Vizekanzler Werner Kogler und Kanzler Karl Nehammer verkünden beinahe wöchentlich neue Hilfen.

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In der Energiekrise gilt, was kurz zuvor schon in der Corona-Pandemie gegolten hat: Eine Vielzahl von Ländern ist von einem Tag auf den anderen mit dem gleichen Problem konfrontiert. Einmal war es das Virus, aktuell sind es die stark steigenden Strom- und Gaspreise. Die ähnliche Betroffenheit macht natürlich auch Vergleiche interessant: Wer findet bessere Antworten auf die Herausforderungen?

Wie schon in der Pandemie, als Österreich länger auf einen restriktiven Kurs setzte als fast alle anderen Staaten, also auf Lockdowns und 2G, fällt Österreichs Strategie aktuell auch in der Energiekrise auf.

Das zeigt eine Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF), in der die Reaktionen der EU-Länder auf die starken Preisanstiege bei Strom und Gas verglichen wurden. Österreich ist eines der Länder, das für die Jahre 2022 und 2023 bisher die höchsten Hilfszahlungen und Subventionen zugesagt hat. Laut IWF summieren sich die vielen Hilfsprogramme auf vier Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung. Im EU-Schnitt belaufen sich diese Zusagen nur auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Berücksichtigt wurden dabei alle Zusagen bis inklusive November und zwar für Haushalte sowie für kleine und mittelständische Betriebe.

Österreich hat also um fast 70 Prozent mehr Hilfen budgetiert als die anderen Länder. Und es werden laufend mehr: Bereits heute, Donnerstag, will die Koalition auch eine Aufstockung der Energiekostenzuschüsse für Betriebe präsentieren.

Dabei zeigt die Analyse des Währungsfonds, dass der Preisanstieg für Haushalte bei Gas, aber vor allem Strom in vielen anderen Staaten stärker war als in Österreich. Im ersten Halbjahr 2022 waren die Ausgaben der heimischen Haushalte für Strom zum Beispiel fast unverändert im Vergleich mit 2021.

Wie es dazu kommt? Zunächst haben viele Haushalte (und Unternehmen) länger laufende Verträge mit ihren Energieversorgern. Preiserhöhungen schlagen also nicht sofort durch, sondern nur nach und nach. Hinzu kommt, dass die Regierung bei Gebühren gegengesteuert hat – die Energieabgabe für Strom und Gas wurde bis Juni 2023 um gut 90 Prozent gesenkt. Gebühren sind ein nicht unwesentlicher Teil der Energiekosten für Haushalte.

Ziellose Verteilung

Die Expertinnen und Experten des IWF haben sich in einem zweiten Schritt auch angesehen, wie treffsicher die Hilfen sind. Und hier schneidet Österreich schlecht ab. Kein richtiger Trost dürfte dabei sein, dass auch andere Länder eher auf die Gießkanne setzten, wenn sie Geld verteilten.

Der Währungsfonds unterteilt die Anti-Teuerungs-Hilfen in mehrere Kategorien: So gibt es nichtzielgerichtete und zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen. Diese Einteilung erfolgt danach, ob die Zuschüsse nur an ärmere und sozial bedürftige Haushalte verteilt wurden, oder ob alle Geld bekommen haben. Dazu kommt noch eine Unterscheidung, nämlich ob die Maßnahmen die Energiepreise verzerren oder nicht. Für den Fonds sind das tendenziell schlechtere Hilfen, weil der hohe Preis für Energie möglichst durchschlagen soll, damit weniger Energie konsumiert wird. Abgefedert gehören die Kosten an anderer Stelle, so die Idee des IWF.

In Österreich waren laut Währungsfonds 67 Prozent oder zwei Drittel der Hilfen nicht zielgerichtet, wurden also ohne jede soziale Treffsicherheit verteilt. EU-weit war der Schnitt etwa gleich mit 69 Prozent.

Ein etwas besseres Zeugnis bekommt Österreich dafür dort ausgestellt, wo es um die Frage geht, ob Hilfen die Preissignale verzerren. EU-weit sind deutlich mehr als die Hälfte der Maßnahmen verzerrend, dämpfen also Energiepreise direkt. In Österreich trifft das auf ein Fünftel der Zuschüsse zu.

Zu den Unterstützungsleistungen, bei denen Preissignale durch Subventionen außer Kraft gesetzt wurden, zählt etwa die Senkung der Umsatzsteuer auf Energie. Das wurde in mehreren Ländern, nicht aber in Österreich getan, auch wenn das unter anderem die SPÖ lautstark fordert. Wohl aber gibt es in Österreich einen breiten Stromkostenzuschuss, der pauschal den Haushalten 2023 einen großen Teil ihrer Stromkosten abnehmen wird. Auch dies fällt für den IWF in die Kategorie der preisverzerrenden Hilfen.

Am Anfang der Krise

Österreichs Leistungen sind also weniger preisverzerrend, dafür wird mehr Geld ohne jede Treffsicherheit ausgegeben. Nun lässt sich einwenden, wo genau das Problem liegen soll? Österreich kann sich die Hilfen leisten, der Staat kommt aktuell an billige Kredite, die Verschuldung soll im kommenden Jahr sogar sinken.

Aus zwei Gründen beruhigt das die Ökonominnen und Ökonomen des IWF nicht. In der Analyse heißt es, dass die hohen Energiepreise zu einem Rückgang der Kaufkraft führen würden. Genau das soll dafür sorgen, dass der Inflationsdruck nachlässt. Die Inflation entsteht ja, wenn die Nachfrage das Angebot übertrifft. "Die Kompensation der Realeinkommensverluste für die Haushalte durch eine zu großzügige Politik" erhöhe das Risiko, dass der Inflationsdruck weiter steigt und es zu einer zweiten Runde an Preissteigerungen komme. Bei den heimischen Forschungsinstituten Wifo und IHS wird bestritten, dass das ein Problem sein könnte. Der Preisauftrieb durch die Hilfen sei überschaubar.

Das zweite Problem ist, dass laut Währungsfonds ein Ende der Energiekrise in naher Zukunft nicht erwartet werden kann. Beispiel Gas: Preissprünge wie im Sommer, als eine Megawattstunde Gas mehr als 300 Euro gekostet hat, gibt es aktuell nicht. Doch wird erwartet, dass Gas langfristig deutlich teurer bleiben wird.

Aktuell deuten die Marktpreise darauf hin, dass eine Megawattstunde Gas im Jahr 2026 rund 50 Euro kosten wird, vor Kriegsbeginn in der Ukraine hatte man 20 Euro erwartet. Hinzu kommt wie beschrieben, dass ein Teil der schon realisierten Preiserhöhungen noch gar nicht bei den Haushalten angekommen ist. Das wird sich ändern.

Je länger die Krise aber dauert, umso mehr wird der Staat vulnerablen Haushalten zusätzlich helfen müssen. (András Szigetvari, 22.12.2022)