Camille Henrots "Wet Job" von 2019: "Mother Tongue", die vielschichtige Ausstellung mit Werken der französischen Künstlerin, nimmt sich auch der Themen Ängste, Zweifel und Fürsorge an.

Foto: Andrew Phelps

Kind und Karriere? Ja, schon. Aber lieber nicht im Kunstbetrieb. Da wird jungen Künstlerinnen und auch schon Kunststudentinnen bis heute gern vom Kinderkriegen abgeraten und beim Thema Mutterschaft das Schreckgespenst Karrierekiller an die Wand gemalt. Wenig überraschend führt die Mutterschaft auch als Motiv in der Kunst ein eher randständiges Dasein, von idealisierten und romantisierten Mütter-Darstellungen einmal abgesehen.

Die französische Künstlerin Camille Henrot hält im Salzburger Kunstverein dagegen, die fragwürdigen Logiken der Kunstwelt schwingen dabei mit, aber auch noch einiges mehr.

Wo Vogel-Mensch-Mischwesen mit schweren Brüsten Kinder säugen. Wo riesige, wie hingesprayt wirkende Embryos durch graue Großformate segeln und an der Milchpumpe ein "Wet Job" erledigt wird – dort geht es auch um Tabus, um Ängste, Zweifel, Ekel, Sexualität, Gewalt, Fürsorge. Und es geht um gesellschaftliche Machtverhältnisse und Zuschreibungen, Raben- und Übermütter inklusive.

"Mutterschaft ist natürlich auch eine sehr politische Kategorie, auch wenn sie innerhalb der patriarchalen Gesellschaft ins Anekdotische verwiesen worden ist", wird die Künstlerin denn auch im Begleittext zur Schau zitiert. Damit ist es aber schon genug der konkreten Hinweise. Die Bezüge und Verweise auf Psychologisches, Wissenschaftliches, Gesellschaftspolitisches und Widerständiges flottieren ebenso frei im Raum wie die Föten auf der Leinwand.

Filmische Annäherungen

Henrot, 1978 in Paris geboren, arbeitet in unterschiedlichen künstlerischen Genres. Internationale Bekanntheit erlangte die Französin vor einigen Jahren mit ihrer großartigen filmischen Annäherung an die Geschichte des Universums, für Grosse Fatigue wurde die Künstlerin 2017 mit dem Silbernen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet.

Eine Auswahl ihrer Filmarbeiten hat Henrot Ende Juli auch beim Sunset Kino des Salzburger Kunstvereins präsentiert, in der Ausstellung selbst regieren Zeichnung, Malerei und Skulptur, arrangiert zu einer raumgreifenden Gesamtinstallation, die sich als mit knappen Notizen gespicktes Dickicht aus Bezügen und Verweisen entpuppt.

In ihren Bronzeplastiken lassen sich allerlei kunsthistorische Referenzen zu Mutterfiguren entdecken. Messer und Scheren bohren sich währenddessen nicht nur durch gesundes Obst und Gemüse, sondern auch durch vermeintliche Gewissheiten. Und kleinformatige Aquarelle kommen – fast so, als wären es Instagram-Posts – wie das reichlich ambivalente Tagebuch einer Lockdown-Mutterschaft daher.

Mother Tongue lautet der Titel dieser vielschichtigen Salzburger Ausstellung, die das Thema Mutterschaft damit auch in sprachlicher Hinsicht auf seine vielen Beigeschmäcker hin detailliert und originell abklopft. (Ivona Jelčić, 10.8.2022)