Eine Flügelspannweite zwischen einem und 1,30 Metern machen den Sakerfalken zu einem der größten Falken weltweit.

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Wien - Der Sakerfalke ist einer der größten Falken weltweit: Im Sitzen wird er bis zu knapp 60 cm hoch, und seine Flügelspannweite liegt zwischen einem und 1,30 Meter. Wobei die Weibchen - wie bei den meisten Greifvögeln - deutlich größer sind als die Männchen. Flügel und Körper sind an der Oberseite dunkelbraun, die Unterseite ist hingegen cremefarbig mit braunen Flecken und Bändern. Charakteristisch ist der helle Kopf. Insgesamt ist der Sakerfalke jedoch variabel in seiner Färbung, sodass er leicht mit dem etwa gleich großen Mäusebussard verwechselt werden kann.

Als enorm schneller und wendiger Jäger macht er seine Beute gewöhnlich knapp über dem Boden: bevorzugt Ziesel, wo es sie noch gibt, oder sonst häufig Tauben. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den trockenen Gebieten Ostösterreichs, wo sein westlichstes Vorkommen liegt, bis zur Mongolei und China im Osten, wo er Steppen, Halbwüsten und felsige Hochebenen bewohnt. Vor allem der Lebensraumverlust durch die Umwandlung von ehemaligen Steppengebieten in Felder hat ihm im Verlauf des 20. Jahrhunderts massive Verluste beschert: In ganz Europa dürfte es nur noch rund 700 Brutpaare geben - das bedeutet gegenüber dem 19. Jahrhundert einen Rückgang von mehr als 90 Prozent. In jüngerer Zeit wird ihm häufig sein Jagdgeschick zum Verhängnis: Vor allem in seinem arabischen Verbreitungsgebiet wird er in großer Zahl für die Falknerei gefangen.

Ausgedehnte Kulturflächen können bis zu einem gewissen Grad die Steppen als Lebensraum für den Sakerfalken ersetzen, da auch sie ihm freies Feld für die Jagd bieten. Was ihm in der Kulturlandschaft jedoch häufig fehlt, sind Nistplätze. In seinen ursprünglichen Lebensräumen brütet der Sakerfalke meist auf Bäumen, selten auch an Felshängen, wobei er jedoch nie ein eigenes Nest baut. Vielmehr benützt er alte Nester von anderen großer Vogelarten wie Bussarden, Storchen oder Reihern. In der mehr oder weniger ausgeräumten Agrarsteppe besetzt er vorwiegend Krähennester, was dem Nachwuchs jedoch nicht immer bekommt: "Diese Nester sind oft nicht stabil genug für vier bis fünf Sakerfalken-Junge", sagt Richard Zink vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmed-Uni Wien, "was dazu führt, dass sie oft abstürzen".

Um den seltenen Falken ein solides Fundament für ihre Brut zu bieten und sie gleichzeitig vor Störungen zu schützen, kam man auf die Idee, Starkstrommasten zu diesem Zweck zu nutzen. Die Austrian Power Grid AG, der die Masten gehören, erklärte sich einverstanden, im Zuge von Wartungsarbeiten künstliche Nisthilfen zu montieren, mit denen man in unseren Nachbarländern schon gute Erfolge verzeichnet hatte. Es handelt sich dabei entweder um mit Kies gefüllte dreieckige Plattformen oder um an einer Seite offene Kästen aus Metall.

Beliebte Kunstnester

Die ersten Kunstnester wurden im Bereich des Nationalparks Donauauen angebracht. Erst als diese gute Erfolge zeigten, wagten sich Zink und seine Mitarbeiter weiter ins Kulturland hinaus. "Die Vögel nehmen die Hilfen sehr gern an", freut sich Zink, "auch sind die Masten hervorragende Aussichtspunkte für sie." Seit 2010 führen die Vetmed-Uni Wien und Birdlife Österreich eine Brutzeiterhebung des Sakerfalken durch. Daher weiß man, dass es in Niederösterreich und im Burgenland derzeit etwa 30 Paare gibt. "Gut die Hälfte davon brütet mittlerweile erfolgreich, vorzugsweise auf Starkstrommasten", sagt Zink.

Bleibt die Frage, ob Masten tatsächlich ein gefahrloses Umfeld für die Vögel bieten. Die Gefahr von Kollisionen mit den Starkstromleitungen besteht für die Falken laut Zink nicht: "Sie sind sehr geschickte Luftjäger, sie haben kein Problem, der Hochspannungsleitung auszuweichen. Das gilt allerdings nicht für Mittelspannungsleitungen, wie wir sie in Ortschaften haben. Wenn die Vögel dort auf den Masten landen, kann es vorkommen, dass sie die stromführenden Leitungen mit den Flügeln kurzschließen und so in den Stromkreis geraten." Die elektromagnetischen Felder, die sich um die Hochspannungsmasten bilden, scheinen die Vögel jedoch nicht negativ zu beeinflussen. "Auf fast jedem Starkstrommast ist heutzutage ein Krähennest, und den Tieren scheint es nicht zu schaden", sagt Zink.

Auch der Fortpflanzungserfolg der Sakerfalken spricht gegen eine Beeinträchtigung: 2012 flogen 45 Junge aus, im Jahr 2013, in dem extrem schwierige Witterungsbedingungen herrschten, immerhin 35 und im Vorjahr trotz eines verregneten Sommers 47. Trotz der Zuwächse wird der Sakerfalke nicht so schnell wieder ein häufiger Anblick sein. "Wir haben Ausfälle durch Verkehr, Windräder, Wilderei und auch Verletzungen, die sich die Vögel ohne Fremdeinwirkung zuziehen - immerhin jagen sie im Sturzflug", sagt Zink. "Insgesamt dürfte der Zuwachs gerade die Verluste ausgleichen."

Heuer sollen erstmals Jungvögel beringt werden und ein genetisches Monitoring beginnen. Dazu wird Zink selbst auf die Masten steigen. Den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden, ist nicht einfach: "Macht man das zu früh, ist der Ring zu groß und fällt ab, macht man es zu spät, besteht die Gefahr, dass die Vögel ausfliegen, obwohl sie noch nicht so weit sind." Und dann geht es links und rechts rund 50 Meter hinunter - für Falken wie Biologen. (Susanne Strnadl, 25.5.2015)