Ich bin über meinen Ex-Mann in der Gastronomie gelandet. Dessen Familie hat seinerzeit das alte Jägerhaus im Wiener Prater gegenüber vom Lusthaus geführt. Schon seine Großmutter stand dort hinter der Budel. Ich kam mit 20 Jahren als unbedarfte Absolventin der Handelsakademie hinzu. Anfangs nur am Wochenende und feiertags. Aber das war schon arg genug, denn schnell kam ich zur Erkenntnis, dass zu jener Zeit ganz Wien im Prater unterwegs war. Ich spreche vom Jahr 1975. Ich hatte nebenher einen Bürojob, und mein Mann war damals noch als Product-Manager tätig. 1979 ist unsere Tochter Nina zur Welt gekommen und 1987 haben wir das Jägerhaus schließlich ganz übernommen.

Ich habe mich später scheiden lassen und im Jahr 2001 das "Gasthaus zu den 3 Hacken" in der Wiener Singerstraße im 1. Bezirk gefunden. Das Ganze war eigentlich ein Zufall. Ich war an einem Sonntagvormittag trainieren, lag dann am Pool und bin bei der Zeitungslektüre auf die Annonce "Altwiener Gasthaus in der Innenstadt" gestoßen. Schon am nächsten Tag hatte ich einen Termin und zwei Tage später die Schlüssel in der Tasche. Die Wirtshauswurzeln des Lokals reichen urkundlich mehrere Jahrhunderte zurück. Auch Schubert hat hier schon gespeist. Und Nestroy.

Wirtsthaus, Innenstadt,
Josefine Zawadil ist seit bald 50 Jahren in der Gastronomie tätig.
Michael Hausenblas

Jeder hat die "3 Hacken" gekannt, und es war schön, als bereits während der Renovierungsphase die Leute vorbeikommen sind und sich gefreut haben. Nach drei Monaten sehr behutsamen Herrichtens wurde eröffnet, und wir haben vom ersten Tag an die Wiener Küche wieder wachgeküsst. Ohne Pommes frites. Ohne Ketchup. Es sollte schmecken 'wie früher bei der Oma'.

Das Gasthaus war dauernd voll, und wir kamen oft in die Verlegenheit, Gäste wegschicken zu müssen. Das hat mir einfach leidgetan. Außerdem wusste ich auch nicht wirklich, wohin ich sie hätte schicken sollen. Und so kam im Juli 2008 das Gasthaus Magazin hinzu, das sehr aufwendig renoviert werden musste. Das Magazin liegt nur 50 Meter entfernt von den "3 Hacken". Drüben in der Riemergasse. Die Karte war hier wie dort dieselbe, und wir hatten fortan eine Alternative für Gäste, die keinen Platz mehr bekamen. Peu à peu wurde das Magazin schließlich immer eigenständiger.

Ein echtes Wirtshauskind

2020 haben wir die "3 Hacken" an die Augustiner Brauerei verkauft. Das Magazin führe ich nach wie vor mit insgesamt 19 Beschäftigten. Und mit meiner Tochter Nina. Dabei war es nach fünf Jahren Studium in den USA nicht klar, dass sie wieder zurückkommt. Aber sie ist halt ein richtiges Wirtshauskind. Manche Gäste haben sie als eine Art Enkerl "adoptiert", und ich kann mich gut erinnern, wie sie auf einem Stapel Telefonbücher neben den älteren Herrschaften am Tisch gegessen hat.

Mir gefällt an der Gastronomie, dass sehr viele Gäste immer wieder kommen. Ich sehe diese Menschen als erweiterten Bekanntenkreis, mit dem man mitlebt und auch viel Persönliches mitbekommt. Wir haben eine 102-jährige Stammgästin, die ich sehr liebe. Kunden- und Gästebindung werden bei uns ganz großgeschrieben.

Was mir weniger an dem Job taugt, ist der ungeheure Zeitaufwand und die damit verbundene Präsenz. Der Gast merkt, wenn man nicht selbst immer dahintersteht und auf alles ein Auge hat. Und das sieben Tage pro Woche. Das ist gnadenlos. Ich war schon Jahre nicht mehr im Kino. Darunter leidet natürlich das Leben mit Freunden und der Familie. Mittlerweile ist meine Bereitschaft, vermehrt loszulassen, allerdings gewachsen und ich werde mehr und mehr Arbeitszeit reduzieren.

Innenstadt, Wien, Restaurant
Angefangen hat's im alten Jägerhaus im Prater, später kamen die "3 Hacken", dann das Magazin in der Wiener Innenstadt.
Michael Hausenblas

Der Aufwand in diesem Metier ist ja auch der Grund, warum es mittlerweile so unfassbar schwierig ist, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden. Ich habe in meinem Leben hunderte Bewerbungsgespräche geführt. Kaum mehr jemand will aktiv und gerne in die Gastronomie gehen. Das ist furchtbar. Und anstrengend. Vor allem seit Corona. Ich inseriere nonstop in allen möglichen Medien. Es gibt keine Resonanz. Wenn es so weitergeht, müssen wir einen Ruhetag in Erwägung ziehen.

Die Menschen legen immer mehr Wert aufs Privatleben. Die Stunden in der Gastronomie sind nun einmal beinhart. Und wenn die Familie nicht mitspielt, wird's heikel. Aus dem Grund habe ich auch viele gute Mitarbeiter verloren. Sie wollten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und verzichten lieber auf Geld. Das alles ist sicher auch ein Zeichen der Zeit.

Was sich sonst noch verändert hat? Wie gesagt, ich bin eine Hüterin der Wiener Küche. Die Leute, vor allem jüngere, haben immer weniger Ahnung vom Essen, speziell von unserer Küche. Das hängt damit zusammen, dass immer weniger Menschen zu Hause kochen, geschweige denn gemeinsam mit der Familie. Heute geht man lieber essen oder lässt sich etwas liefern. Viele Junge wissen gar nicht mehr, wofür das eine oder andere aus der Wiener Küche steht oder wie es schmeckt. Die bestellen eher die Klassiker, also Schnitzel, Tafelspitz oder faschierten Braten. Auch die Tischkultur mancher jüngeren Menschen lässt übrigens mitunter zu wünschen übrig.

Früher war nicht alles besser. Sieht man vom Personalproblem ab, hat sich einiges sehr gut entwickelt. Ob ich wieder in die Gastronomie gehen würde, wenn ich 25 wäre? Ja. Schon. Super wäre allerdings, wenn ich bereits das Know-how von heute hätte. (Michael Hausenblas, 19.8.2023)

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