Der Tod Mahsa Aminis ist über vierzig Tage her, die Proteste im Iran halten an.

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Teheran – Bei den Protesten im Iran haben Sicherheitskräfte nach Angaben von Amnesty International in den vergangenen 24 Stunden mindestens acht Menschen getötet. Die Sicherheitskräfte hätten "erneut das Feuer auf Trauernde und Demonstranten eröffnet", erklärte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag. Amnesty verurteilte den "rücksichtslosen und rechtswidrigen Einsatz von Schusswaffen".

Am Mittwochabend hatten sich zum Ende der Trauerzeit für die gestorbene Kurdin Mahsa Amini tausende Menschen versammelt.

Schüsse und Tränengas

Laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw schossen die Sicherheitskräfte dabei in Aminis Heimatstadt Saghes auf Menschen und setzten Tränengas ein. Berichten der iranischen Nachrichtenagentur ISNA zufolge waren "fast 10.000 Menschen" zu Aminis Grab auf dem Friedhof in Saghes gezogen.

In der iranischen Hauptstadt Teheran sind in der Nacht auf Freitag zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen. Vielerorts solidarisierten sich Bewohner auch von den Balkonen mit den Demonstrantinnen und Demonstranten, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte sollen daher Berichten zufolge auch auf Wohnungen geschossen haben.

Auf dem Twitter-Account 1500tasvir wurde ein Video gepostet, dass Proteste in der Provinzhauptstadt Sahedan zeigen soll und auf der Menschen "Tod Chamenei" skandieren. Auch Mitgliedern der Basidsch-Miliz, die hart gegen Demonstranten vorgeht, wird der Tod gewünscht.

Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen sorgt sich um inhaftierte Teilnehmer regierungsfeindlicher Kundgebungen. Zudem kritisierte die Organisation, iranische Behörden würden die Leichen getöteter Demonstranten nicht deren Angehörigen übergeben. Es gebe Hinweise auf viele Misshandlungen, sagte die Sprecherin der UN-Behörde, Ravina Shamdasani, in Genf. Familien der Demonstranten würden schikaniert, sagte sie unter Verweis auf mehrere Quellen. "Besonders besorgniserregend sind Informationen, nach denen die Behörden verletzte Demonstranten aus Krankenhäusern in Haftanstalten verlegen." Inhaftierten Demonstranten sei in einigen Fällen eine medizinische Behandlung verweigert worden.

Molotow-Cocktails auf Polizeistation

Neben Protest-Slogans riefen einige Leute auch nach einem Referendum. Viele Menschen fordern jedoch weiterhin den Sturz des Systems. Es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass Irans Führung Zugeständnisse macht und gesellschaftliche Lockerungen beschließt.

Ein Video auf Twitter, das von Mittwochnacht stammen soll, zeigt mehrere Männer, die den Eingangsbereich einer Station der Hilfspolizei Basij in der Piroozi Street mit Molotow-Cocktails in Brand setzen und unerkannt flüchten. Die Basiji unterstehen den Revolutionsgarden und sind seit Ausbruch der Proteste in deren Niederschlagung besonders aktiv und somit häufig auch Angriffen ausgesetzt.

Amini ist am 16. September in Teheran gestorben, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen des Vorwurfs festgenommen worden war, ihr Kopftuch nicht nach Vorschrift getragen zu haben. Aktivisten beschuldigen die Behörden, Amini misshandelt zu haben. Ihr Tod löste eine bis heute andauernde Protestwelle aus. (APA, red, 28.10.2022)