen, sondern entsorgt. Das entspricht 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr. Auch in österreichischen Haushalten werden laut Umweltministerium jährlich bis zu 157.000 Tonnen an angebrochenen und original verpackten Lebensmitteln weggeworfen, obwohl sie noch genießbar gewesen wären. Das entspricht rund 40 Kilogramm pro Haushalt und einem Wert von 300 Euro.

Der Lieferservice setzt bei Verpackung und Transport ebenfalls auf umweltfreundliche Varianten. Die Speisen werden in wiederbefüllbaren Rexgläsern haltbar gemacht und mit dem Fahrrad zugestellt. Die Mitarbeiter wollen damit dem Plastikmüllaufkommen entgegenwirken: Das Gewicht des Kunststoffanteils der in Österreich jährlich anfallenden Verpackungsabfälle beträgt mehr als 250.000 Tonnen.

Mütter in Not in der Küche

Im Moment arbeiten drei Frauen aus den Mutter-Kind-Heimen der Caritas in der "Iss mich"-Küche, "zu normalen Arbeitszeiten, zu denen es auch Kinderbetreuung gibt", sagt Judmaier. Mit Pro Mente startet im März die nächste Kooperation: Menschen mit psychischen und sozialen Problemen sammeln dabei Berufserfahrung.

Judmaier beschäftigt sich schon länger mit dem Thema Lebensmittelverschwendung. Für das Projekt "Waste Cooking" durchforstete er Abfalltonnen von Supermärkten, die oft vor noch genießbaren Nahrungsmitteln überquellen. Im Rahmen der Wienwochen setzte er den "Free Supermarket" um, die Menschen brachten dabei ihre überschüssigen Lebensmittel selbst mit. Judmaier und seine Kollegen Sabine Schellander und Paul Streli sind für den Umweltpreis der Stadt Wien nominiert, der im März vergeben wird. (Julia Schilly, DER STANDARD, 12.3.2015)