Sony ULT Wear
Sony ULT Wear mag als Produktname besser klingen als zum Beispiel Sony WM-1000XM5. Luft nach oben bleibt dennoch.
DER STANDARD/Brandtner

Sony ist nicht unbedingt bekannt dafür, ein Händchen für einprägsame Produktnamen zu haben. Das zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch alle Produktbereiche des Konzerns. Ein wüster Mix aus Zahlen und Buchstaben macht es für Laien meist unmöglich, Modelle auseinanderzuhalten – und fast schon zu einem Wunder, dass man wenigstens bei der Playstation eine konsequente Nummerierung durchgehalten hat.

Einfach nur ULT

Die Kritik scheint bei Sony jedenfalls längst angekommen. Zumindest bei Audioprodukten hat ein Umdenken eingesetzt. Gibt es schon seit längerem etwa die lediglich Inzone Buds genannten In-Ear-Kopfhörer für Gamer, ist das Unternehmen nun mit einer neuen Range an Audioprodukten an den Start gegangen, die an ein jüngeres Zielpublikum gerichtet ist und schlicht ULT heißt. ULT steht dabei für "Ultimate" und soll sich insbesondere an Leute richten, die besonderen Wert auf kraftvolle Bässe legen.

Das Produktangebot umfasst drei Lautsprechermodelle sowie die kabellosen Over-Ear-Kopfhörer ULT Wear. Alle Vertreter der Serie sind nach Angaben des Herstellers darauf ausgelegt, auch bei höchster Lautstärke eine klare Klangqualität mit deutlich stärkeren Bässen abzuliefern als man es sonst gewohnt ist. Ein Kennzeichen aller Modelle in dieser Serie ist demnach auch die ULT-Taste, die das Hörerlebnis durch bis zu zwei verschiedene Klangmodi erweitert - sie hebt, man kann es sich schon denken, insbesondere den Bass hervor, wodurch die gehörte Musik energiegeladener und voluminöser wirken soll.

Weniger Premium …

DER STANDARD hat die Over-Ear-Kopfhörer der Serie im Alltag ausprobiert. Der Erstkontakt mit Sonys Neulingen war zugegebenermaßen ein wenig enttäuschend: Für eine unverbindliche Preisempfehlung von knapp 200 Euro greift sich der matte Kunststoff, aus dem die ULT Wear gefertigt sind, recht billig an. In Kombination mit dem neuen Glitzerlogo an der Seite des Bügels wirkt das zumindest rein optisch eher so, als hätte man am Kirtag etwas beim Schießstand gewonnen.

Sony ULT Wear
Im Vergleich zum Allrounder WM-1000XM4 zeigt sich, dass die ULT Wear etwas größer ausgefallen sind und sich auch nicht so hochwertig anfühlen.
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Immerhin sind die Bügel aus Metall und nur mit recyceltem Kunststoff ummantelt, auch an die Haptik gewöhnt man sich schnell. Das Kunstleder der Ohrpolster fühlt sich angenehm beim Tragen an, dürfte im Sommer aber auch wieder zu Schwitzkonzerten führen. Generell hat man beim Design man wieder daran gedacht, wie praktisch es ist, die Kopfhörer zusammenklappen und in einem Case verstauen zu können. Neben dem Case im Lieferumfang enthalten sind übrigens auch ein kurzes USB-C-Kabel und ein Klinkenkabel, um die ULT Wear optional kabelgebunden betreiben zu können.

… und doch auf gutem Niveau

Geht es um die "Innereien" der ULT Wear, sind die Kopfhörer aber wieder überraschend nahe dran an der Vorzeige-Serie von Sony. Jedenfalls nutzen sie den gleichen V1-Prozessor, der in den WH-1000XM5 von Sony verwendet wird. Im gegenwärtigen Fall unterstützt der Prozessor auch zwei Soundarten, die durch die "ULT"-Taste an der Unterseite der linken Kopfhörermuschel aktiviert werden können. Der Modus "Deep Bass" (ULT 1) sorgt für eine moderate Bassverstärkung, während der Modus "Attack Bass" (ULT 2) durchaus wörtlich verstanden werden kann.

Sony ULT Wear
"Woom woom" auf Knopfdruck: Sonys ULT-Zauber hat eine eigene Taste und beim Aktivieren eine eigene Sound-Signatur spendiert bekommen.
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In den Kopfhörermuscheln befinden sich 40-mm-Dynamiktreiber, die einen Frequenzbereich von 5 Hz bis 20 kHz abdecken. Die Kopfhörer unterstützen Bluetooth 5.2 und sind kompatibel mit den Codecs AAC, LDAC und SBC. Sie bieten eine Multipoint-Verbindung für bis zu zwei Geräte und verfügen über die Google Fast Pair Funktion. Ein zukünftiges Update wird den Support für den LC3-Codec hinzufügen. Auch praktisch: Ein eingebauter Sensor pausiert die Musik automatisch, wenn die Kopfhörer abgenommen werden, und setzt die Wiedergabe fort, wenn sie wieder aufgesetzt werden.

Was die Akkulaufzeit anbelangt, gibt Sony an, dass die Kopfhörer bei eingeschaltetem Noise-Cancelling (ANC) etwa 30 Stunden und bei ausgeschaltetem ANC etwa 50 Stunden halten. Die tatsächliche Laufzeit variiert natürlich je nach Lautstärke - und auch verwendetem Codec. Laut Sony sorgt eine 10-minütige Ladezeit für etwa 5 Stunden Wiedergabe, eine vollständige Ladezeit wird vom Hersteller allerdings nicht genannt.

Gewohnte Kommandos

Die Bedienung der Kopfhörer erfolgt wie man es bei Sony gewohnt ist über physische Tasten und ein Touchpanel an den Ohrmuscheln. An der linken Muschel befinden sich die Tasten für Ein/Aus und Pairing, Noise Cancelling/Ambient und eben besagte ULT-Taste. Ein Druck auf die Taste zur Umgebungsgeräuschunterdrückung wechselt standardmäßig zwischen den Modi Noise Cancelling und Ambient, wobei über die App weitere Optionen vorgenommen werden können.

Auf der rechten Ohrmuschel befindet sich ein Touchpanel, das weitere Steuerungen übernimmt. Ein doppeltes Tippen steuert die Wiedergabe und verwaltet Anrufe, durch Wischen nach vorne oder hinten wechselt man die Titel und mit einem Wischen nach oben oder unten lässt sich die Lautstärke regulieren. Ein langes Drücken aktiviert den Sprachassistenten oder lehnt einen eingehenden Anruf ab. Die Touch-Steuerung ist einfach zu bedienen, wenn man sie einmal verinnerlicht hat – Fehler können sich bei der Nutzung dennoch immer wieder einschleichen.

Hier kommt die Bass-Keule

Klanglich dürften Sony Neulinge tatsächlich ideal für Bassliebhaber sein – mit Einstellungen, die von moderat bis eindeutig übertrieben reichen. Der "ULT 1" Modus verstärkt den Bass, wobei die Musik noch ausgewogen bleibt, und eignet sich für eine breite Palette von Musikgenres, wie sie der Testparcours abzubilden versucht. Im Gegensatz dazu liefert der "ULT 2" Modus einen übermäßig starken Bass, der die Mitten und Höhen überdeckt und somit die Musik in manchen Fällen unklar und überladen wirken lässt. Hier kann man je nach gewähltem Track eher schon von einer Bass-Keule sprechen, die den restlichen Sound niederknüppelt.

Auch ohne die speziellen Bassmodi zu aktivieren, bieten die Kopfhörer schon eine kraftvolle Basswiedergabe und bewahren gleichzeitig noch am ehesten eine klare Wiedergabe der Höhen. Dies ermöglicht auch bei bassintensiven Tracks ein vergleichsweise ausgewogenes Hörerlebnis. Durch die Einstellungsmöglichkeiten des Equalizers in der ausgezeichneten "Headphones Conect"-App können Nutzerinnen und Nutzer die Klangbalance weiter feinjustieren, um eine optimale Abstimmung auf unterschiedliche Musikstile und persönliche Präferenzen zu erreichen.

Sony ULT Wear
Aufgelegt, aber nicht selbstverständlich: ULT Wear nutzt die hilfreiche "Headphones Connect"-App.
Screenshot

Tadellos entpuppen sich die ULT Wear nicht zuletzt in einer Kategorie, in der Sony auch in der Vergangenheit immer wieder brillieren konnte: Die Geräuschunterdrückung gibt sich dank starkem Prozessor und geschickter Mikrofonanordnung keine Schwächen und sorgt auch in belebter Öffentlichkeit dafür, dass man seine Ruhe hat. Hervorzuheben ist für den Transparenzmodus außerdem, dass sich in unterschiedlichen Stufen feineinstellen lässt, wie viel Geräusch man sozusagen durchlassen möchte und mit Voice Passthrough auch speziell nur menschliche Stimmen hervorheben kann. Das funktioniert im Alltag ausgezeichnet.

Eindruck

Wenn es darum ginge, wer die Lautsprecher-Membran in Kopfhörern am besten ans Limit treiben kann, dann wäre Sony mit den neuen ULT Wear bestimmt ganz vorne dabei. Die Kopfhörer können einem Bass tatsächlich derart um die Ohren schmeißen, dass man sich fragt, wie lange sie das noch aushalten werden. Also Ohren und Kopfhörer. Keine Sorge, halten beide aus. Die Betonung liegt dabei aber auch auf "können", denn tatsächlich überzeugte der Klang der ULT Wear – wenig überraschend – eher dann, wenn man dem Bass nicht ganz freien Lauf ließ.

Während also die höchste "ULT 2"-Stufe selbst bei entsprechenden Genres nur wenig nachvollziehbar bleibt, tut es das restliche Paket: Dass die Kopfhörer nicht ähnlich hochwertig verarbeitet sein können wie die WH-1000XM-Serie, leuchtet aufgrund des preislichen Unterschieds (selbst zu den XM4) ein. Irgendwo muss man Kompromisse eingehen. Überraschend und erfreulich hingegen, dass sie hinsichtlich Komfortfunktionen (Geräuschunterdrückung und App) auf ähnlich hohem Level bleiben wie Vorzeigeserie aus eigenem Haus. Wer also bevorzugt bassreiche Musik hört, kann Sony ULT Wear durchaus in Erwägung ziehen. (Benjamin Brandtner, 27.4.2024)