Giorgia Meloni
Nach Unstimmigkeiten über Abtreibungrechte mit den übrigen G7-Teilnehmern konnte Italiens Premierministerin Giorgia Meloni mit dem Kreditpaket für die Ukraine einen Erfolg verbuchen.
AP/Alex Brandon

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die in diesem Jahr die Präsidentschaft der G7 innehat, war schon am Montag nach Apulien gereist, um nach dem Rechten zu sehen: Sie will bei dem Gipfeltreffen, das in einem Luxusresort an der Adriaküste tief im Süden stattfindet, unbedingt "bella figura" machen. Sie kümmert sich deswegen um jedes Detail, sogar den Blumenschmuck hat sie persönlich ausgewählt. Und dann das: Noch ehe die Staats- und Regierungschefs der sieben mächtigsten westlichen Industrieländer alle angereist waren, kam es zu einem ersten ernsthaften Eklat. Aus EU-Kreisen war am Vorabend des Treffens durchgesickert, dass die italienische Präsidentschaft das Recht auf Abtreibung aus dem Entwurf des Abschlussdokuments gestrichen und durch eine nichtssagende Formulierung ersetzt habe.

Deutliche Irritation

Beim letzten G7-Gipfel in Hiroshima 2023 hatten sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Frauen einen "sicheren und legalen Zugang" zum Schwangerschaftsabbruch zu garantieren. Das Bekenntnis sollte beim diesjährigen Gipfeltreffen bekräftigt werden; Frankreich und Kanada wünschten sich eine noch etwas konkretere und griffigere Formulierung. Entsprechend groß war die Irritation bei praktisch allen G7-Staaten. Es sei "schwerwiegend", dass Meloni ihre Position als Gastgeberin zu einem Angriff auf die Rechte der Frauen benutze, hieß es in der französischen und der kanadischen Delegation. Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron handelt es sich um ein besonders sensibles Thema, da sein Land das Recht auf Abtreibung gerade erst in die Verfassung aufgenommen hat.

Die italienische Regierung versuchte in der Folge zu beschwichtigen: Die Verhandlungen zur Frage des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch – das eigentlich nicht im Zentrum des Gipfels stehen sollte – seien noch im Gange; am Ende werde eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. In Italien, wo Abtreibungen legal sind, versucht Meloni, die in gesellschaftlichen Fragen konservative, teilweise reaktionäre Positionen vertritt, die Hürden so hoch wie möglich zu legen. Sie versprach zwar mehrfach, dass sie das Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt, "nicht antasten" werde, aber unlängst hat die Regierung per Dekret verfügt, dass militante Abtreibungsgegner wie Pro Vita zu den verpflichtenden Beratungsgesprächen für abtreibungswillige Frauen zugelassen werden.

Einigkeit bei Ukraine und Gaza

Neben dem von ihr selbst verschuldeten Misston konnte Meloni aber bereits am ersten Tag auch einen wichtigen Erfolg verbuchen. Die Unterhändler der Staats- und Regierungschefs der G7 verständigten sich nach Angaben der US-Delegation darauf, mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischem Staatsvermögen ein Kreditpaket im Umfang von etwa 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Milliarden Euro) für die Ukraine zu schnüren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der als Gast ebenfalls nach Apulien gereist ist, hatte unmittelbar vor dem Beginn des G7-Gipfels hohe Erwartungen an das Treffen formuliert – Erwartungen, die nun offenbar nicht enttäuscht werden. Die technischen Details sollen in den kommenden Wochen geklärt werden, wie es im finalen Entwurf am Donnerstag hieß.

Darin wird auch die Unterstützung der G7-Staaten für den Anfang Juni von US-Präsident Joe Biden präsentierten Friedensplan und die daraus resultierende Resolution des UN-Sicherheitsrats erklärt. Besorgt zeigten die Länder sich über die Lage an der israelisch-libanesischen Grenze.

Am Freitag wird ein weiterer prominenter Gast zum Treffen der "großen sieben" stoßen: Papst Franziskus wird – als erster Papst in der fünfzigjährigen Geschichte des G7-Formats – an den Gesprächen im Luxusresort teilnehmen. Er dürfte am Versuch Melonis, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch aus dem Abschlussdokument zu verbannen, große Freude gehabt haben: Die katholische Kirche verurteilt Abtreibungen sei eh und je als Todsünde. Franziskus kommt aber nicht deswegen nach Apulien, sondern um über ethische Aspekte und die mögliche Regulierung der Künstlichen Intelligenz zu diskutieren. Zum gleichen Thema wird im Vatikan vom 20. bis 22. Juni eine Konferenz stattfinden. (Dominik Straub aus Rom, red, 13.6.2024)