Im Radio läuft Fleetwood Mac. Die Musik kommt nicht – wie heutzutage üblich – aus einem kabellosen Bluetooth-Lautsprecher, sondern aus einem kleinen, kofferförmigen Radio mit Stromkabel und Antenne. Ein Telefunken-Transistorradio, Baujahr 1973. Daneben steht ein Exemplar der Marke Ingelen in Holzoptik, dahinter ein cremefarbenes, das aussieht wie eine Lederhandtasche.

"Ich hasse Bluetooth", sagt Wolfgang Kremsner. Eine klare Ansage, die man ihm, einem zurückhaltenden Menschen, auf den ersten Blick gar nicht zutraut. "Ich will mich nicht verbinden." Und dann, mit strahlenden Augen: "Für meine Radios brauche ich nur eine Steckdose, und schon kann ich die ganze Welt empfangen."

Kremsner repariert und verkauft alte Radios. Außerdem alte Schallplattenspieler und Kassettenrekorder, Taschenrechner, Kaffeemaschinen und Keramikküchenuhren. Die Wände seines Geschäfts, das er seit kurzem in der Otto-Bauer-Gasse im sechsten Wiener Bezirk betreibt, sind voll davon. Ein munteres Ticken – nicht ganz im Takt der Musik.

Geräte mit Kultfaktor

Mit den Uhren fing vor ein paar Jahren alles an: "All diese wunderschönen Stücke landen defekt auf Willhaben", meint Kremsner. "Ich habe eine reparieren lassen." Eigentlich kann ich das auch, dachte er sich, nachdem er die Rechnung gesehen hat. Schon als Kind hat er mit Begeisterung alles zerlegt, was er in die Finger bekam. Nun also nahm er die Uhren auseinander, prüfte, was kaputt war, welche Teile er kombinieren kann. Learning by Doing. "Ich hatte keine Ahnung von den Geräten."

Ursprünglich war Wolfgang Kremsner Vertreter für Bäckereifachmaschinen. Sein weißes Hemd erinnert an den alten Job, seine Bastlerhände an den neuen: Denn mit der Zeit wurde die "kleine Bastelei" zum Beruf. Seine reparierten Geräte avancierten auf dem Onlinemarktplatz Willhaben zu Verkaufsschlagern, vor einer Weile dann stieß er durch Zufall auf das frei werdende Ladengeschäft unweit seiner Wohnung.

Wolfgang Kremsner vor einem Regal mit alten Kassettenrekordern und einer Wand mit alten Küchenuhren.
Erst kürzlich hat Wolfgang Kremsner seinen Laden in der Otto-Bauer-Gasse im sechsten Wiener Bezirk eröffnet.
Verena Carola Mayer

Teile mit Vintage-Charakter sind gefragt, die Geräte seien "einfach Kult", meint Kremsner. Daher verkauft er auch nur solche, die vor Ende der 1970er-Jahre hergestellt wurden. Bei der Masse an alten Geräten sei es wichtig, sich zu beschränken. Nicht jedes verkauft sich gut: Alles ab den 80er-, 90er-Jahren sei von der Optik her langweilig und noch dazu "für ein paar Euro auf dem Flohmarkt erhältlich". Und nicht alles ist "technisch zeitgemäß". Röhrenradios zum Beispiel: Der Stromverbrauch sei zu hoch, die Technik obsolet. Transistorradios hingegen "verbrauchen kaum mehr als eine Sparlampe", es gebe keinerlei Hitzeentwicklung, aber einen "Superklang".

Die Liebe zum Alten

Manche seiner Kunden kommen von Nostalgie getrieben in sein Geschäft: Sie suchen exakt diese zartgelbe Uhr mit Goldrand und integrierter Eieruhr, wie sie bei der Oma in der Küche hing. Oder sie wollen sich endlich den jahrzehntelang gehegten Traum vom Grundig Radiorekorder erfüllen – "diesem Wahnsinnsgerät, von dem jeder an der Schule geträumt hat", wie ein Besucher aus Köln erzählt. Daneben bekommt Kremsner auch immer wieder Reparaturanfragen. Früher haben diese Geräte viel Geld gekostet, erzählt er. Nicht selten wurden Radios auf Raten gekauft. "Da hängt man bis heute dran." Andere kommen mit geerbten Stücken oder Flohmarktfunden.

Auch Marcin, ein junger Wiener mit langen Haaren und Schnauzbart, hat sein Gerät "günstig erstanden". Er zieht einen türkisfarbenen Kassettenrekorder mit großen Tasten aus seiner Umhängetasche: "Ein Library of Congress aus kanadischer Edition." Kremsner lacht freudig auf: "Ein Superteil", meint er begeistert. Nicht das Einzige, das Marcin besitzt.

Ein Klappzahlenradiowecker von Ingelen.
Ein Klappzahlenradiowecker von Ingelen.
Verena Carola Mayer

Woher kommt sie, die Liebe zu den alten Geräten? "Ich habe vor ein paar Jahren mal die Walkman-Sammlung meiner Mama geplündert", erzählt er lachend. Mittlerweile ist seine Sammlung gewachsen. "Ich benutze sie alle. Ich mache selbst Musik, und diese spezielle Charakteristik bekommt man mit Digitalem nicht hin." Er mag es, dass sich der Klang verändert, dass es manchmal knistert und scheppert. "Das kann man auch zum Guten nutzen." Und wenn doch einmal etwas kaputtgehe, könne man es ja reparieren lassen.

Denn früher wurde für die Ewigkeit gebaut. Wenn man sie ab und zu wartet, seien diese alten Geräte unzerstörbar, sagt Kremsner. "Deswegen wiegen sie auch so viel", meint er und hebt eines der Radios hoch. Groß wie ein Aktenkoffer und "schwer wie ein Ziegelstein". Statt wie heute aus Plastik wurde alles aus Metall gebaut. Früher gab es an die 20 Hersteller in Österreich, viele auch in Wien. Bei Minerva, "oben in der Zieglergasse, wurden Radios bis ins letzte Einzelteil produziert". Philips fertigte Kassettenrekorder am Wienerberg. "Heute sind das nur noch Handelsmarken", sagt Kremsner. Produziert wird meist im asiatischen Ausland.

Alte Küchenuhren und Taschenrechner.
Alte Küchenuhren und Taschenrechner.
Verena Carola Mayer

Auch wenn sich Produktionsbedingungen und Design stark verändert haben, die wesentlichen Bestandteile im Inneren sind gleich: "Platinen und Transistoren bekommt man auch heute noch." Schwieriger wird es mit Teilen am Gehäuse. So was sei schwer zu finden, meint Kremsner. Über die Jahre aber habe er alles Mögliche gesammelt. Allein 500 Knöpfe hat er in seiner Werkstatt.

Verkauft wird nur, was authentisch in Stand gesetzt wurde. Bei den Uhren bedeutet das: nur mechanische, keine Quarzuhrwerke. Die wurden meist irgendwann eingebaut, um sich das mühsame Aufziehen zu ersparen. So auch bei jener Uhr, die Kunde Marcin dem Experten auf seinem Handy zeigt. Der wirft einen kurzen prüfenden Blick darauf, dann kommt das enttäuschende Urteil: "Die hat nicht mehr das Originaluhrwerk. Dadurch wurde sie ziemlich entwertet, leider."

So zum Dahinhören

Die Preise für alte Keramikuhren beginnen bei rund 150 Euro, Radios sind ab 120 zu haben. Seltene Sammlerstücke können auch mal mehrere Hundert Euro kosten. Ein rot-blaues Exemplar, das der österreichische Architekt Gustav Peichl anlässlich des 50-jährigen Rundfunkjubiläums entworfen hat, wird für 350 Euro verkauft. Bei all den schmucken und seltenen Geräten – gerät man da manchmal in Versuchung, sie selbst zu behalten? Wolfgang Kremsner winkt ab. "Ich bin kein Sammler. Mir macht der Prozess Spaß." Die "Schatzsuche", das Reparieren, der Verkauf.

Ein altes Radio.
"Diese Geräte haben Kultfaktor", findet Wolfgang Kremsner.
Verena Carola Mayer

Auch wenn Kremsner kein Sammler ist, über die Sammelleidenschaft anderer freut er sich durchaus. So kam er zu seinen Taschenrechnern aus den 1960er- und frühen 70er-Jahren: klobige mit riesigen Tasten, knallfarbene und winzig kleine. Mehr als 1.000 Stück hatte der pensionierte Bankdirektor gesammelt. "Der wollte die alle loswerden", sagt Kremsner.

Ganze Sammlungen bekommt er immer wieder angeboten. Mehr, als er unterbringen und reparieren kann. Zwischendurch muss ja auch noch Zeit zum Plauschen und Musikhören bleiben. Gerade führt er einer Bekannten einen knallroten Kofferplattenspieler vor: Klappe runter, Platte auflegen, dann ertönen die leichtfüßigen Rhythmen von Grace Jones’ La vie en rose. Kremsner steht daneben und lauscht andächtig.

Wird die Kassette ein ähnliches Revival erleben wie die Schallplatte? Schwer abschätzbar, meint er. "Ich probiere es", ergänzt er lachend. Für ihn jedenfalls gebe es nichts Schöneres als die schlichte Kassette. "Ich leg mir gern mal eine auf und hör so dahin."

Erst kürzlich hat Wolfgang Kremsner seinen Laden in der Otto-Bauer-Gasse im sechsten Wiener Bezirk eröffnet. Aus Liebe zu alten Uhren, Radios und Kassettenrekordern, die er nun repariert und akribisch wieder zusammenbaut. "Diese Geräte haben Kultfaktor", findet er.

(Verena Carola Mayer, 27.6.2023)