Kai Wegner folgt der SPD-Politikerin Franziska Giffey als Bürgermeister von Berlin nach.

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Um 13.30 Uhr, so lautete der ursprüngliche Plan, hätte der neue Berliner CDU-Bürgermeister Kai Wegner am Donnerstag durch ein Spalier von Rauchfangkehrern und Rauchfangkehrerinnen ins Rote Rathaus einziehen und seine neuen Amtsräume übernehmen sollen. Diese hatte ja die bisherige "Regierende", Franziska Giffey (SPD), schon geräumt gehabt.

Doch statt Amtsübergabe samt Blumen am Nachmittag fand in Berlin etwas anderes statt: ein Polit-Krimi im Abgeordnetenhaus.

Dort nämlich fiel Wegner am Donnerstagnachmittag in den ersten zwei Wahlgängen durch. Der erste Versuch fand kurz nach zwölf Uhr statt. Von den 159 Abgeordneten hätte Wegner 80 Stimmen gebraucht. Er bekam aber nur 71. CDU und SPD, die ja den Koalitionsvertrag ausverhandelt hatten, haben gemeinsam 86 Stimmen.

Runde zwei ging auch schief. Wegner erhielt immerhin 79 Stimmen, aber auch das war zu wenig.

Kai Wegner (CDU) und die bisherige Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatten einen anstrengenden Nachmittag.
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Chaoswahl

Eigentlich hatte der Weg ins Rote Rathaus für ihn gut begonnen. Am 12. Februar hatte Wegner als Spitzenkandidat der CDU das nach der Chaoswahl vom September 2021 nötige Wiederholungsvotum klar gewonnen. Die CDU kam damals auf 28,2 Prozent, SPD und Grüne je auf 18,4, wobei die Sozialdemokraten mit 53 Stimmen Vorsprung auf Platz zwei vor den Grünen landeten.

Zunächst wollte Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wieder ein rot-grün-rotes Bündnis schmieden. Ein solches hatte Berlin auch bis zur Wahl regiert. Doch es wäre eine reine Koalition der Verlierer und Verliererinnen gewesen und es regte sich viel Unmut.

Also schwenkte Giffey um und bot sich Wegner und der CDU als Juniorpartnerin an. Wegner sondierte auch kurz mit den Grünen, dann aber wurde zügig über eine große Koalition verhandelt.

Diese musste noch von der SPD-Basis abgenickt werden. Das geschah in einer Mitgliederbefragung. Zwar sprach sich eine Mehrheit der Genossinnen und Genossen für eine Koalition mit der CDU aus. Doch das Ergebnis fiel mit 54,3 Prozent Zustimmung knapp aus.

Kevin Kühnert stänkert

Viele in der SPD hätten sich doch ein neues linkes Bündnis gewünscht. Die Skepsis vieler gegenüber Wegner brachte Kevin Kühnert, der Generalsekretär der Bundes-SPD, auf den Punkt: "Wenn er der Regierende Bürgermeister sein sollte am Ende, dann fällt mir das schwer, das als meine Stadt Berlin, so wie ich sie kennengelernt habe, so wie ich hier groß geworden bin, wiederzuerkennen."

Doch auch in der CDU ist nicht alles eitel Wonne. Manche stört, dass Wegner auch Quereinsteiger in sein Senatsteam holen wollte.

Nach den ersten beiden Wahlgängen gaben sich SPD und CDU gegenseitig die Schuld am Scheitern.

"Staatspolitisch unverantwortlich"

"In der SPD gibt es offensichtlich viele, die die Wahl des Regierenden Bürgermeisters nutzen, um mit Franziska Giffey und Raed Saleh (Co-SPD-Chef, Anm.) abzurechnen", sagte der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak´. Das sei "staatspolitisch unverantwortlich", die SPD verliere weiter an Glaubwürdigkeit. Er betonte zudem: "Die CDU-Fraktion steht geschlossen hinter Kai Wegner."

In der SPD sah man es anders. Der Abgeordnete Orkan Özdemir sagte: "Ich bin sehr sicher, dass es aus den Reihen der CDU ist. Die müssen ihre Reihen jetzt schließen. Ich hoffe jetzt, dass Herr Wegner seine Leute auf Reihe kriegt."

CDU ziemlich überrascht

Probeabstimmungen hatten ergeben: Alle aus der CDU-Fraktion stehen hinter Wegner, bei der SPD gibt es zwei Abweichler. Dann wäre Wegner aber gewählt worden. Es hatten sich offenbar einige nicht deklariert.

Von der Dimension überrascht zeigte sich der Berliner CDU-Politiker Falko Liecke: "Ich habe schon damit gerechnet, dass es einen kleinen Dämpfer geben kann. Aber das hat schon eine besondere Qualität, die nicht sein muss", meinte er.

Nach den ersten beiden Wahlgängen wurde der Ältestenrat einberufen, auf Antrag der Linken. Man wollte die komplizierte Lage erörtern. Dann ging es in den dritten Wahlgang, in diesem war nur noch die einfache Mehrheit nötig.

Und da gelang es dann auch. Wegner erhielt 86 Stimmen, also so viele, wie CDU und SPD gemeinsam haben. Sofort danach wurde er vereidigt und dann konnte er endlich zum Roten Rathaus fahren. (Birgit Baumann aus Berlin, 27.4.2023)