Im Mutterleib kommen Sprachlaute nur gefiltert in den Ohren der Babys an. Das könnte wichtig für die Sprachentwicklung sein.

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Wann Kinder zu sprechen beginnen, ist sehr unterschiedlich. Manche plappern bereits mit einem Jahr drauflos, andere brauchen etwas länger. Meist sind die Kleinkinder zwischen zwölf und 18 Monaten alt, wenn sie die ersten Worte sprechen.

Der Prozess, bei dem das Sprachvermögen der Kleinen ausgebildet wird, beginnt jedoch schon sehr viel früher: Die Spezialisierung der zuständigen Hirnregionen findet wohl bereits im Mutterleib statt. Das konnte nun die Arbeitsgruppe der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Med-Uni Wien im Comprehensive Center for Pediatrics (CCP) zeigen.

Früh übt sich

Das Team um die Neurolinguistin Lisa Bartha-Doering fand heraus, dass reifgeborene Babys bereits am Tag ihrer Geburt in der Lage sind, Sprachlaute von Nichtsprachlauten zu unterscheiden. Sie konnten zeigen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Spezialisierung für die Sprachverarbeitung im Gehirn der Neugeborenen stattgefunden hat. Dieser Prozess läuft in speziellen Bereichen der Stirn- und Schläfenlappen in der linken Hirnhälfte ab.

Da die Ohren der Babys im letzten Drittel der Schwangerschaft bereits funktionsfähig sind, können die Föten so schon im Mutterleid lernen, verschiedene Sprachlaute zu unterscheiden. Durch den Körper der Mutter gelangen die Geräusche in gedämpfter Form zu den Ungeborenen. Diese gefilterte Geräuschkulisse in den letzten Wochen der Schwangerschaft scheint von großer Bedeutung für die Sprachentwicklung der Kinder zu sein.

Keine Reaktion

Um die frühe Hirnaktivität der Kinder zu messen, wurde die Methode der funktionellen Nahinfrarot-Spektroskopie (fNIRS) angewendet. So konnten die Forscher erheben, ob sich die Sauerstoffanreicherung in der Hirnrinde der Babys während der Wahrnehmung von Sprache verändert. Dadurch sollte herausgefunden werden, ob gewisse Laute von den Neugeborenen als Sprache erkannt werden oder nicht. Für ihre Studie verglichen die Wissenschafter 15 frühgeborene mit 15 reifgeborenen Babys.

Es zeigte sich, dass die Frühgeborenen anfänglich nicht auf den Sprachreiz reagierten. Sie waren im Gegensatz zu den reifgeborenen Säuglingen also noch nicht in der Lage, sprachliche von nichtsprachlichen Lauten zu unterscheiden. Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf den Umgang mit Frühchen in den ersten Wochen nach der Geburt.

Wie im Bauch

Sprachdefizite gehören mitunter zu den häufigsten Problemen, mit denen Frühgeborene zu kämpfen haben. Diese manifestieren sich im späteren Leben häufig als Rechtschreib- oder Leseschwierigkeiten und Einschränkungen im Wortschatz. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass den frühgeborenen Säuglingen die wichtigen letzten Wochen im Bauch der Mutter fehlen, in denen sie die Geräusche und Sprachlaute noch gefiltert wahrgenommen hätten. Die akustische Umgebung auf Frühgeborenenstationen sollte also mehr Beachtung finden, um die Sprachentwicklung der Babys zu fördern.

"Eine Lautumgebung ähnlich der Situation im Mutterleib inklusive elterlicher Stimmen und Reduktion der Umweltgeräusche kann die Entwicklung der Sprachareale im Gehirn von frühgeborenen Kindern unterstützen und somit die weitere Sprachentwicklung erleichtern", erklärt Bartha-Doering. (red, 31.07.2019)