Forschende untersuchen, wie Laufkäfer einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion dienen können.

Foto: Corinna Wallinger

Äcker und Felder bieten Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere. Da diese Kulturlandschaften auch vom Menschen genutzt und beeinflusst werden, spricht man von seminatürlichen Habitaten. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft geht die Artenvielfalt dieser Flächen in erschreckendem Ausmaß zurück, unter anderem durch den Einsatz chemischer Unkraut- und Schädlingsvernichtungsmittel.

Allerdings können unerwünschte Pflanzen und tierische Schädlinge enorme Ernteausfälle verursachen. Für gewöhnlich können Landwirtinnen und Landwirte daher nicht einfach auf Pestizide und Herbizide verzichten. Ein heuer gestartetes internationales Projekt sucht einen Ausweg aus der Zwickmühle.

Unter der Abkürzung Freshh (Farmer-acceptable Restoration of Seminatural Habitats to Limit Herbicides) arbeiten Forschende aus Frankreich, Tschechien, Schweden, den Niederlanden und Österreich zusammen, um Pflanzenschutz und Biodiversität unter einen Hut zu bringen. Die Hoffnung liegt dabei vor allem auf Laufkäfern. Sie stellen die artenreichste Käferfamilie dar, rund 2700 Arten leben in Europa, etwa 600 Arten in Österreich.

Was futtern die Krabbler?

Der österreichische Projektbeitrag wird finanziell vom FWF unterstützt und an der Universität Innsbruck umgesetzt. Bereits in einem vorherigen FWF-Projekt untersuchte Corinna Wallinger vom Department für Zoologie den Mageninhalt von Laufkäfern. Die Wissenschafterin wollte dabei feststellen, was die Tiere bevorzugt fressen.

Die Vertreter der artenreichsten Käferfamilie besiedeln Moore, aber auch Felder.
Foto: Imago / blickwinkel

Zu diesem Zweck werden die Insekten kopfüber in ein Röhrchen gesteckt, das kurz in unangenehm warmes Wasser getaucht wird. Die Tiere nehmen keinen Schaden, aber der Stress führt dazu, dass sie ihren Mageninhalt hochwürgen. So können Wallinger und ihr Team mittels molekularbiologischer Methoden untersuchen, was die Tiere gefressen haben, während die Käfer wieder freigelassen werden.

Wie sich zeigte, nehmen die meisten Laufkäfer sowohl tierische Kost als auch Samen zu sich, wobei der Anteil je nach Käferart variiert: Bei manchen untersuchten Arten machten Samen bis zu 90 Prozent des Mageninhalts aus. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Samen von Pflanzen, die in Feldern unerwünscht sind.

Eindämmung vor der explosionsartigen Vermehrung

Getreidekörner werden von den Käfern so gut wie gar nicht gefressen. Schädlinge wie Blattläuse können sie dafür wirksam in Schach halten: "Spezialisten wie Marienkäfer oder Florfliegen kommen erst, wenn es schon massenhaft Blattläuse gibt", erklärt Wallinger, "aber die Laufkäfer sind schon vor Ort und fressen die ersten ankommenden weiblichen Blattläuse, bevor sie sich explosionsartig vermehren können."

Etwa 600 Laufkäferarten leben in Österreich.
Foto: Imago / blickwinkel

Das Potenzial zur Regulierung von Schädlingen und unerwünschten Pflanzen haben Laufkäfer also allemal, doch ist ihre Leistung zuverlässig genug, um chemische Mittel reduzieren oder gar darauf verzichten können?

Tierisches Potenzial nutzen

Zur Klärung dieser Frage erheben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Rahmen von Freshh auf jeweils zwölf Winterweizenfeldern in den teilnehmenden Staaten die Parameter, unter denen die Käfer am besten "funktionieren". Für die Vergleichsmöglichkeiten ist dabei von Vorteil, dass die jeweiligen Länder nicht nur klimatisch verschieden sind, sondern auch unterschiedliche Bewirtschaftungsmaßnahmen setzen: So wird etwa Wintergetreide in Tschechien und Schweden mehrmals pro Jahr mit Pestiziden behandelt, während das in Österreich kaum der Fall ist.

Das Potenzial zur Regulierung von Schädlingen und unerwünschten Pflanzen haben Laufkäfer allemal.
Foto: Corinna Wallinger

Die Untersuchungen sollen in Empfehlungen münden, wie landwirtschaftliche Flächen am besten gestaltet und bewirtschaftet werden können, damit die Käfer ihr Potenzial voll entfalten können.

Die Probleme, Bedürfnisse und Bedenken der Landwirte im Zusammenhang mit dem integrierten Pflanzenschutz zu erfassen ist das zweite Ziel des Projekts. Wie erste Befragungen ergeben haben, stehen die meisten Bauern und Bäuerinnen einer Reduktion chemischer Mittel positiv gegenüber, aber: "Ihr Lebensunterhalt hängt vom Ertrag ihrer Felder ab", sagt Wallinger, "da brauchen sie entsprechende Sicherheit."

Mit den Erkenntnissen aus Freshh könnte es in Zukunft möglich sein, gleichzeitig die Artenvielfalt zu erhöhen, Umweltgifte zu reduzieren und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. (Susanne Strnadl, 29.8.2022)