Liebe Mitmenschen,

Mensch und Maschine rücken immer näher zusammen – und zwar nicht nur, weil sich menschliche Kreationen immer schwieriger von jenen der KI unterscheiden lassen. Auch auf der rein materiellen Ebene passiert etwas: Forschende der Monash University in Australien haben in Experimenten traditionelle, siliziumbasierte Schaltkreise mit gezüchteten menschlichen Gehirnzellen gekoppelt.

Neuronale Netze, wie sie hinter KI-Modellen arbeiten, wurden ja selbst von der Art und Weise, wie das menschliche Hirn arbeitet, inspiriert. Dort sind Milliarden von Nervenzellen, sogenannte Neuronen, mittels Synapsen verknüpft. In KI-Systemen werden diese Neuronen durch mathematische Funktionen repräsentiert, die Inputs entgegennehmen, verarbeiten und Outputs generieren.

Mit der Verschmelzung von Elektronik und Hirnzellen soll das Hirn noch besser nachgebildet werden. Das ist notwendig, da autonome Maschinen wie Autos oder Drohnen mit rein siliziumbasierter Hardware immer häufiger an ihre Grenzen stoßen. In Zukunft könnte hybride KI-Software etwa noch besser in der Lage sein, sich an Veränderungen anzupassen und Erlerntes dabei nicht zu vergessen – eben wie ein menschliches Hirn.

Während die australischen Forschenden also die Hardware der KI menschlicher machen wollen, wird aber auch daran gearbeitet, die menschliche "Hardware" künstlicher zu machen. Sogenannte Brain-Computer-Interfaces sollen es ermöglichen, Signale aus dem Hirn auszulesen und in Computerbefehle umzuwandeln. Elon Musks Firma Neuralink arbeitet daran schon lange – vor zwei Monaten hat das Unternehmen in den USA die Zulassung für klinische Studien am Menschen erhalten.

Auch OpenAI-Chef Sam Altman hat dort investiert. Dieser hat große Pläne für die Zukunft der Menschheit, die weit über künstliche Intelligenz hinausgehen. 2019 gründete Altman etwa Worldcoin, ein Krypto-Start-up, das sowohl eine Kryptowährung als auch Identitätsnachweis sein soll. Nun ist das Projekt offiziell gestartet.

Um eine sogenannte World ID zu erhalten, muss die eigene Iris gescannt werden. Dieser weltweit einzigartige Irisscan soll dann mit der digitalen Identität verknüpft werden. Er sieht das Projekt auch als Wegbereiter für ein universelles Grundeinkommen, da die World ID dazu beitragen könnte, Betrug zu verhindern, indem sie sicherstellt, dass nur echte Menschen das Geld erhalten.

Das flächendeckende Grundeinkommen, das sich Altman wünscht, gibt es bisher freilich noch nicht – ebenso wenig wie die Kernfusion, in die der OpenAI-Chef auch investiert ist. Aber gut, auch künstliche Intelligenz in der heutigen Form war von einigen Jahren noch unvorstellbar – und bisher konnte der Tech-Unternehmer von seinen Hochrisikoinvestments gut leben. Mehr über die eigenwilligen, und teils gefährlichen, Zukunftsvisionen von Altman lesen Sie hier.

Eine große Vision, nicht nur von Altman, ist ja, dass uns Maschinen künftig die unangenehmen Arbeiten abnimmt. Ein Beispiel ist Erntearbeit – sie ist notwendig, aber körperlich anstrengend, bisweilen gefährlich und meistens unterbezahlt. In Israel experimentiert eine Firma bereits mit Drohnen, die erkennen, ob Äpfel reif sind, und diese gleich pflücken. Meine Kollegin Julia Beirer wollte herausfinden, wie lange es noch dauert, bis Maschinen endlich die schwere Arbeit auf den Äckern übernehmen. Kurzfassung: Es dauert noch ein bisschen.

Mehr Sorgen müssen sich indessen Menschen machen, die am Schreibtisch arbeiten. Laut einer Studie von McKinsey könnten bis 2030 allein im Kundendienst und in unterstützenden Bürojobs mehrere Millionen Jobs wegfallen. Davon sind wiederum vor allem Frauen betroffen.

Gleichzeitig entstehen aber neue Jobs, beruhigt der Beratungskonzern. Dazu zählen etwa "Prompt Engineers", also Menschen, die mit KI-Systemen kommunizieren. Von denen wird es in Zukunft wohl mehr brauchen – zumindest, bis dann tatsächlich der Computerchip im Hirn werkt.

Bis dahin: Bleiben Sie menschlich und bleiben Sie uns gewogen,

herzlichst,

Philip Pramer
Ressortleiter Edition Zukunft