Für Damhirsche ist Sars-CoV-2 bislang kein Thema – anders als für ihre nordamerikanischen Verwandten, die Weißwedelhirsche.

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Dass Sars-CoV-2 längst nicht nur unter Menschen wütet, zeigte sich schon früh in der Pandemie. Die weite Verbreitung des Coronavirus unter Haus- und Nutztieren, die sich bei Menschen angesteckt haben, sorgte immer wieder für Aufsehen: etwa, als sich Dänemark Ende 2020 zur grausamen Keulung von rund 18 Millionen Nerzen in Pelztierfarmen entschloss. Hintergrund der vielkritisierten Aktion war die Sorge, es könnte zu einer Rückinfektion des Menschen kommen, bei der neue Mutationen entstehen könnten.

Auch Wildtiere sind nicht von Corona verschont geblieben. Wie mehrere Studien gezeigt haben, sind die vom Menschen stammenden Sars-CoV-2-Varianten etwa unter Weißwedelhirschen in Nordamerika erstaunlich weit verbreitet, in mehreren US-Bundesstaaten wies fast die Hälfte der wildlebenden Populationen Antikörper auf, die von einer vergangenen Infektion zeugen. Inzwischen gibt es auch erste Hinweise auf Rückübertragungen des Corona-Virus von Weißwedelhirschen auf Menschen, wie eine Studie aus Kanada erst vor wenigen Wochen zeigte. Forschende vermuten zwar, dass es sich um Einzelfälle handelt, raten jedoch zu Vorsicht.

Resistentere Rothirsche?

Weißwedelhirsche sind zwar nur auf dem amerikanischen Kontinent heimisch, die Familie der Hirsche ist aber weltweit verbreitet. Ein Forschungsteam ist nun der Frage nachgegangen, ob auch Wild in Österreich und Deutschland betroffen sein könnte. Im Fachblatt "Microorganisms" geben die Biologinnen und Biologen Entwarnung: Alle getesteten Rehe, Rothirsche und Damhirsche wiesen negative Ergebnisse auf.

Untersucht wurden Seren von 433 Rehen, Rot- und Damhirschen, die sowohl vor der Pandemie als auch während der Pandemie gesammelt worden waren. Keine der Hirscharten aus Deutschland oder Österreich war positiv. Das Team verglich auch Details des zellulären Sars-CoV-2-Rezeptors bei Hirschen und stellte fest, dass mit Ausnahme einer Veränderung, die möglicherweise Rothirsche etwas resistenter gegen eine Infektion macht, keine Veränderungen nachweisbar ist, die den drastischen Infektionsunterschied zwischen mitteleuropäischen und nordamerikanischen Hirschen erklären könnten.

Rettende Revierstrukturen

Eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz sieht das Forschungsteam in der unterschiedlichen Verteilung und Bewirtschaftung der Hirscharten in Nordamerika und Mitteleuropa. In Nordamerika seien Hirsche häufig in Stadtrandgebieten und Städten anzutreffen, wo sie regelmäßig mit Menschen und menschlichen Abfällen in Kontakt kommen würden, schreiben die Biologinnen und Biologen. Die Bewirtschaftung von Hirschen erfolge hauptsächlich durch Einrichtungen der US-Bundesregierung. In Deutschland und Österreich seien die verschiedenen Hirscharten dagegen viel seltener in städtischen oder stadtnahen Gebieten anzutreffen. Zudem sei hier das Reviersystem vorherrschend, bei dem die Tiere in einem bestimmten Gebiet lokal bewirtschaftet werden.

Diese Revierstrukturen könnten den Kontakt zwischen Mensch und Wild und auch die Ausbreitung von Krankheitserregern zwischen den Populationen der verschiedenen Hirscharten verringern. Alex D. Greenwood vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, der die Studie geleitet hat, mahnt jedoch zu Vorsicht: "Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um den Kontakt zwischen Mensch und Wildtier in Mitteleuropa zu verhindern, damit sich Hirsche nicht als Sars-CoV-2-Reservoir etablieren." (dare, 31.3.2022)