Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien erinnert an Zeiten, in denen Abtreibungen noch auf Küchentischen durchgeführt wurden.

Foto: Heribert CORN

Heute ist kaum noch vorstellbar, woran noch vor siebzig, sechzig oder auch vierzig Jahren nur wenige Zweifel hatten. Doch das gesetzlich verankerte Patriarchat begann erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert zu bröckeln. Ehefrauen hatten die Pflicht, ihrem Mann in sein Haus oder seine Wohnung zu "folgen", er konnte über ihre Berufstätigkeit wie über ihren Körper verfügen, über die gemeinsamen Kinder allein bestimmen und hatte auch das Recht zur "Maßregelung" seiner Frau.

Angesichts der enormen Umbrüche wird die Frauenbewegung immer wieder als die wichtigste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts gefeiert. Doch auch fortschrittliche Politiker setzten sich ein: Nur vier Jahre nach Ausrufung der Zweiten Republik ergriff der sozialistische Justizminister Otto Tschadek die Initiative für eine Reform des Familienrechts, das damals die Unterdrückung der Frauen weitgehend festschrieb.

Familie als Ausgang

Die Politik sollte sich aber noch lange nicht zu grundlegenden Änderungen durchringen. Mit Beginn der Zweiten Republik kam es erstmal zu einer "Restaurierung von hierarchischen Geschlechterverhältnissen", sagt die Politikwissenschafterin und Koordinatorin der Gender-Studies an der Universität Innsbruck, Alexandra Weiss. Zwar hatten der Faschismus und Nationalsozialismus traditionelle Geschlechterrollen, diese konnten aber während der Kriegssituation nicht aufrechterhalten werden. Althergebrachte Frauenbilder wurden in der Nachkriegszeit wieder mit einem aus dem Jahr 1811 stammenden Familienrecht gesetzlich verankert. Erst in den 1970er-Jahren wurde mithilfe der Frauenbewegung der Boden für weibliche Emanzipation bereitet.

Während heute eine moderne Frauenpolitik um eine Trennung von Familienpolitik bemüht ist, musste damals der Weg über das Familienrecht genommen werden, um Frauen einen Status als autonome Menschen zuzusprechen. Neben dem Familienrecht war es die Legalisierung von Abtreibung, die – ebenso in den 1970er-Jahren – den Wandel der Geschlechterverhältnisse begleitete. Doch was war zuerst da? Ein Recht auf Gleichstellung oder der gesellschaftliche Wandel, dem die neuen Rechtsordnungen Rechnung tragen sollten? Für Brigitte Hornyik, Verfassungsjuristin und Vorstandsmitglied im Österreichischen Frauenring, ist das Verhältnis zwischen Recht und Gesellschaft ein wechselseitiges.

Männer fühlen sich benachteiligt

Die Familienrechtsreform habe klar die damalige gesellschaftliche Realität überholt, sagt sie. Während Frauen und Männer innerhalb der Ehe ab 1975 gleichberechtigt waren, wurden Mütter unehelicher Kinder noch bis 1991 selbst wie unmündige behandelt. Ihre Kinder kamen automatisch in die Obsorge des Jugendamtes. Die Mutter musste erst einen Antrag stellen, um sich schließlich vom Jugendamt als "ordentliche Mutter qualifizieren" zu lassen, erzählt Hornyik. Das Thema Obsorge regte seither immer wieder auf.

Manche Väter fühlen sich nach Gerichtsurteilen, aufgrund derer die Obsorge nach einer Trennung zugesprochen wird, benachteiligt. Seit 2013 kann das Gericht eine Testphase für eine gemeinsame Obsorge verordnen, sollten sich Vater und Mutter über diesen Punkt nicht einig werden.

Auch in der Sexualpolitik gehen die Wogen noch immer hoch. Die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper und damit die Kontrolle über die Reproduktion ist auch heute ein umkämpftes Feld. In den Fünfzigerjahren wurde Frauen ihre Sexualität schlichtweg abgesprochen. "Eine Debatte über Schmutz und Schund prägte diese Zeit", sagt Weiss. Frauen wurden zu Sittlichkeit und Moral erzogen. Erst in den 1960er-Jahren kam mit der Antibabypille eine Reproduktionskontrolle für Frauen auf. Wem diese zugänglich war, war jedoch stark von den Moralvorstellungen der Ärzte beeinflusst. Oft wurde "die Pille" nur verheirateten Frauen oder Frauen mit Kindern verschrieben. Trotzdem bereitete sie den Weg für die Fristenregelung, die 1973 im Parlament allein mit den Stimmen der SPÖ beschlossen wurde. Weiss bezeichnet das Gesetz, das Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate straffrei stellt, als "ein wesentliches Gesetz", allerdings fehle es bis heute an einer guten Umsetzung: "Es ist trotzdem noch immer von den Landesregierungen abhängig."

Nichts Neues im Westen

In Tirol und Vorarlberg werden bis heute keine Abtreibungen in öffentlichen Spitälern durchgeführt. In Tirol gibt es derzeit nur einen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Laut Weiss gebe es noch immer eine "Tabuisierung", obwohl die Mehrheit der Gesellschaft für die Fristenregelung ist. So präsentierte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) Anfang des Jahres das Ergebnis der Umfrage "Frauenbarometer", wonach drei Viertel der Österreicher der Meinung sind, dass es in jedem Bundesland die Möglichkeit geben sollte, Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Krankenhäusern vornehmen zu lassen.

Dass Frauen für eine Abtreibung und für Verhütungsmittel selbst zahlen müssen, stellt für Weiss eine große Hürde da. Feministinnen fordern hier, dass die Krankenkasse die Kosten übernehmen sollen. (Beate Hausbichler, Oona Kroisleitner, DER STANDARD 25.4.2015)