Liebe Mitmenschen,

Klar, bei den Streiks in Hollywood geht es auch ums Geld: Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die am 14. Juli die Arbeit niedergelegt haben, wollen höhere Mindestlöhne und eine Überarbeitung des Schemas für Tantiemen, das ihrer Ansicht nach nicht mehr ins Streaming-Zeitalter passt. Aber es geht eben auch um die Fortschritte bei künstlicher Intelligenz und vor allem darum, was die Technologie in Zukunft noch bereithält.

Denn die Schauspielenden haben Sorge, dass sie in Filmen und Serien zunehmend durch KI-generierte Modelle von sich selbst ersetzt werden. Es geht dabei weniger um die großen Stars, sondern um die Schauspielerinnen und Schauspieler, die als Neben- und Hintergrunddarsteller mitwirken und das Gros der Streikenden ausmachen.

Laut Vertreterinnen und Vertretern der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA soll ein Vorschlag der Hollywood-Studios im Raum stehen, wonach Darstellende gescannt und die virtuellen Abbilder in Filmen ohne weitere Zustimmung beliebig eingesetzt werden sollten. Da der Ganzkörperscan selbst schnell erledigt ist, sollen die Schauspielerinnen und Schauspieler bloß mit einem Tagessatz abgespeist werden.

Dieser Darstellung widerspricht der Verband der Filmproduzenten AMTTP: Die digitalen Abbilder dürften nur für die Filme, für die die Scans angefertigt wurden, verwendet werden. Weil zum ersten Mal seit 63 Jahren auch die Drehbuchautorinnen und -autoren streiken, steht Hollywood praktisch still. Auch sie fordern eine strengere Regulierung von KI – ebenso wie die Synchronsprecherinnen und -sprecher. Schließlich lassen sich inzwischen auch Stimmen klonen.

Die Filmschauspielenden in Österreich, wo die Branche um mehrere Größenordnungen kleiner ist, solidarisieren sich mit Hollywood-Streiks. Auch hierzulande nimmt der Berufsstand KI als Bedrohung war, es brauche "dringend ein Regelwerk", heißt es vom Verband der österreichischen Filmschauspielerinnen und -schauspieler.

Der US-amerikanische Regisseur James Cameron macht sich indessen weniger Sorgen, zumindest was Drehbücher angeht. Er glaube persönlich einfach nicht, dass "ein körperloser Geist, der einfach nur heraufwürgt, was andere einmal gesagt haben", das Publikum bewegen könne. Er sieht eher die KI-gestützten Waffensysteme als Bedrohung. "Ich habe euch 1984 gewarnt, und ihr habt nicht zugehört", sagte er in einem Interview. Zur Erinnerung: 1984 ist der "Terminator" erschienen.

Es muss nicht gleich der KI-Krieg sein – auch bei scheinbar harmlosen Anwendungen zeigen sich die Gefahren von künstlicher Intelligenz. Eine Bild-KI, die eigentlich dafür gedacht ist, Fotos für professionelle Zwecke – wie etwa für LinkedIn – zu generieren, wirft bei schwarzen Frauen oft stark sexualisierte Ergebnisse aus. Das Problem liegt laut Kritikern bei den Entwicklern: Die "KI-Bubble", die diese Systeme trainiert, sind überwiegend hellhäutige Männer. Dadurch könnten ein "kodierter Blick" und eine "Voreingenommenheit" der künstlichen Intelligenz entstehen. Die Ergebnisse können deshalb immer wieder "diskriminierend oder ausschließend" sein.

Die "Intelligenz" von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT ist dafür Schwankungen unterworfen, wie Forscherinnen und Forscher der Universitäten Stanford und Berkeley herausgefunden haben. GPT-4, eines der Modelle hinter ChatGPT, sei in letzter Zeit "dümmer" geworden. OpenAI könnte an den Qualitätsschrauben gedreht haben, mutmaßen manche, um die Flut an Anfragen schneller verarbeiten zu können. Das Gegenteil sei der Fall, sagt ein OpenAI-Entwickler – die KI sei mit jeder Version klüger geworden.

Augenscheinlich ist hingegen, dass Bild-KIs wie Midjourney immer besser werden. Die Version fünf des KI-Bildgenerators liefert standardmäßig fotorealistische Bilder, die zunächst kaum von echten Fotografien unterscheidbar sind. Wir haben einige Bilder mit Midjourney generiert und sie mit Fotos aus Stock- und Nachrichtenagenturen vermischt. Können Sie die Fakes entlarven?

Bleiben Sie menschlich, und bleiben Sie uns gewogen,

herzlichst,

Philip Pramer
Ressortleiter Edition Zukunft