Ein leidender Cristiano Ronaldo.

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Abgang mit Tränen.

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Doha – Cristiano Ronaldo hatte keine Chance. Wie ein ganz normaler Mensch weinte Portugals gedemütigter Nationalheld, der irgendwann einmal die Tormaschine CR7 war, bitterliche Tränen. Auf seiner Flucht in die Katakomben des Al-Thumama-Stadions wurde der gefallene Superstar von den über Wochen angestauten Emotionen übermannt. Zu schmerzvoll war der Gedanke, wohl niemals den goldenen WM-Pokal in Händen halten zu dürfen. Folgt nun gar der Rücktritt?

Ronaldo, bei seinem Abschied von der Weltbühne zum Nebendarsteller degradiert, brachte direkt nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen Außenseiter Marokko (0:1) kein Wort heraus und stieg schweigend in den Teambus. Stattdessen attackierte seine Freundin Georgina Rodriguez Trainer Fernando Santos scharf. Dass der Coach ihren Liebling bis zur 51. Minute auf der Bank hatte schmoren lassen – für sie ein Skandal.

Rückendeckung von Freundin

"Heute hat dein Freund und Trainer eine schlechte Entscheidung getroffen. Dieser Freund, für den du so viele Worte der Wertschätzung und des Respekts hast", schrieb Rodriguez in einer Instagram-Story. Man dürfe, so Ronaldos Lebenspartnerin, "den besten Spieler der Welt nicht unterschätzen, die mächtigste Waffe, die man hat. So wie man nicht das Gesicht hinhalten sollte für einen, der es nicht verdient".

Wie im Achtelfinale gegen die Schweiz (6:1), als sich Dreierpacker Goncalo Ramos zum Nachfolger aufschwang, hatte Santos seinen Kapitän nicht für die Startelf nominiert. Der Coach fühlte nach Abpfiff mit seinem Star. "Wenn wir zwei Leute rauspicken, die sich am meisten ärgern, sind das Cristiano und ich", sagte Santos. Doch er bereue nicht, Ronaldo nur von der Bank gebracht zu haben.

"Cristiano ist ein großartiger Spieler und kam ins Spiel, als wir es für notwendig erachtet haben", betonte der Trainer und ergänzte, er denke nicht, dass die Diskussionen um Ronaldo "einen Einfluss auf das Spiel hatten. Wir waren und sind ein Team." Als Ronaldo schließlich eingewechselt wurde, war von ihm bis auf ein paar Pässe und einen Schuss, den Marokkos überragender Torwart Bono parierte, nichts zu sehen.

Jetzt steht Ronaldo am Scheideweg, die vergangenen Wochen haben seinem Ansehen enorm geschadet. Erst die unrühmliche Trennung von Manchester United, dann die Gerüchte über Zoff im Nationalteam und schließlich jene über Ronaldos Drohung, wegen seiner Jokerrolle aus dem WM-Lager abreisen zu wollen.

196 Länderspiele und 118 Tore

Quo vadis, Ronaldo? Auf Vereinsebene womöglich für ein fürstliches Salär nach Saudi-Arabien. Doch wie sieht es im Nationalteam aus? Nach 196 Länderspielen mit 118 Toren scheint der Abschied unumgänglich. Doch dankt einer wie er freiwillig ab?

Bei der EM 2024 wäre Ronaldo stolze 39 Jahre alt, Portugals Fans wenden sich von ihm ab. Die Tageszeitung Diario de Noticias forderte: "Jetzt ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen – vom Verbleib von Santos bis zum Fall Ronaldo."

Santos, dessen Vertrag bis 2024 läuft, erklärte, das Wort "Rücktritt" gehöre nicht zu seinem Vokabular. Gilt das auch für CR7? (sid, 11.12.2022)