Wer keine Flüchtlingszelte wie hier in Thalham will, muss andere Unterkünfte anbieten. In Vorarlberg ist diese Message angekommen.

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Die Flüchtlingszelte im oberösterreichischen Thalham, die am Freitag aufgestellt wurden, dürften aus Sicht des Bundes ihren Zweck erfüllt und bundesweit für Abschreckung gesorgt haben. Zwar wurden seit dem Wochenende keine weiteren Zelte mehr aufgebaut. Doch die Asyl-Betreuungsagentur (BBU) behält sich weitere Errichtungen vor, und zwar vor allem in den westlichen Bundesländern, die die Unterbringungsquote untererfüllen.

Im Ländle dürfte die Ankündigung nur kurze Zeit später gefruchtet haben: Am Dienstag verkündete Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), dass es neue Plätze für 70 Menschen geben soll. Wo diese Plätze sind, wollte das Land Vorarlberg auf STANDARD-Nachfrage nicht beantworten. Etwas kryptisch formulierte es Wallner: Von Belegungsoptimierungen" und "Zusammenlegungen" bei der Caritas war die Rede. Derzeit würden aber auch Container geprüft, die zu Corona-Zeiten angeschafft worden seien und noch umgebaut werden müssten. Fix scheint: Zelte will Vorarlberg um jeden Preis vermeiden.

Auf dieses Credo setzte Vorarlberg auch schon im Jahr der großen Fluchtbewegung 2015. Damals war das Land noch Musterschüler bei der Quotenerfüllung, doch seitdem hat sich die Situation in den Gemeinden verändert. Mit den Bürgermeistern sei man seit 2021 auf "intensiver Suche" nach geeigneten Wohnmöglichkeiten. Viele Unterkünfte, wie etwa Hallen, die damals genutzt wurden, seien allerdings heute belegt, heißt es vom Land.

Unleistbarer Wohnraum

Dass Vorarlberg eines der Schlusslichter bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist, hat laut Caritas einen weiteren Grund: Rund 700 bleibeberechtigte Personen wohnen aktuell in Grundversorgungsquartieren, weil sie keine leistbare Wohnung finden. "Diese Plätze fehlen für asylwerbende Menschen, die aus der Bundesbetreuung übernommen werden sollten", sagt Vorarlbergs Caritas-Direktor Walter Schmolly. Um die Quote zu erfüllen, müsste Vorarlberg immer noch über 1.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Doch warum erfolgen Quartierangebote aus den Bundesländern so schleppend? Was macht die Eröffnung neuer Wohneinrichtungen derart schwierig? Das Problem sei großteils finanzieller Natur, sagt Ekber Gercek, Bereichsleiter für Asyl- und Grundversorgungsfragen bei der Volkshilfe Oberösterreich.

"Geeignete Objekte gibt es durchaus, auch mit Anrainern und der lokalen Politik kann man sich meist verständigen. Aber die Häuser müssen adaptiert werden, Bäder und Küchen eingebaut, die Heizung überholt werden", schildert Gercek. Die dafür nötige Barschaft habe der Betreiber selbst aufzubringen, denn das Geld für die Asylwerberbetreuung ist an die zu versorgenden Personen gebunden. Es fließt in Form von Tagsätzen.

Länderquartiere geschlossen

Mit diesen jedoch kommt man in Zeiten hoher Inflation wie jetzt nicht weit – noch dazu, wo in Oberösterreich nach wie vor nur der alte Tagsatz von 21 Euro pro Tag und Mensch ausbezahlt wird. Grund dafür: Die im März beschlossene Erhöhung auf 25 Euro harrt noch der Absegnung durch den Landtag, so wie in allen Bundesländern außer Wien und Tirol. In Oberösterreich soll der Beschluss im November fallen.

Zum akuten Quartiermangel, so Gercek, habe zudem beigetragen, dass in den Jahren 2016 und 2017, als die Asylantragszahlen nach der Fluchtbewegung zurückgegangen waren, mehr als die Hälfte der oberösterreichischen Länderquartiere mangels Finanzierung geschlossen werden mussten; in anderen Bundesländern lief das ähnlich. "Also müssen wir jetzt vielfach wieder bei null anfangen", sagt der Experte.

Leerstandsgarantie gefordert

Zur Abhilfe schlägt Gercek eine Leerstandsgarantie vor. Diese jedoch müsste von Bund und Ländern im Rahmen der Grundversorgungsvereinbarung beschlossen werden. Sie würde ermöglichen, eine bestimmte Zahl von Quartieren belegungsbereit zu halten, sodass Wohnplätze im Fall des Bedarfs rasch zur Verfügung stehen. Das fordert auch Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Im Innenministerium brauche es endlich Pläne, "was konkret passiert, wenn 10.000, 20.000 oder gar 30.000 Menschen nach Österreich kommen", sagt er.

Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nahm am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz, die er in Wien gemeinsam mit dem zu einem Arbeitsbesuch angereisten griechischen Migrationsminister Nitas Mitarakis gab, zu den aufgestellten Zelten Stellung. Diese Maßnahme sei "zum Schutz der Bevölkerung" ergriffen worden, um zu verhindern, dass "vor allem junge Männer auf Hauptplätzen, vor Schulen und Kindergärten herumsitzen".

Karner für Grenzschutz

Karner sprach von einem "robusten Außengrenzschutz", den es brauche. In Österreich seien mehr als 90.000 Menschen in der Grundversorgung, davon 57.000 aus der Ukraine. Das bedeute, dass das System an der Grenze der Belastbarkeit "und teilweise über der Grenze zur Belastbarkeit" stehe.

Auf den Hintergrund der Überbelastung der Bundeseinrichtungen – die Länder schufen nicht die vereinbarte Zahl an Unterkünften für Asylwerbende – ging Karner nicht ein. Die Aufstellung von Zelten in weiteren Bundesländern hielt er für nicht unwahrscheinlich. (Irene Brickner, Elisa Tomaselli, Martin Tschiderer, 18.10.2022)