In Tal ist es trist. Die fiktive Ortschaft ist alles andere als ein Hort der Unterhaltung, vor allem nicht für die junge Protagonistin Julia und ihre Crew. Die besteht im Großteil aus Abgehängten, Perspektivlosen und Unmotivierten. Diese Realität versuchen sie so gut es geht zu verschleiern mit den wenigen Sachen, die ihnen bleiben; darunter Alkohol und Hip-Hop.

Angela Lehner, "2001". 24,70 Euro / 383 Seiten. Hanser Berlin,2021
Cover: Hanser

Doch der Tristesse des Tals entgeht man nicht, weder durch Rausch noch durch Lärm. Julia ist der Nukleus der Gruppe, das Element, das alle negativen Eigenschaften vereint. Niemand weiß, wo ihre Eltern sind, sie lebt alleine mit ihrem Bruder, der es rausschaffen will.

Das will Julia auch, sie weiß nur nicht wie. Mit Hip-Hop? Der ist in Österreich noch nicht angekommen, nimmt man die Ausnahme Texta heraus. Und selbst als das halbwegs zu funktionieren scheint, wirft Tal ihr den nächsten Stock in die Speichen.

Stücke von Freundschaft

Autorin Angela Lehner, die mit ihrem ersten Roman Vater unser ein fantastisches Debüt hingelegt hat, hält kein Blatt vor den Mund ihrer Charaktere. Sie lässt sie sprechen wie Menschen, die zu einem Zeitpunkt existieren, an dem es noch nicht so etwas wie Political Correctness gibt. Als ein neuer Schüler aus Jugoslawien in die Klasse kommt, soll ihr Freund Tarek ihm etwas in "ihrer Sprache" sagen: "Was in unserer Sprache? Ich bin Türke, du Homo!"

Die Crew, die unzertrennlich scheint, bekommt Risse. In diese Risse klettern Eifersucht, Rechtsextremismus und Depressionen und breiten sich aus, um das ganze Gebilde zu Fall zu bringen. Übrig bleiben Stücke von Freundschaft.

Ehrlicher ist nur noch die Welt, die Lehner hier beschreibt. Die österreichische Provinz, deren Vorliebe es scheinbar schon vor 20 Jahren war, diejenigen, die nicht können, auch nicht zu unterstützen. Tal, das, so grau es auch sein mag, im Winter Massen an Touristinnen und Touristen über die Bergstraßen spült.

"Schlimmer als die Piefke sind nur noch die Itaker", denkt sich Julia. Als ich diesen Satz in meiner Freundesgruppe vorgelesen habe, gab es den Einwand: "Die Piefke sind schlimmer." Früher war nicht alles gut. Heute ist nichts besser. (Thorben Pollerhof, ALBUM, 18.12.2021)