Wien/Bregenz/Linz – Die SPÖ Burgenland hat am Dienstag vor einer weiteren Zuspitzung der Flüchtlingssituation an der österreichisch-ungarischen Grenze gewarnt. Die Lage sei "dramatisch", Innenminister Karner (ÖVP) sei aber "tatenlos", kritisierte Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ) bei einer Pressekonferenz mit den roten Ortschefs und Bürgermeisterkandidaten aus den Grenzgemeinden im Bezirk Oberpullendorf. Das Land fühle sich von der Bundesregierung alleingelassen.

Während sich die Situation "von Tag zu Tag" verschlimmere, gebe es weiterhin "keine zielführenden Maßnahmen" des Bundes, meinte Dorner. Die Ortschefs von Nikitsch und Lutzmannsburg, Christian Balogh und Roman Kainrath, betonten, dass es um die Sicherheit an der Grenze und in den mittelburgenländischen Ortschaften gehe. Innen- und Verteidigungsministerium würden diesbezüglich aber kaum etwas unternehmen.

Die Grünen betonten in einer Aussendung, dass vonseiten des Bundes sehr wohl etwas gemacht werde. Es sei eine Besichtigung an der Grenze mit Georg Bürstmayr, Sicherheits- und Asylsprecher der Grünen im Nationalrat, geplant. Im Zuge dessen sollen in Deutschkreutz Gespräche mit Landespolizeidirektion und Bundesheer geführt werden. Im SOS-Kinderdorf in Pinkafeld soll es um die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gehen. Anders als zunächst angekündigt, wird der Termin krankheitsbedingt aber nicht schon am Mittwoch stattfinden. Er wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, hieß es von den Grünen.

Innenminister trifft griechischen Amtskollegen

Die Flüchtlingsfrage ist seit Tagen ein brisantes Thema für Bund und Länder. Von vielen Seiten wird Karner für die Aufstellung von Zelten kritisiert. Er empfängt am Dienstag Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarakis in Wien.

Die Zelte werden auf Grundstücken des Innenministeriums, etwa bei Landespolizeidirektionen, aufgestellt, um zu verhindern, dass sich Asylwerber zum Beispiel vor Schulen aufhalten, erklärte Karner am Dienstag nach einem Arbeitsgespräch mit Mitarakis. Jene, die kaum eine Chance auf Asyl hätten, wie Asylwerber aus Indien, Marokko und Tunesien, würden dort untergebracht. Es könne "gut sein", dass es auch in anderen Bundesländern Zelte geben wird, meinte Karner nach dem Plan für Tirol und Vorarlberg gefragt.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) berät sich am Dienstag mit Migrationsminister Notis Mitarakis aus Griechenland.
Foto: APA/ Hans Klaus Techt

Vorfall bei Evros

Im Zentrum der Gespräche wird die weitere Zusammenarbeit der beiden Länder bei den Themen Flucht und Migration stehen. Auch das Agieren der Türkei wird in diesem Zusammenhang erörtert, hat doch Frontex am Montag einen Vorfall von Freitag bestätigt, bei dem 92 Migranten nackt über den Grenzfluss Evros von der Türkei nach Griechenland getrieben worden sein sollen.

Mitarakis kündigte umgehend an, den Vorfall nächste Woche bei einem Besuch in New York bei den Vereinten Nationen zur Sprache zu bringen. Außerdem wird Mitarakis am Dienstag an einer Veranstaltung im österreichischen Bundeskanzleramt teilnehmen, im Anschluss daran ist ein Abendessen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geplant.

Taskforce Migration

In Tirol hatten die Verantwortlichen bereits am Montag weitere Unterkünfte in Aussicht gestellt. Man erwäge auch die Anmietung von Containern sowie den Aufbau von Holzbauten. Das Land sei bereits vergangene Woche proaktiv an den Bund herangetreten, um Alternativen zu Zeltaufbauten aufzuzeigen, wurde betont.

Am Dienstag wurde gegenüber der APA erneut auf eine weitere Tagung der Taskforce Migration noch im Laufe dieser Woche verwiesen. Sobald es konkrete Unterbringungsplätze und -möglichkeiten gibt, würden diese kommuniziert. Scharfe Kritik an Karners Aussagen kam indes von Tirols FPÖ-Obmann Markus Abwerzger. "Der ÖVP-Zeltwahnsinn hat bei uns ebenso keinen Platz wie die Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlinge. Es braucht jetzt einen Schulterschluss aller Tiroler Parteien gegen den Wiener Irrsinn", so Abwerzger in einer Aussendung.

Vorarlberg will noch diese Woche 70 zusätzliche Plätze bieten

Das Land Vorarlberg will noch in dieser Woche 70 zusätzliche Plätze für Flüchtlinge bereitstellen. Das hat Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bei einem Pressetermin angekündigt. Wallner sprach von einem ersten Schritt, dem weitere folgen würden. "Die Zelte brauchen wir nicht", betonte der Landeshauptmann in Richtung des Bundes. Die an die Länder gerichtete Kritik der Nachlässigkeit wies Wallner scharf zurück: "Wir können nur so viele unterbringen, wie es möglich ist."

Die zusätzlichen 70 Plätze werden durch intensive Anstrengungen seitens der Caritas in Form von Belegungsoptimierungen und Zusammenlegungen verfügbar. Würde der Bund in Vorarlberg zehn Zelte aufstellen, so würde etwa Platz für 70 bis 80 Personen geschaffen, stellte Wallner fest. Die Quartiersuche werde intensiv vorangetrieben, in einem zweiten Schritt sollen 100 Plätze folgen. Auch werde eine Container-Lösung geprüft, so Wallner.

Quote derzeit zu weniger als 80 Prozent erfüllt

Dabei handelt es sich um Container, die zu Corona-Zeiten angeschafft wurden und in denen Sanitäreinrichtungen vorhanden sind. In den Containern, die dennoch umgebaut werden müssten, könnten etwa 80 Personen unterkommen. Die Quote, die Vorarlberg sich zu erfüllen verpflichtet hat, erfüllt das Land aktuell zu weniger als 80 Prozent.

Nichtsdestotrotz sei Vorarlberg ein vertragstreuer Partner, betonte der Landeshauptmann. Die Kritik an den Ländern ärgere ihn, Asylpolitik sei keine Einbahnstraße. Er wies vielmehr auf Versäumnisse von anderer Seite hin: "Wo bleibt der effektive Schutz der EU-Außengrenze?", fragte er etwa und führte auch lange Asylverfahren, fehlende Rückkehrabkommen oder zu wenig wirkungsvolle Maßnahmen gegen das Schlepperwesen an. Diese Aufgaben zu erfüllen sei mindestens so wichtig wie die Unterbringung der Flüchtlinge. Einen unkontrollierten Zustrom ins Land wie 2015 dürfe es nicht noch einmal geben.

Oberösterreichs SP kritisiert geplante Gesetzesnovelle für Großquartiere

Eine Gesetzesnovelle in Oberösterreich soll offenbar die Einrichtung von Großquartieren für Flüchtlinge durch das Land erleichtern. Die SPÖ übte daran am Dienstag massive Kritik, die Sozialdemokraten sehen ein "Drüberfahren" über die Städte und Gemeinden und fordern den zuständigen Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) auf, den Gesetzesvorschlag zurückzuziehen.

Es geht um das in der Flüchtlingswelle 2015 beschlossene oberösterreichische Unterbringungs-Sicherstellungsgesetz, das mit Jahresende ausläuft und nun verlängert werden soll. Wie Klubobmann und Parteivorsitzender Michael Lindner berichtete, sei in der Novelle, die am Donnerstag im Landtagsausschuss beschlossen werden soll, die bisher enthaltene Obergrenze von 100 Personen pro Quartier gestrichen worden. Die SPÖ werde daher nicht zustimmen, betonte er.

Großquartiere sind "falscher Weg"

Die Erfahrungen aus dem Jahr 2015 hätten gezeigt, dass Großquartiere der falscher Weg seien. "Es muss einfach Ziel sein, dass man Großquartiere vermeidet, das ist wichtig für die Akzeptanz vor Ort." Man brauche Abstimmung mit Gemeinden und Städten "und kein Drüberfahren mit einer Verordnung", so Lindner. Es sei "ein Knochenjob", die Quartiere aufzustellen, räumte er ein, aber Hattmannsdorfer müsse diesen angehen, weil "wir sind bei der Erfüllung der Quote nicht dort, wo wir hingehören".

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) zeigte sich in der Pressekonferenz enttäuscht, dass das Land den "Weg des Miteinanders" mit Gemeinden und Städten offenbar verlassen wolle. Linz werde weiterhin ein Partner sein, wenn es darum gehe, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, aber "explizit nicht in Zeltstädten und Großquartieren". Er will vor allem jene Bezirke, "die sich derzeit mit Quoten von 40 bis 50 Prozent auszeichnen", in die Pflicht nehmen. Luger und Lindner forderten die Einberufung einer Bürgermeisterkonferenz, denn sie hätten "lieber 400 kleine Unterkünfte anstatt schwarz-blaue Großquartiere mit hunderten Menschen an einem Ort". So lasse sich auch Integration leichter gewährleisten. (ste, APA, red, 18.10.2022)