Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen. Ich sitze als kleiner Bub in meinem Kinderzimmer, an dem alten PC, den mein Bruder mir vermacht hat, und spiele das erste Lego Star Wars. Die drei ersten Filme, die ich damals noch abgöttisch geliebt habe (ja, ich weiß), immer und immer wieder durchspielen, mit welchen Charakteren ich auch will, so schnell ich will, bauen, schießen, kämpfen, sammeln. Hach, Lego Star Wars I war toll.

Auch das Duel of the Fates ist komplett neu umgesetzt worden.
Screenshot: Warner

Mit der Zeit bin ich älter geworden, und die Lego-Spiele haben sich eher marginal weiterentwickelt. Vor ein paar Monaten ist mir mal Lego Harry Potter zugeflattert, aber da gefiel mir die Zaubermechanik nicht. Ein Lichtschwert ist eben prädestiniert dafür, dass man mit Button Mashing Droidenhorden wegsäbelt.

Nun, sage und schreibe 17 Jahre später (ja, das erste Lego Star Wars kam 2005), sind alle drei Trilogien abgeschlossen, und Entwickler TT Games hat es sich nicht nehmen lassen, mit Lego Star Wars: Die Skywalker Saga die neun Hauptfilme auch im Lego-Universum erneut zu verwursten. Also alles beim Alten, nur in halbwegs neuem Gewand? Von wegen.

Fadenkreuz, Kombos und Blocken

Ich muss zugeben, im ersten Moment war es etwas irritierend. Lego Star Wars ist nicht mehr so simpel, wie es einst war. Um mit dem Blaster zu schießen, gibt es in der Third-Person-Ansicht nun ein Fadenkreuz, spielt man einen Jedi, kann man sogar blocken und Kombos aneinanderreihen! Eigentlich wollte ich doch das alte Spiel mit noch mehr Charakteren und Schauplätzen haben, was soll das denn jetzt?

Die Kamera ist nun etwas näher an der Spielfigur dran.
Screenshot: Warner

An der grundlegenden Spielweise ändert sich aber nichts. Immer noch spielt man die Handlung der neun Filme nach, mal als Mission, mal als Zwischensequenz. Dabei hat TT Games sogar die Missionen der alten Spiele komplett über den Haufen geworfen. Ich habe damals die Podracing-Mission im ersten Film geliebt – die ist heute anders, aber immer noch gut.

In einem ersten Anlauf gilt es, die Missionen mit den dafür vorgesehen Charakteren zu absolvieren. Immer wieder merkt man aber, dass es Abzweigungen gibt, die nur mit speziellen Droiden oder Bösewichten genommen werden können. Diese kann man dann in Angriff nehmen, sobald man den Freeplay-Modus für die Mission freigeschaltet hat. Ihr wolltet schon immer mit Darth Maul über Coruscant laufen und einem Taxifahrer helfen, sein gestohlenes Fahrzeug wiederzuholen? Gemma.

Tatooine, besser gesagt Mos Eisely, ist eine der vielen Open Worlds.
Screenshot: Warner

Kein Diner mehr

Hat man die ersten Missionen hinter sich, hat man sich nicht nur an das neue Kampfsystem gewöhnt, sondern ist auch froh, dass es da ist. Im Nachhinein war das stupide Draufhauen dann doch etwas eintönig – die neuen Features bringen Spieltiefe rein, die dem Universum guttut.

Was ich persönlich schade finde: Die Hub World aus dem ersten Spiel ist verschwunden. Damals konnte man noch in Dex's Diner rumlaufen, die Missionen anwählen und in jeden Charakter springen, der einem über den Weg lief.

Nun gibt es mehrere Open Worlds, von denen aus Missionen angewählt werden können. Innerhalb dieser Welten, die im Prinzip die Planeten sind, zwischen denen man hin- und herfliegt, gibt es dann auch diverse Nebenaufgaben zu erfüllen, die vor Kreativität jetzt aber nicht unbedingt strotzen. Finde den, sammle das, zerstöre oder baue jenes. Netter Zeitvertreib, mehr nicht. Ab und zu findet man aber auch Nebenaufgaben, die wirklich Laune machen. Außerdem lassen sich so neue Charaktere finden und freischalten.

Vor allem bei den Flugeinlagen gibt es eine gute Portion Action.
Screenshot: Warner

Ich kann das, du kannst das

Und Ähnliches gilt hie und da auch für die Hauptmissionen. Einen guten Teil verbringt man damit, von A nach B zu laufen. Dort schaut man sich dann eine Cutscene an – und läuft weiter. Das wirkt nicht sehr durchdacht und hätte definitiv gestrafft werden können. Wenn man dann aber an eine Hauptmission kommt, die etwas länger dauert, wie zum Beispiel der Angriff mit dem jungen Anakin auf das Kontrollschiff der Handelsföderation oder die diversen Bosskämpfe, dann macht das richtig Laune. Die Steine fliegen nur so rechts und links an einem vorbei, die Steuerung ist solide, und die bekannten Soundeffekte tun ihr Übriges.

Die Varianz in den Charakteren ist eine schöne Idee, erschlägt auf den ersten Moment aber. Neun "Klassen" gibt es insgesamt, von Jedi über Protokolldroide bis hin zum Scavenger. Diese haben nicht nur verschiedene Fähigkeiten, sondern können mit eingesammelten Klötzchen auch in diesen Fähigkeiten aufgewertet werden. Man ist also motiviert, mehr kleine Steinchen zu sammeln, wenn man damit den Schaden seines Lichtschwertwurfs verbessern kann.

Die Schauplätze sind wieder mit viel Liebe und Klötzchen zum Detail gestaltet.
Screenshot: Warner

Neu ist auch: Die Dialoge sind vertont. Allerdings nicht mit den Originalstimmen, sondern solchen, die meist ziemlich nah ans Original rankommen. Es gibt aber immer wieder Episoden, in denen diese Dialoge unfassbar schlecht vertont sind. Und zwar so schlecht, dass es einen aus der Atmosphäre rausreißt, weil man denkt, Obi-Wan spricht gerade durch ein Dosentelefon zu einem. Zum Glück gibt es aber wieder den Mumble-Modus, mit dem die Lego-Figürchen wieder nur unverständlichen Quatsch brabbeln. Herrlich.

Albern, aber an den richtigen Stellen

Der Soundtrack ist über jeden Zweifel erhaben, manchmal scheinen die Entwickler ihn aber schlicht vergessen zu haben. Das passiert nicht oft, aber hie und da steht man in der Welt und fragt sich: "Moment, sollte hier nicht wenigstens ein bisschen Musik sein?"

Hinzu kommt der Witz in den Zwischensequenzen. So einen Film zu parodieren, und meiner Meinung nach ist es nichts anderes, ist immer schwierig. Aber Lego Star Wars macht das mit viel Fingerspitzengefühl, einer großzügigen Prise albernem Humor und dem Wissen, wann man den Originalfilm lieber für sich sprechen lässt. Außerdem ist in fast jeder Cutscene im Hintergrund das ein oder andere Easter Egg versteckt. Als Fan der Filme ein absoluter Genuss. Wer noch nie einen Streifen davon gesehen hat, der könnte etwas verwirrt sein.

Die Optik ist hübsch. Das darf man nicht überbewerten, es sind immerhin nur Klötzchen, die da gezeigt werden, aber die werden schön in Szene gesetzt. Hinzu kommen nette Details. Zum Beispiel tauchen Teile beim Zusammenbauen nicht aus dem Nichts auf, sondern liegen bereits parat – und man kann ihnen dabei zusehen, wie sie an die richtige Stelle fliegen.

GameSpot Trailers

Wie auch bei den anderen Lego-Spielen, gibt es auch hier wieder einen Coop-Modus. Das Problem: Da die Kamera nun etwas näher an den Figuren dran ist, funktioniert dieser nur über einen vertikalen Splitscreen. Das schränkt die Sicht massiv ein. Schade, denn der "Zwei Spieler in einem Screen"-Modus hat in älteren Spielen mehr Spaß gemacht.

Tolles Spiel – wenn der Crunch nicht wäre

Alles in allem ist TT Games der Umschwung auf die neue Formel gut gelungen. Wenn man sich, wie ich, einmal damit abgefunden hat, dass alles etwas komplizierter ist als vorher, verfällt man mit der Zeit in eine gewisse Trance – "eine Mission geht noch". Und wenn man die Nebenmissionen ignoriert, kommt man auch zeitlich ganz gut durch. Wer nun Angst hat, dass man das Spiel nicht mehr so gut mit Kindern spielen kann, dem sei gesagt, dass es etliche Möglichkeiten gibt, beispielsweise die Shooter-Passagen zu vereinfachen. Sei es mit Auto-Aim oder regenerierender Lebensanzeige. Für den Couch Coop gibt es wohl derzeit wenige Spiele, die mehr Spaß machen. Vor allem nicht für Fans der Filme.

Dazu muss gesagt sein, dass es bei der Entwicklung rund um die Skywalker-Saga laut einem Bericht des Magazins Polygon zu massiven Crunch-Zeiten gekommen sei. 80- bis 100-Stunden-Wochen seien die Regel gewesen, hinzu kommen ungleiche Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und etliche Vorwürfe des Mobbings. Insgesamt fünf Jahre hat die Entwicklung de Skywalker-Saga gedauert. Man muss sich darüber im Klaren sein, was dieses gute Produkt im Hintergrund gekostet hat. (Thorben Pollerhof, 5.4.2022)