Wenn man in der ohnehin nicht gut gelaunten Berliner Ampel für zusätzlich schlechte Stimmung sorgen möchte, dann reicht es, ein Wort auszusprechen: "China".

Wie umgehen mit der Macht in Fernost? Eine Strategie haben SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag angekündigt. Aber noch wartet man darauf, und beim Warten wird die Zerrissenheit deutlich.

Das Verhältnis zwischen Peking und Berlin ist nicht einfach.
Foto: Reuters / Aly Song

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war gerade in Peking. Vor ihrer Abreise hatte sie die Möglichkeiten so beschrieben: "Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale – das ist der Kompass der europäischen China-Politik. In welche Richtung die Nadel künftig ausschlagen wird, liegt auch daran, welchen Weg China wählt".

Frage an Peking

In Peking machte sie ihre Enttäuschung über Chinas freundliche Haltung gegenüber Russland deutlich: "Ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russlands beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu."

Auch die Sorge wegen eines möglichen Kriegs zwischen China und Taiwan sparte Baerbock nicht aus, sie sprach von einem möglichen "Horrorszenario", was ganz anders klang als beim französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.

Der hatte zuvor ja gemeint, Europa dürfe sich in dieser Frage nicht zum "Vasallen" der USA machen. Das hat ihm in Berlin viel Kritik eingebracht. In Peking war er jedenfalls deutlich willkommener als Baerbock. Zu ihr nämlich meinte der chinesische Außenminister Qin Gang: "Was China am wenigsten braucht, sind Lehrmeister aus dem Westen."

"Schockierende Reise"

Zurück in Deutschland zeigte Baerbock ihren Frust. Im Bundestag sagte sie über ihren China-Besuch, es sei "wirklich zum Teil mehr als schockierend gewesen". Sie habe den Eindruck, dass "der Aspekt systemischer Rivale immer stärker zunimmt, und zwar nicht nur, weil China stärker nach außen offensiver, man kann auch sagen aggressiver, auftritt, sondern vor allem nach innen repressiver".

Ihr Kurs kommt bei vielen in der SPD nicht gut an, dort gibt es Kritik. So stellte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich auf die Seite Macrons und betonte: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Partei in einem Großkonflikt zwischen den USA und der Volksrepublik China werden."

Baerbock hatte er schon vor deren Landung in Peking vorausgesagt, dass sie es wegen ihrer China-Kritik nicht leicht haben werde: "Sie hat sich ja sehr – zumindest aus Sicht Chinas – undifferenziert in dieser Situation eingelassen."

Einen Tipp hatte er auch. Zwar sei es wichtig, sich für Menschenrechte einzusetzen. Aber man sollte "auch nicht immer mit Absolutheit auftreten – ich glaube, gerade in Asien kommt das nicht so gut an". Und ausgerechnet während Baerbocks Asien-Reise wurde ein Papier des konservativen "Seeheimer Kreises" der SPD bekannt. Dieser fordert "Wirtschaftspolitik auf Augenhöhe" mit China und stichelt gegen Baerbock und den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Keine Weitsicht

Sie hangelten sich "von Einzelfall zu Einzelfall". Denn: "Im Zentrum steht dort mehr die innenpolitische Symbolkraft getroffener Maßnahmen als eine weitsichtige Politik."

Soll heißen: Die beiden verärgern China, damit sie bei ihrer Basis Applaus bekommen. Der SPD-Abgeordnete Johannes Arlt meinte in der Berliner Zeitung: "Die Frage sollte erlaubt sein, ob man immer so direkt formulieren muss, um seine diplomatischen Ziele zu erreichen."

CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sieht in der SPD-Kritik an Baerbock "absolute Desavouierung". Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin hingegen spielt die Schelte der Seeheimer herunter. Diese veranstalten traditionell ein Spargelessen auf einem Havelschiff. Trittin: "Vielleicht überrascht es nicht wirklich, dass die Organisation von Spargelfahrten nicht unbedingt zu China-politischer Kompetenz führt." (Birgit Baumann aus Berlin, 20.4.2023)