Wo früher Schiffspassagiere darauf warteten, an Bord zu gehen, sitzen heute gutbetuchte Gäste im stilvollen Setting, lesen Zeitung, treffen Geschäftspartner oder genießen eine Tasse türkischen Tee. Das ehemalige Terminalgebäude des Galataport sowie zwei weitere historische Gebäude direkt am Bosporus wurden renoviert und beherbergen gemeinsam mit einem Neubau seit Februar 2023 das Luxushotel The Peninsula.

Zeynep Fadillioglu, Luxushotel The Peninsula, Innenansicht
Der ehemalige Schiffsterminal am Bosporus beherbergt heute das Luxushotel The Peninsula.
Foto: The Peninsula Hotels, Benno Thomas

Von der Tristesse einer Wartehalle für Schiffsreisende spürt man heute nichts mehr. Die hohen Wände, großen Fensterflächen und hellen Farben sowie die unaufdringliche Pianomusik und das leichte Plätschern im Marmorbrunnen vor dem Ausgang zur Terrasse schaffen eine einladende Stimmung. Die Hängelampen, das Geländer an der Galerie und die Gestaltung des Plafonds könnten Art déco sein. "Es ist Bauhaus. Die Hinterglasmalerei an der Decke ist inspiriert von Anni Albers’ Textilarbeiten", berichtigt Zeynep Fadıllıoğlu mit ihrem gewinnenden Lächeln. Sie und ihr Team waren für die Inneneinrichtung des Hotels verantwortlich. Das frühere Terminalgebäude sei eines der wenigen Bauhaus-Gebäude in Istanbul, das müsse man natürlich erhalten. Doch sie habe die typische Ästhetik weicher interpretiert, erklärt die Innenarchitektin, als wir auf einem der gemütlichen Sofas in der Hotellobby Platz nehmen.

Moschee als Andenken

Seit 1995 betreibt die sympathische Istanbulerin ihr eigenes Büro für Interior-Design, realisiert Projekte auf der ganzen Welt und gewann bereits renommierte Auszeichnungen wie den Andrew Martin International Designer of the Year Award. Doch größere mediale Bekanntheit erreichte die 68-Jährige, weil sie die erste Frau in der Türkei war, die eine Moschee designen durfte.

Innenarchitektin Zeynep Fadı llıoğlu
Die 68-jährige Zeynep Fadı llıoğlu hat sich 1995 als Innenarchitektin selbstständig gemacht. Heute umfasst ihr Team je nach Auftrag zehn bis 50 Personen.
Bradley Secker

Es handelt sich um die Şakirin-Moschee im Istanbuler Stadtteil Üsküdar. Sie wurde von der Semiha Şakir Foundation im Andenken an das Unternehmerpaar İbrahim und Semiha Şakir errichtet und 2009 eröffnet. In zahlreichen Online-Artikeln ist davon die Rede, dass Zeynep Fadıllıoğlu die Großnichte der Bauherren sei. Es gebe zwar weitschichtige, lose familiäre Verbindungen. Sie selbst hatte vor der Zusammenarbeit aber nie Kontakt mit den Şakirs. Diese wurden auf die Designerin durch eines ihrer Interieurs in London aufmerksam und beauftragten sie, weil sie mit dem ursprünglichen Einrichtungsplan für die Moschee unzufrieden waren. Lange Zeit war es üblich, die muslimischen Gebetshäuser im historischen Stil des Osmanischen Reiches zu gestalten. Fadıllıoğlus Konzept hingegen war ganz anders: Die Formensprache ist modern, aber reich an traditionellen Bezügen – sei es Farbe, Material oder Haptik. So ist etwa die Minbar genannte Kanzel mit osmanischen Mustern verziert, aber modern interpretiert: aus Resin gefertigt.

Die moderne Gestaltung der Şakirin-Moschee sorgte bei der Eröffnung 2009 für Aufsehen.
Die moderne Gestaltung der Şakirin-Moschee sorgte bei der Eröffnung 2009 für Aufsehen.
Foto: The Peninsula Hotels, Benno Thomas

Als Vorbereitung auf das Projekt habe Fadıllıoğlu mit einem Theologen gesprochen und von ihm erfahren, dass es im Islam nur wenige Regeln zur Gestaltung einer Moschee gibt. Bloß die Ausrichtung der Minbar und der Mihrab (Gebetsnische) sind fix. "Da hab ich verstanden, dass die Designs der Moscheen gar nicht den Islam selbst repräsentieren, sondern die Kultur der jeweiligen Zeit", sagt Zeynep Fadıllıoğlu. Eine Besonderheit ihres Konzepts ist die Gebetsfläche für Frauen. Diese befindet sich auf einer Galerie rund um den Bereich für Männer. Die Positionierung soll trotz der Trennung ein Gefühl des gemeinsamen Betens ermöglichen.

Mediale Aufmerksamkeit

Ihr unkonventionelles Design kam nicht überall gut an. Konservative Kreise sahen in ihrem Entwurf eine "High-Society-Moschee" oder verglichen das Interieur mit dem eines Nachtclubs. Zeynep Fadıllıoğlu berichtet von einer anstrengenden Zeit. Sie habe sämtliche Anfragen von Medien selbst bearbeitet, um Kontrolle zu behalten. "Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass ich den Islam gestalten will, ich designte bloß eine Moschee", sagt sie lachend. Ob es sie nervt, dass sie oft auf dieses eine Projekt reduziert wird? Nein gar nicht, winkt Fadıllıoğlu ab. Schließlich habe ihr das Projekt viel Anerkennung gebracht und den Stellenwert der Frau im professionellen Kontext in der Türkei gestärkt, sagt die Designerin.

Şakirin-Moschee, Innenansicht
Die Şakirin-Moschee war die erste von weiteren 17 Moscheen, die Zeynep Fadıllıoğlu auf der ganzen Welt gestaltet hat.
Foto: The Peninsula Hotels, Benno Thomas

Mittlerweile haben sich die Wogen rund um die Gestaltung der Şakirin-Moschee längst geglättet, und Zeynep Fadıllıoğlu hat mit ihrem Team bereits 17 weitere Moscheen auf der ganzen Welt gestaltet. Auf das aktuelle politische Klima in der Türkei angesprochen, sagt sie, wenn es sich um private Initiativen handle, wären solche progressiven Projekte wohl nach wie vor umsetzbar. Ansonsten komme es auf die Behörden und deren Verständnis von Architektur an. Schließlich sind nicht alle Menschen in der Türkei so weltoffen wie die Designerin – und bei weitem nicht so privilegiert aufgewachsen!

Aus gutem Hause

Fadıllıoğlu stammt aus einer gut situierten Familie, die in einem Palazzo direkt am Bosporus wohnte. Ihr Großvater kaufte das Gebäude vom osmanischen Diplomaten Alexander Karatheodori Pasha und und renovierte es. Fadıllıoğlu schwärmt von sieben Meter hohen Räumen und unglaublichen Ornamenten. Es habe sogar einen Hamam im Keller gegeben. Der Betrieb sei dann aber irgendwann zu kostenintensiv geworden, erzählt sie. Ihr Vater, der in Berlin als Wirtschaftsprofessor tätig war, engagierte eine deutsche Nanny für die Kinderbetreuung. Bei unserer Tea-Time im Peninsula stellt sie ihre Sprachkenntnis prompt unter Beweis – sie entschuldigt sich in fast akzentfreiem Deutsch dafür, dass sie nicht das ganze Gespräch auf Deutsch führen kann, weil ihr Vokabular zu schlecht sei. Davon merkt man aber nichts.

Zeynep Fadıllıoğlu ist übrigens auch mehrfache Abfahrtsnationalmeisterin in der Türkei. Wie es zu der Skirennkarriere in ihrer Jugend kam, beantwortet sie mit einem Augenzwinkern: "Mir wurde beigebracht, wenn man was macht, dann ordentlich!" Nach der Schule ging sie dann nach Großbritannien, wo sie "Computer Science" und dann Programmieren studierte. Eine Kunstauktion für wohltätige Zwecke, die ihre Mutter organisierte, entfachte Fadıllıoğlus Interesse für Kunst. Der Vater konnte seine Tochter dazu bringen, noch Kunstgeschichte zu inskribieren. "Eigentlich hatte ich die Nase voll vom Studieren. Ich wollte endlich meine Freiheit genießen. Zuvor war ich durch Nanny, Schule, Uni und nicht zuletzt die strengen Regeln meiner Mutter unter permanenter Beobachtung", erinnert sich die Designerin. Die Entscheidung, noch eine akademische Ausbildung zu absolvieren, bereute sie nicht. Ganz im Gegenteil, das Kunststudium habe ihr für ihren späteren Beruf viel gebracht, sagt Fadıllıoğlu.

Schmuckes Stück

1995 gründete sie ihre eigene Designfirma, ihr Team umfasst je nach Projekt zehn bis 50 Personen und besteht zu einem großen Teil aus Frauen – das ist der Chefin auch wichtig. So ist auch İdil Erdemli zu unserem Treffen gekommen. Sie war für die Projektumsetzung im Peninsula verantwortlich. Es sei ein spezieller Auftrag gewesen, da man mit der historischen Substanz sehr behutsam umgehen muss, erzählt Erdemli, und Fadıllıoğlu ergänzt: "Wir versuchen immer, im Sinne jener Menschen zu gestalten, die die Räume benutzen werden. Bei einem Hotel ist es ein bisschen anders. Da kennt man die konkreten Personen nicht. Trotzdem soll der Mensch im Mittelpunkt stehen und nicht wie ein Störfaktor in der Architektur wirken." Die Zimmer und Suiten wurden individuell gestaltet – sie mag kein Copy-Paste, sagt Fadıllıoğlu dazu.

Typische Gestaltungscodes hat die Designerin aber schon. Diese finden sich auch im Peninsula wieder: Handwerkskunst, warme Farben, Textilien, Haptik, Patina und gestalterische Schichten. Zum Schluss unseres Gesprächs gibt’s noch ein Happy End für die quirlige 68-Jährige. Ein Kellner kommt mit einem Plastiksäckchen vorbei, was Zeynep Fadıllıoğlu regelrecht in Verzückung versetzt. Sie bedankt sich herzlich bei dem Hotelmitarbeiter und erzählt, dass sie vor kurzem hier bei einem Dinner ein wertvolles Armband verloren hat. Doch dank des ehrlichen Kellners hat sie es jetzt wieder. (RONDO, Michael Steingruber, 6.7.2023)