Die französische Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin Jeanne Moreau ist 89-jährig gestorben.

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Ein Spiel um Macht und Verlangen: Jeanne Moreau als geheimnisvolle Unbekannte in Joseph Loseys Drama "Eva" (1962).

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Blieb ihren Wurzeln am Theater auch als Filmstar verbunden: Jeanne Moreau in einer Aufnahme aus dem Jahr 1988.


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Paris – Orson Welles bezeichnete sie als die großartigste Schauspielerin, die er kannte. Was die amerikanische Regielegende an der französischen Ausnahmedarstellerin so bewunderte, war deren zeitloser Ausdruck. Es genügte ein kurzer Blick, der oft so tief war, dass man sich darin zu verlieren meinte, und der dennoch eine gefühlte Ewigkeit zu dauern schien.

Es war aber auch ein Blick, der einen zurückstieß, weil er undurchdringlich wirkte, kühl. Welles besetzte Jeanne Moreau in seiner Kafka-Adaption Der Prozeß (1962), seinem Kinoalbtraum in Schwarz-Weiß, in dem sich die Schatten auf die Gesichter legen, als wären sie entlang einer scharfen Linie gezogen. Auf Moreaus kantigem Gesicht scheinen sie noch schwärzer. Anthony Perkins war in diesem Film der amerikanische Star, Moreau nicht nur der französische, sondern der europäische. Sie war das Gesicht der Nouvelle Vague – eindringlich, sinnlich, herausfordernd.

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Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits für fast alle Größen des europäischen Autorenkinos vor der Kamera gestanden: für Louis Malle in Fahrstuhl zum Schafott (1957), mit dem sie ihren Durchbruch feierte, und in Die Liebenden (1958); für Roger Vadim in Gefährliche Liebschaften (1959), für Jean-Luc Godard in Eine Frau ist eine Frau (1961) in einer kleineren Rolle neben dessen Muse Anna Karina; für Michelangelo Antonioni in Die Nacht (1961) an der Seite von Marcello Mastroianni. Und selbstverständlich für François Truffaut, dem sie ihre bis heute wahrscheinlich bekannteste Rolle verdankte. Dem Lächeln ihrer Catherine, das sie an das einer Statue erinnert, erliegen in Jules und Jim (1961) Oskar Werner und Henri Serre bedingungslos.

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Bestimmende Töne

Geboren 1928 in Paris als Tochter einer englischen Tänzerin, studierte Moreau nach der Befreiung Frankreichs 1945 an der Comédie-Française, wo sie die Klassiker ebenso spielte wie die neuen Autoren der experimentellen Moderne, erarbeitete Stücke mit Jean Cocteau und Jean Marais. Moreaus Stern begann am Theater in den 1950er-Jahren zu leuchten, regelrecht zum Strahlen brachte ihn aber erst das Kino.

Moreau entsprach nicht dem klassischen Schönheitsideal ihrer Zeit, diese Rolle blieb in den frühen 1960er-Jahren der jüngeren Catherine Deneuve überlassen. Moreau war reserviert, abweisend, sie war das, was Männer gern als geheimnisvoll bezeichnen. Ihr Auftreten und ihre Leinwandpräsenz entsprachen perfekt dem Autorenkino dieser Tage, das sich wie auch sie mit Vorliebe mit einer kühl-rätselhaften Attitüde schmückte und in dem sich, wie in Fahrstuhl zum Schafott, der europäische Film noir mit einem flirrenden Score verbündete.

Jeanne Moreau in Louis Malles "Fahrstuhl zum Schafott / Ascenseur pour l'échafaud" (1958).
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Moreau war nie die europäische Femme fatale nach amerikanischem Vorbild, wiewohl ihre Rollen, die sie kraft ihrer Autorität stets selbst auswählte, von einer Mischung aus Forschheit und Unnahbarkeit bestimmt waren: In Joseph Loseys grandiosem Melodram Eva (1962) bekommt Stanley Baker, den sie nach Belieben dominiert, von ihr einen Aschenbecher an den Kopf geworfen. Die Inkarnation einer Frau, der man als Mann verfallen kann, weil sie den Ton angibt.

Die leisen Töne und zarten Gesten setzte Moreau indes auch in den 1970er-Jahren noch auf der Bühne ein. Sie blieb stets dem Theater leidenschaftlich treu, arbeitete mit dem ihr verbundenen Peter Handke und feierte Erfolge mit Klaus Michael Grübers Die Erzählung der Magd Zerline nach Hermann Broch. Dass sie sich auch in späteren Jahren dem zeitgenössischen Kino verpflichtet fühlte, beweist ihre Zusammenarbeit mit Autoren wie Rainer Werner Fassbinder (Querelle, 1982) und Theo Angelopoulos (Der schwebende Schritt des Storches, 1991). Der europäische Autorenfilm hielt sie bis zuletzt in Ehren.

Am Montag ist Jeanne Moreau im Alter von 89 Jahren in Paris gestorben. (Michael Pekler, 31.7.2017)