Donald Trump, US-Wahlkampf
Vor allem Donald Trump war auf Social Media stets aktiv und mobilisierte so seine Anhänger.
IMAGO/Hyosub Shin

Die Social-Media-Algorithmen sind mächtig, das ist mittlerweile bekannt. Tiktok weiß schon nach wenigen Videos, wie der Nutzer tickt und was ihn anzieht. Aber auch Instagram und Facebook lernen schnell und können sehr gezielt Nutzerinnen und Nutzern bestimmte Inhalte ausspielen. Warum? Die Hoffnung auf "Engagement" und "Verweilzeit". Erzielt werden diese nicht nur für Social-Media-Plattformen genannten Erfolgsfaktoren durch provokante Meldungen und Beiträge.

Am Donnerstag veröffentlichte ein internationales Team aus Universitätswissenschafterinnen und -wissenschaftern sowie Meta-Forschern, darunter Drew Dimmery vom Forschungsverbund Data Science der Universität Wien, eine neue Studie zu genau diesem Thema. So untersuchte das Team die Art und Weise, wie Algorithmen auf Facebook und Instagram das Verhalten und die Einstellungen der US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner in den drei Monaten rund um die US-Wahl 2020 beeinflussten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Algorithmen von Facebook und Instagram die Inhalte, die die US-Amerikaner in der Zeit der US-Wahl 2020 sahen, einschließlich der Medienbeiträge zu politischen Themen und der Inhalte aus nicht vertrauenswürdigen Quellen, eindeutig beeinflussten.

Zusammenarbeit

Diese neuen Erkenntnisse sind laut Uni Wien Teil des bisher umfassendsten Forschungsprojekts, das die Rolle sozialer Medien in der US-amerikanischen Demokratie untersucht hat. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter erarbeiteten sich in den insgesamt drei Studien eine "grundlegend neue Herangehensweise", die es ermöglichte, zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Erstmals konnten Forschungsfragen und Studiendesigns entwickelt werden, in denen ausdrücklich vereinbart wurde, dass Meta (Eigentümer von Facebook und Instagram) diese Designs nur aus "rechtlichen, datenschutzrechtlichen oder logistischen Gründen ablehnen" konnte. Eine Beschränkung oder Zensur der Ergebnisse durch den US-Konzern war deshalb nicht möglich.

Drew Dimmery vom Forschungsverbund Data Science der Universität Wien war Teil des Meta-Teams, das untersuchte, wie sich die Auswirkungen der Änderungen im Algorithmus von Person zu Person unterscheiden. "Diese individuellen Unterschiede sind ein entscheidender Aspekt in der gesammelten Betrachtung der Auswirkungen von Änderungen im Algorithmus von Facebook und Instagram und spiegeln die Hauptergebnisse der Studien wider: Während es eine gewisse Heterogenität in der Art und Weise gibt, wie sich durch den veränderten Algorithmus das Verhalten auf der Plattform ändert, ist dies bei den Auswirkungen auf politische Einstellungen und dem Verhalten außerhalb der Plattform nicht der Fall", erklärt Dimmery.

Obwohl sich die genannten Studien sehr stark auf die Auswirkungen sozialer Medien im US-Wahlkampf 2020 fokussieren, wollen die Wissenschafter die Ergebnisse auch als Anhaltspunkt nehmen, der auf andere Länder umlegbar ist. "Über die unmittelbaren Ergebnisse der Studien hinaus liefert die Zusammenarbeit als Ganzes ein wissenschaftliches Beispiel dafür, wie man in künftigen Untersuchungen an die Frage, wie sich die Technologie auf die Gesellschaft auswirkt, herangehen kann", so der Forscher.

Hilfreich für diese klaren Ergebnisse sei vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen internen Forscherinnen großer Plattformen und externen Experten gewesen. Letztere hätten zudem das letzte Wort in Sachen Forschungsentscheidungen, und das sei laut Dimmery der Schlüssel zur "Beantwortung gesellschaftlich wichtiger Fragen". Gerade mit dem Inkrafttreten des Digital Services Act der EU, also einer besseren Regulierung der großen US-Konzerne, sollten laut Forschern Entscheidungen immer von "gründlichen, wissenschaftlichen Prinzipien geleitet" werden, und die könne man eben nur durch diese Zusammenarbeit erreichen.

Nicht die einzigen Quellen

In den drei Experimenten wurden jeweils die Auswirkungen verschiedener Änderungen des Algorithmus untersucht. So wurden etwa die Menge an Inhalten reduziert, die Gesamtzahl der Klicks und Reaktionen auf Beiträge parteiischer Nachrichtenquellen und vieles mehr. Ein Ergebnis war etwa, dass der chronologisch geordnete Feed die Zeit verringerte, die Nutzerinnen und Nutzer auf Instagram und Facebook verbrachten. Außerdem erhöhte der chronologische Feed die Anzahl der Inhalte von Freunden mit "nicht extremen Ansichten und Quellen mit ideologisch gemischtem Publikum auf Facebook". Gleichzeitig hatte aber auch die Gesamtmenge an politischen, nicht vertrauenswürdigen und unhöflichen Inhalten zugenommen.

Trotz dieser beträchtlichen Veränderungen in der Erfahrung der Nutzerinnen und Nutzer auf der Plattform veränderte der chronologische Feed das Niveau der Themenpolarisierung, des politischen Wissens oder politischer Einstellungen während des dreimonatigen Studienzeitraums nicht wesentlich.

"Sozialwissenschafterinnen haben die Auswirkungen sozialer Medien auf die US-Demokratie bisher nur begrenzt untersucht", so Talia Jomini Stroud und Joshua A. Tucker, die wissenschaftlichen Leiterinnen der Studien. "Wir wissen jetzt, wie einflussreich der Algorithmus ist, aber wir wissen auch, dass eine Änderung des Algorithmus, und sei es auch nur für ein paar Monate, die politischen Einstellungen der Menschen wahrscheinlich nicht verändern wird." Was die Forscher nicht wissen, ist: warum.

Sie vermuten, es könnte daran liegen, dass der Zeitraum, in dem die Algorithmen geändert wurden, nicht lang genug war, oder dass es diese Plattformen schon seit Jahrzehnten gibt – oder dass Facebook und Instagram zwar einflussreiche Informationsquellen sind, aber nicht "die einzigen Quellen, die Menschen verwenden".
(red, 27.7.2023)