Der Konkurrenzdruck in der Branche ist hoch. Oft geht es um den billigsten Preis und die schnellste Lieferung. Was als Anreiz für Konsumenten dienen soll, geht aber schnell nach hinten los.

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Immer schneller, immer günstiger. Unter Essenszustellern herrscht ein rauer Umgang, jeder möchte den anderen übertreffen – oder unterbieten, um genau zu sein. So auch der Onlinesupermarkt Flink, der vergangenes Jahr mit dem Versprechen Aufsehen erregte, seine Lieferungen innerhalb von zehn Minuten abwickeln zu wollen. Nun ist das junge Start-up bereits wieder Geschichte, vergangene Woche wurde das Insolvenzverfahren am Handelsgericht Wien eingeleitet.

Doch Flink ist nicht der erste Zusteller, den dieses Schicksal ereilt. Auch andere Jungunternehmen, etwa Zuper oder Jokr, sind genauso schnell wieder verschwunden, wie sie aus dem Boden geschossen sind. Haben es die Unternehmen in Österreich also besonders schwer?

Fehlendes Geschäftsmodell

Ein genauerer Blick auf die jüngste Pleite in der Branche lässt die Probleme im Ansatz erkennen. 22,4 Millionen Euro an Fremdkapital hat das Unternehmen innerhalb eines Jahres angehäuft, und auch die Fahrradbotentochter, die sich zu 100 Prozent im Besitz des Onlinesupermarktes befindet, steht mit 4,9 Millionen Euro in der Kreide.

Keine Seltenheit, wie auch Cordula Cerha von der Wirtschaftsuniversität Wien bestätigt: "In Niedrigzinszeiten war das durchaus attraktiv." Nun aber würden Unternehmen zunehmend mit hohen Zinsen konfrontiert; zudem mache sich die Zinssteigerung auch bei Investoren bemerkbar. Die Kapitalaufbringung wird für junge Unternehmen damit deutlich schwieriger.

Grundsätzlich aber müsse man bedenken, dass den Unternehmen generell ein betriebswirtschaftlich tragbares Geschäftsmodell fehlt. "Es gibt in Österreich kein Unternehmen im Onlinelebensmittelhandel mit Vollsortiment, das kostendeckend agiert", sagt die Handelsexpertin. Hohe Kosten für die Gewinnung von Neukunden sowie die fehlende Bereitschaft der Konsumenten, höhere Preise für die Leistungen zu zahlen, machten es schwer.

Doch nicht nur aufseiten der Nachfrage machen sich Probleme bemerkbar. Allen voran scheinen sie auf der Angebotsseite zu entstehen. In Österreich gibt es bereits jetzt zahlreiche kleinere und größere Essenszusteller; zudem drängen zunehmend große Konzerne nach Österreich. So messen sich in einem Markt internationale Konzerne, nationale Lebensmittelketten und spezialisierte Start-ups.

In einem entsprechend großen Markt wäre das wohl kein allzu großes Problem. Tatsächlich aber macht der Onlinehandel weniger als drei Prozent der gesamten Lebensmittelindustrie aus. Zwar verlieh die Pandemie dem Onlinegeschäft einen ordentlichen Schub, mittlerweile scheint die Nachfrage aber wieder abzuflauen.

Stationäre Konkurrenz

Handelsexpertin Cerha führt das vor allem auf die traditionell hohe Filialdichte in Österreich zurück. "Kaum wo gibt es so viele Supermärkte pro 1.000 Einwohnern wie in Österreich", verweist sie auf die Bedeutung des stationären Handels. Man komme auf dem Heimweg oft an mehreren Supermärkten vorbei – ein schneller Einkauf sei daher meist unkompliziert.

Zudem dürfe man die Rolle der Haptik nicht unterschätzen: "Wenn ich die Avocado im Geschäft angreifen kann, weiß ich, ob sie reif ist oder nicht." Vor allem bei Obst und Gemüse sei das den Menschen wichtig, schließlich bestünden große Qualitätsunterschiede in den Regalen.

Zu allem Überfluss eilt den Essenszulieferdiensten ein schlechter Ruf voraus. Prekäre Arbeitsbedingungen stehen seit langem in der Kritik. Geringe Löhne, bei Flink wurden rund 1.370 Euro netto im Monat angeboten, teilweise fehlende Sozial- und Krankenversicherungen sowie hohe wirtschaftliche Risiken werden immer wieder angeführt.

Verzwickte Situation

Zeitgleich ist die Einstiegsbarriere in den Beruf gering, wodurch die Stellen stetig nachbesetzt werden. Laut Gurkerl.at-Chef Maurice Beurskens stünden die Menschen für den Job als Zusteller sogar Schlange. Diese könne er allerdings nicht einstellen, da im Lager die Mitarbeiter fehlten. Eine verzwickte Situation also. Selbiges lässt sich auf die gesamte Branche übertragen.

"Es ist eine Frage der Kalkulation", verweist Cerha auf den Mindestbestellwert, der zur Deckung der Kosten erforderlich ist. Geben die Konsumenten bei ihrem Einkauf zu wenig aus, könne sich das Geschäft gar nicht rentieren: "Kunden müssten bereit sein, höhere Preise oder Liefergebühren zu zahlen." (Nicolas Dworak, 13.12.2022)