Benghazi – Bei der Flutkatastrophe in der libyschen Küstenstadt Derna sind nach einem neuen Uno-Bericht mindestens 11.300 Menschen ums Leben gekommen. Weitere 170 Menschen seien durch Überflutungen an anderen Orten Libyens gestorben, berichtete der US-Nachrichtensender CNN am Samstagabend (Ortszeit) unter Berufung auf das Uno-Nothilfebüro (OCHA).

Die Opferzahlen dürften weiter steigen, hieß es weiter. Allein in Derna würden mindestens 10.100 Menschen vermisst. "Die Such- und Rettungskräfte arbeiten ohne Unterlass daran, Überlebende zu finden", betonte die Uno. Die Flutkatastrophe hatte sich vor einer Woche ereignet. Wie der arabische Fernsehsender Al Jazeera berichtete, würden immer noch Leichen angespült oder verwesten unter den Trümmern zerstörter Gebäude. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bisher etwa 4.000 Todesopfer identifiziert.

Suchkräfte/Rettungskräfte nach Flutkatastrophe in Libyen
Ununterbrochen arbeiten Such- und Rettungskräfte daran, Überlebende zu finden, heißt es von der Uno.
AFP/UAE MINISTRY OF DEFENCE

Der Sturm Daniel hatte das nordafrikanische Bürgerkriegsland am vergangenen Sonntag erfasst. Nahe der besonders betroffenen Stadt Derna brachen zwei Dämme, ganze Viertel der 100.000 Einwohner zählenden Stadt wurden ins Meer gespült. Unterdessen wuchs die Sorge vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen für die Bevölkerung der Stadt. Bis zum Samstag wurden etwa 150 Durchfallerkrankungen gemeldet. Als Begründung nannte der Leiter des Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haidar al-Sajih, verschmutztes Trinkwasser.

Uno warnt vor prekärer Lage an zwei weiteren Dämmen

Das UN-Nothilfebüro (Ocha) ist nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen besorgt über zwei weitere Dämme, hinter denen sich große Wassermengen stauen sollen. Es geht um den Dschasa-Damm zwischen der teils zerstörten Stadt Darna und Bengasi und den Kattara-Damm nahe Bengasi, wie Ocha am Sonntagabend mitteilte. Berichte über die Lage seien widersprüchlich. Nach Angaben der Behörden seien aber beide Dämme in gutem Zustand und funktionierten.

Am Dschasa-Damm würden nach Behördenangaben Pumpen installiert, um den Druck auf die Staumauer zu nehmen, so Ocha. Darna war nach dem schweren Unwetter am vergangenen Sonntag vor allem durch den Bruch zweier Dämme schwer getroffen worden.

Hilfspaket aus Österreich

Libyen ist faktisch zweigeteilt. Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi 2011 konnte Libyen keine stabile Zentralregierung aufbauen. Die international anerkannte Regierung hat ihren Sitz im westlibyschen Tripolis, während im durch den Sturm besonders getroffenen Osten ein Parallelkabinett tätig ist. Mit den Tausenden von Vertriebenen, die jetzt unterwegs seien, steige auch das Risiko, mit Landminen und explosiven Kampfmitteln in Berührung zu kommen, die von den jahrelangen Konflikten im Land übrig geblieben sind, erklärte das Uno-Nothilfebüro.

Das österreichische Innenministerium stellte in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariterbund und der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) ein Hilfspaket im Wert von etwa 100.000 Euro für die Katastrophenhilfe bereit. "Diese Lieferung ist ein Zeichen der Solidarität Österreichs und der konkreten Hilfe für die so schwer von den Unwettern getroffenen Menschen in Libyen", betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Libyen: Not und Verzweiflung in Derna
AFP

Insgesamt sollen 100 Familienzelte, 800 Feldbetten, 2.400 Decken und 2.112 Hygienepakete, von denen eines den Monatsbedarf einer fünfköpfigen Familie deckt, geliefert werden. Die über den EU-Zivilschutzmechanismus angebotenen Hilfsgüter seien von den libyschen Behörden bereits angenommen worden, so das Innenministerium. Die Lieferung in die betroffenen Gebiete werde von Österreich bis Ende der kommenden Woche vorbereitet.

Griechische Nothelfer bei Unfall umgekommen

Bei einem Autounfall im Katastrophengebiet sind nach Angaben libyscher Behörden vier Mitglieder eines griechischen Rettungsteams und drei Angehörige einer libyschen Familie ums Leben gekommen. Ein Kleinbus mit 19 griechischen Nothelfern sei mit dem Auto einer fünfköpfigen libyschen Familie zusammengestoßen, berichtete Othman Abdel Jalil, der Gesundheitsminister der libyschen Behörden im Ostteil des Landes. Insgesamt seien 15 Menschen teils schwer verletzt worden.

Das griechische Außenministerium bestätigte am Sonntag einen Unfall griechischer Nothelfer auf dem Weg in die libysche Hafenstadt Darna, ohne Einzelheiten zu nennen. Das griechische Konsulat in Benghazi, die EU und die Vereinten Nationen stünden bereit, um zu helfen. (APA, red, 17.9.2023)