"Unsere Firma gibt es seit 1866, sie wurde vom Großvater meines Großvaters gegründet. Er war aus Deutschland eingewandert, denn in Wien gab es als Hauptstadt der k. u. k. Monarchie sehr viele Beamte, und es wurde viel geschrieben. Damals galten Schreibfedern aus englischem Stahl als die besten, und er beschloss, diese aus England zu importieren und in Wien zu verkaufen.

Die Mariahilfer Straße war eine Einfallstraße nach Wien, die Händler ließen sich früher vor den Toren der Stadt nieder, um Zoll zu sparen, der Kaiser wiederum fuhr über die Mariahilfer Straße nach Schönbrunn. Dann begannen die Adeligen, sich hier Häuser zu bauen, und seit damals sind wir nun in diesem Haus zu finden, wobei wir vor zehn Jahren wegen der hohen Miete innerhalb des Hauses in dieses kleinere Geschäftslokal übersiedelt sind. Im Hof haben wir ein zweites Geschäftslokal für Schul- und Büroartikel, das davor nur als Lagerraum benutzt wurde, mit der Übersiedelung haben wir das aufgewertet.

Dass ich die Firma übernehmen werde, hatte ich ursprünglich ganz und gar nicht geplant. Meine Eltern meinten, dass meine Schwester und ich machen sollten, was wir gerne tun wollten. Ich war dann in der HTL, und dann studierte ich an der WU BWL. Doch in einem Familienbetrieb bekommt man natürlich trotzdem viel vom Geschäft mit, durchs Mithelfen, aber auch weil in einer Unternehmerfamilie selbst am Sonntag darüber gesprochen wird. Dem kann man sich nicht entziehen.

Miller Schreibwaren auf der Mariahilfer Straße
Georg Mosler führt das Schreibwarengeschäft Miller auf der Mariahilfer Straße in fünfter Generation.
Foto: Petra Eder

Für meinen Vater waren die sieben Jahre, als die U-Bahn in der Mariahilfer Straße gebaut wurde, von 1986 bis 1993, wirklich sehr schwer. Der Gehsteig vor unserem Geschäft war einer der letzten, die wieder begehbar wurden, und es gab keinerlei Unterstützung. Damals hat die Hälfte der Geschäfte zugesperrt. Dann kamen die sogenannten Ungarngeschäfte. Die Ungarn kamen zum Einkaufen von Kaffee, Radios und Parfum hierher. Und bei Miller kauften sie Transparentpapier und technischen Zeichenbedarf, manche – wohl mittlerweile pensionierte – Architekten kommen heute noch, um Tuschestifte zu kaufen.

Zwischen den Großen

Wir haben als Geschäft nur überlebt, weil meine Mutter, meine Schwester und ich gratis mitgearbeitet haben. Irgendwann dachte ich, dass das vielleicht doch etwas werden könnte, indem man manches verschlankt und neue Produktgruppen wie Computerzubehör, aber auch hochwertigere Schreibgeräte ins Sortiment aufnimmt. 1994 habe ich das Geschäft dann übernommen, damals ließen sich auch deutsche Handelsketten wieder in der Mariahilfer Straße nieder.

Zwei große Filialisten, Thalia und Müller, liegen direkt neben unserem Geschäft. Die sind – wenn es um Schulsachen geht – natürlich Konkurrenz, wobei man die Basisausstattung ja sogar bei Interspar und Hofer bekommt. Und oft denkt man, je größer die Anbieter, desto billiger, auch wenn dem nicht so ist. Früher hatten wir Aktionen, die ich nun nicht mehr mache, weil die Leute dachten, wenn das in so einem Geschäft billig ist, dann kann das nichts Gescheites sein.

Daher setzen wir auf Beratung und besondere Produkte. Wir haben Billets im Sortiment, die Sie sonst in Wien nicht finden werden, weil wir sehr gezielt Dinge von kleineren, ausgefalleneren Lieferanten anbieten. Das ist wie in der Landwirtschaft: Auch da hat man nur mit besonderen Produkten eine Chance gegen große Produzenten aus Polen oder den Niederlanden. Wir haben uns spezialisiert und im Niveau nach oben entwickelt, das reicht vom besonderen Fotoalbum für eine Hochzeit, das auch einmal 80 Euro kosten darf, bis zu exklusiven Füllfedern und Kugelschreibern. Aber natürlich führen wir nicht nur diese Produkte, sondern auch günstigere Schreibwaren, beispielsweise von Kaweco. Diese Firma gibt es schon seit über 100 Jahren, und da immer wieder neue Farben erscheinen, gibt es viele, die diese Schreibgeräte sammeln.

Ganz wesentlich ist bei uns natürlich die Beratung. Klar, Pelikan- oder Lamy-Füllfedern kann ich woanders auch kaufen, aber in der Blisterverpackung. Bei uns kann das Kind mehrere ausprobieren und sagen: Ja, die gefällt mir, und die liegt gut in der Hand. So eine Entscheidung kann natürlich dauern, aber die Zeit muss man sich nehmen. Schlimm finde ich die Tintenroller, die versauen eigentlich die Schrift. Das Schreiben mit einer Füllfeder ist einfach anders, das sollte man einfach erlernen. Zusätzlich bieten wir auch Reparaturen an, nicht nur für die höherpreisigen Schreibgeräte. Auch bei der Anfängerfüllfeder kann man die Feder tauschen, wenn ein Hoppala passiert, das ist nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger.

Die Taferlklassler beginnen ja mit dem Bleistift zu schreiben, aber auch hier sollte man ein Spektrum anbieten, damit die Kinder spüren können, was gut in der Hand liegt. Ich verwende selbst fast immer einen Bleistift, den ich in einem Schreibwarengeschäft in den USA entdeckt habe. Es ist ein Minenbleistift der Firma Sheaffer und schon 100 Jahre alt. Der Bleistift ist ein dankbares Schreibgerät, er trocknet nie ein, er schreibt in jeder Lage. Er ist halt nicht dokumentenecht, aber das muss ja nicht für alles sein.

Miller Schreibwaren auf der Mariahilfer Straße
Schreibgeräte gibt es bei Miller von günstig bis exklusiv.
Foto: Petra Eder

Begegnungszone und Instagram als Auslage

Den Umbau der Mariahilfer Straße zur Begegnungszone habe ich damals neutral gesehen, wobei uns schon Kunden weggefallen sind, die eher Höherpreisiges gekauft haben und zuvor mit dem Auto auf dem Heimweg stehen geblieben sind. Die Menschen, die einfach flanieren oder ein Café suchen, die erwerben nicht unbedingt diese Schreibgeräte. Aber mittlerweile hat man in Wien gelernt, dass man nicht mit dem Auto in die Stadt fährt. Und in der Vorweihnachtszeit kommen auch viele Kundinnen und Kunden aus den Bundesländern gezielt zu uns.

Insgesamt ist die Mariahilfer Straße durch die vielen Ketten ein wenig langweilig geworden, es gibt nur wenige interessante Auslagen. Wir wechseln mindestens einmal im Monat, und manchmal kommen Leute nach vielen Wochen und erinnern sich an ein Stück aus dem Schaufenster, das sie beim Flanieren außerhalb der Öffnungszeiten gesehen haben. Eine zusätzliche Auslage ist heute Instagram. Dort können wir Neues zeigen und neugierig machen, kaufen kann man das dann zwar noch nicht online, aber es ist angedacht. Auch im Geschäft ist es wichtig, vieles herzeigen zu können und nicht erst aus dem Lager holen zu müssen.

Ob es früher besser war? Wenn ich mir meine Vorfahren anschaue, mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatten, dann sicher nicht. Natürlich sind die großen Ketten und das Internet eine Herausforderung. Beispielsweise wenn jemand mit dem Kind wegen einer Schultasche kommt, sich beraten lässt und dann womöglich online bestellt. Mir tut es weh, wenn das Kind weinend aus dem Geschäft geht, weil es sich schon für "seine" Tasche entschieden hatte und die Mutter noch schauen möchte, obwohl es gerade bei Markenschultaschen kaum preisliche Unterschiede gibt. Aber die meisten Kunden, die sich beraten lassen, kaufen dann auch. Sie kommen gezielt zu uns und wissen zu schätzen, dass sie sich nicht ewig in Onlineforen einlesen müssen. Es ist generell eine bewusste Entscheidung, in kleineren, familiengeführten Geschäften einzukaufen und nicht nur online oder bei Ketten, die überall das Gleiche anbieten. Es gibt Leute, die sagen: Wenn es ein besonderes Papier oder eine Karte sein soll, dann komme ich zu Ihnen und finde immer etwas. Das hören wir fast jeden Tag, und das ist einfach schön und bestätigt uns, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Ob meine Kinder einmal übernehmen werden, weiß ich nicht, sie besuchen noch die Schule. Ich halte es da wie meine Eltern: Die Kinder sollen machen, was ihnen Freude macht, und wenn sie Miller in sechster Generation führen wollen, dann freut mich das, und sie bekommen jede Unterstützung." (Petra Eder, 2.9.2023)