Claudia Plakolm will für junge Menschen gut erreichbar sein – online und offline.

Foto: Regine Hendrich

Etwas leer ist es in ihrem neuen Büro noch, sagt Claudia Plakolm beim Antrittsinterview an ihrem neuen Arbeitsplatz im Bundeskanzleramt. Neben ein paar Fotos an den goldenen Wänden fällt auch eine dunkelblaue Festivalposaune auf, die die Blasmusikerin von Freunden geschenkt bekommen habe. Für ihr neues Amt hat sich Plakolm einiges vorgenommen. Zunächst die psychischen Folgen für junge Menschen durch Corona.

STANDARD: JVP-Hintergrund, kein abgeschlossenes Studium, jung – da denken viele an Sebastian Kurz, all das trifft aber auch auf Sie zu. Können Sie also nachvollziehen, dass der Vergleich mit dem Altkanzler derzeit oft fällt?

Plakolm: Ich verstehe das absolut nicht, weil ich bin ein komplett anderer Mensch. Genauso wenig, wie man Jugendliche in einen Topf werfen kann, sollte man junge Politiker in einen Topf werfen. Es ist eine Ehre und Herausforderung für mich, dass wir erstmals in der Geschichte ein Staatssekretariat für Jugend schaffen. Ich möchte hier mit inhaltlicher Arbeit überzeugen.

STANDARD: Sind Sie nur Staatssekretärin geworden, weil Sie aus Oberösterreich sind und das Land im Zuge derNeuzusammenstellung des Regierungsteams mehr Einfluss wollte?

Plakolm: Ich bin Staatssekretärin geworden, weil es gerade jetzt wichtig ist, dass jemand in der Regierung eine Pacemakerin für Jugendthemen ist. Jeder fünfte Mensch in Österreich ist zwischen 14 und 30 Jahre alt. Ihnen bin ich verpflichtet.

STANDARD: Vor einigen Wochen haben Sie bei der Verabschiedung Ihres Vorgängers bei der JVP für Aufregung gesorgt. Sie sagten, bei Ihnen im Mühlviertel heiße es, dass man mit 30 Jahren ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und ein Kind in die Welt gesetzt haben sollte. Anlass war, dass Ihr Vorgänger Vater wurde.

Plakolm: Aufgefallen bin ich damit nur auf Twitter. Ich verstehe überhaupt nicht, dass da ein Skandal herbeigeredet wird. Gerade viele Jugendliche haben den Traum, später einmal eine Familie zu gründen. Das ist das Normalste der Welt, und so soll es auch sein. Unsere Aufgabe in der Politik ist es, die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

STANDARD: Sie sind vergangene Woche 27 geworden. Was wollen Sie denn mit 30 erreicht haben?

Plakolm: Mit Zielen und Bucket-Lists habe ich es nicht so. Mein Leben hat vor zehn Tagen noch ganz anders ausgesehen. Da habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich Weihnachten verbringe. Dann kam – für mich überraschend – der Anruf von Karl Nehammer.

Die blaue Festivalposaune hat Plakolm von Freunden geschenkt bekommen. Sie selbst spielt schon lange, als Jugendliche habe sie überlegt, zur Militärmusik zu gehen.

STANDARD: Corona macht Kindern und Jugendlichen sehr zu schaffen: Laut einer Untersuchung leidet fast die Hälfte derzeit an depressiven Symptomen, Suizidzahlen sind teilweise in die Höhe gegangen. Was ist zu tun?

Plakolm: 13 Millionen Euro stehen derzeit für psychologische Hilfe im Raum. Ich bin der Meinung, dass man dieses Geld nicht nur in professionelle Hilfe investieren sollte, sondern auch früher ansetzen sollte. Das Tabu, über psychische Gesundheit zu sprechen, muss gebrochen werden – und am einfachsten erreicht man junge Menschen in den Schulen. Ich würde mir wünschen, dass Schulpsychologen direkt in die Klassenzimmer integriert werden. Je niederschwelliger das Angebot, desto besser.

STANDARD: Den Familienbonus nennen Sie einen großen Erfolg. Zu einer Verringerung der Kinder- und Jugendarmut – laut Regierungsprogramm soll sie halbiert werden– führt er aber nicht. Wie kann den knapp 300.000 von Armut betroffenen jungen Menschen geholfen werden?

Plakolm: Der Familienbonus ist eine ganz wichtige Maßnahme, die ab dem ersten Steuer-Euro wirkt.

STANDARD: Aber davor eben nicht.

Plakolm: Im Zuge der Pandemie hat es auch außerordentliche Hilfspakete für Familien gegeben. Zu diesen Hilfen stehe ich, weil man nicht nur Arbeitsplätze sichern und die Gesundheit sicherstellen muss, sondern auch Familien unter die Arme greifen sollte.

STANDARD: Der Klimawandel beschäftigt viele Junge. In den letzten Monaten haben in Wien einige gegen den Bau der Stadtstraße demonstriert, die Stadt hat nun Anwaltsbriefe verschicken lassen – auch an Kinder. Was halten Sie davon, wenn jungem politischem Engagement so begegnet wird?

Plakolm: Am Tag nach meiner Angelobung habe ich auch Kontakt zu Fridays for Future und den Vertretern des Klimaschutzvolksbegehrens aufgenommen. Klimaschutz ist Thema Nummer eins. Ich möchte, dass es mit innovativen Ideen besetzt wird. Mir schwebt ein Modell "Klimaschutz made in Austria" vor, wo junge Menschen bestärkt werden, sich in Österreich unternehmerisch zu verwirklichen und ihre innovativen Ideen für den Klimaschutz umzusetzen.

STANDARD: Und der Klimaprotest?

Plakolm: Nicht jeder hat eine U-Bahn-Station vor der Türe. Auch bei mir im Mühlviertel gibt es mit dem Lückenschluss der S10 ein Verkehrsprojekt, hinter dem jetzt ein großes Fragezeichen steht. Ich fände es verwerflich, die Autobahn nicht zu bauen. Das wäre das Todesurteil für den ländlichen Raum. Auch Elektroautos brauchen Straßen.

STANDARD: Haben Sie jemals für oder gegen etwas demonstriert?

Plakolm: Ich war nie demonstrieren. Ich war immer die, die lieber am Verhandlungstisch gesessen ist und das Gespräch mit den Verantwortungsträgern gesucht hat.

STANDARD: Die Förderungen für Kinder- und Jugendorganisationen wurden seit 2001 nicht erhöht. Wollen Sie das angehen?

Plakolm: Ich werde Vertreter verschiedenster Organisationen an einen Tisch holen und über ihre Erfahrungen sprechen. Wir werden schauen, dass wir außerschulische Jugendarbeit – in welcher Form auch immer – stärken.

STANDARD: Sieben von zehn jungen Menschen fühlen sich vom politischen Diskurs nicht abgeholt. Wie offen wird Ihre Tür sein für Junge, die nicht in einer Organisation verankert sind?

Plakolm: Die sozialen Medien bieten viele Möglichkeiten, um junge Menschen direkt einzubinden. Ich bin über alle möglichen Kanäle ganz unkompliziert erreichbar. Den Großteil der Nachrichten schaue ich mir selbst an und antworte auch. Ich freue mich über den Input, der da immer wieder kommt. Wenn Corona es zulässt, wollen wir auch hier vor Ort unsere Türen öffnen. (Lara Hagen, 14.12.2021)