Georg Bechter:
Georg Bechter: "Ich will Arbeitsplätze schaffen, wo sich jeder wohlfühlt."
Doris Priesching

Zufälle gibt's, die gibt's gar nicht. Ausgerechnet in Vorarlberg, im Vorderen Bregenzerwald im Büro des Lichtdesigners Georg Bechter, auf einen Architekten aus dem fernen Laabental, sprich Niederösterreich, zu treffen, war wirklich nicht zu erwarten, ist aber schon einmal ein gutes Zeichen. Gut für Niederösterreich, weil ein Kulturtransfer von Westen in den bei Bau- und Designangelegenheiten ziemlich hinterherhinkenden Osten sowieso allerhöchste Zeit ist. Gut für Georg Bechter, weil es sich offenbar herumspricht, dass hier ein Meister am Werk ist, der bei seinen Produkten Design, Technik und Nachhaltigkeit auf eine Stufe stellt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Licht ohne Schatten

Bechter hat etwas erfunden, das es vorher noch nicht gab: ein Modulsystem, das Licht flächenbündig und rahmenlos in jedes Material integriert. Ein kinderfaustgroßes zylinderförmiges Teil wird direkt in die Raumdecke eingearbeitet, ästhetisch und visuell störende Plastikdeckel fallen weg. In Verbindung mit einer hohen Lichtmenge – zum Einsatz kommen 1.000 Lumen – entsteht ein toller Effekt: Der in die Oberfläche integrierte Lichtpunkt ist kaum wahrnehmbar. Nur der Raum oder das zu bestrahlende Objekt sind hell erleuchtet. Die Lichtquelle ist erst zu sehen, wenn man unmittelbar darunter steht. Das erzeugt eine einzigartige, magische Atmosphäre. Wie kommt man auf so eine Idee?

Die Denkwerkstatt in Hittisau. Bregenzerwald
Die Denkwerkstatt in Hittisau.
Foto: Georg Bechter Licht

"Natürlich muss man da ein bisschen nachdenken", sagt Bechter. "Bei Hängeleuchten gab es bisher immer diese Abschlussdose, ohne die ging es nicht." Und genau dieses "Ging nicht" hat ihn gereizt: "Ich habe mich gefragt: Wie kann ich das Modul so einbauen, damit ich es zum Schluss nicht sehe?" Bechter bastelte Prototyp um Prototyp, entwickelte, verwarf, entwickelte weiter, und nach zwei Jahren war es so weit: Entstanden ist Dot 28, ein zylinderförmiges Gehäuse mit 28 Millimeter Durchmesser, in das man Kabel und Leuchten einfach einschrauben kann. Mit Reflektoren, verschiedenen Farben und Einbausystemen hat er insgesamt ein Sortiment von mehr als 10.000 Variationen. 2015 gab es für seine Baldachin-Serie den Design-Staatspreis.

Das Tüfteln an neuen Lösungen ist seins und interessiert ihn weit mehr als die Geschäfte: "Ich bin Innovator und kein Verkäufer." War er nie. Georg Bechter ist ein Kind des Bregenzerwaldes, und genau hierher gehört er auch. Die Menschen hier gelten als selbstbewusst, eigenwillig, manche würden sie sogar eigensinnig nennen. Wenn sie etwas machen, machen sie es "g'hörig", also ordentlich. Das gilt fürs gesamte Ländle, auf die Region zwischen Sulzberg im Norden und Schröcken im Süden trifft das ganz besonders zu. Bechters Lebenslauf weist ihn als typischen Bregenzerwälder aus. In Hittisau geboren und aufgewachsen, absolvierte er an der Imster HTL die Tischlerlehre und studierte an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart Architektur und Design. Dann ging er nach Wien, lehrte in Stuttgart und hatte irgendwann fix seinen 1.000er auf dem Konto. "Mein Plan war, so lange zu arbeiten, dass ich von dem leben kann, was ich machen will, und nicht umgekehrt."

Hängelampen mit starkem Lichtstrahl. Bregenzerwald
Hängelampen mit starkem Lichtstrahl.
Foto: Georg Bechter Licht

Das geht sich mittlerweile aus. Die Auftragsbücher sind voll. "Wir haben im ersten Quartal doppelt so viel Umsatz wie vor einem Jahr", sagt Bechter so, als wäre es ihm peinlich. "Es geht jetzt nicht so weiter, aber prinzipiell merken wir, dass sehr viel Vertrauen in den Markt kommt. Die Lichtplaner kommen, weil sie meine Produkte wollen."

Staatspreise für Design, Architektur und Nachhaltigkeit

Wer die Bechter-Lichter sehen will, braucht sich nur im Bregenzerwald umzuschauen. In jedem Hotel, das auf sich hält, wird man den Leuchten begegnen, zum Beispiel in der Fuchsegg Lodge in Schetteregg oder im Biohotel Schwanen in Bizau oder in Sulzberg im Baumhaus der Familie Baldauf, das nach Bechters Plänen entstanden ist.

Und nicht zuletzt in der eigenen Denk-Werkstatt in Hittisau, die früher der Kuhstall seines Vaters war und den Bechter zu Büro und Manufaktur umgebaut hat. 2021 hat er dafür einen weiteren Staatspreis bekommen, den für Architektur und Nachhaltigkeit.

Mit Dot 28 schafft Georg Bechter eine direkte Verbindung zwischen Lampe und Decke. Bregenzerwald
Mit Dot 28 schafft Georg Bechter eine direkte Verbindung zwischen Lampe und Decke.
Foto: Georg Bechter Licht

Letztere ist Grundkonzept: In der Verarbeitung kommen keine umweltschädlichen Klebstoffe zum Einsatz, alles wird verschraubt. Sämtliche Produkte im Sortiment sind reparaturfähig und recycelbar. Ausrangierte Leuchten aus dem System Dot werden zurückgekauft und wiederverwertet.

Handwerkstradition im Bregenzerwald

Mehr als 400 Handwerksbetriebe zählt der Bregenzerwald, auf 550 Quadratkilometer umgerechnet, ist das eine ziemlich einzigartige Dichte. Bechter erklärt das mit der Natur der Bewohner: "Es heißt, wenn du den Nachbarn leben lässt, dann kannst du selbst auch leben. Das finde ich weise." Soll heißen: Wir machen es selbst, wir machen es gut, und – ganz wichtig – wir machen uns nicht abhängig. Bechter selbst strebt auch nicht nach Größe. "Will ich 200 Leute haben? Was bringt es mir? Ich sehe kein Argument dafür." Den Bregenzerwälder Geist lebt der Lichtdesigner auch in der Preisgestaltung: "Viele haben empfohlen, den Preis zu verdoppeln. Das mach ich nicht. Ich will einen fairen Preis."

Die Muschelform von Crea erzeugt einzigartige Lichteffekte.
Die Muschelform von Crea erzeugt einzigartige Lichteffekte.
Foto: Georg Bechter Licht

Den Laden schupft er mit zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dass die zufrieden sind, ist ihm wichtig: "Ich will Arbeitsplätze schaffen, wo sich jeder wohlfühlt. Ich zahle gut, biete ein schönes Haus." Dort gibt es einen täglichen Mittagstisch, jeder und jede steuert einen Selbstbehalt bei, den Rest legt Bechter drauf: "Weil mir wichtig ist, dass die Leute gut essen." Einmal im Monat gibt es eine gemeinsame Aktivität: "Ich will einfach die besten Leute haben." Über Personalmangel kann er nicht klagen. Im Moment treibt ihn eher die Frage um, ob das bleibt: "Wie können wir uns die Freude am Entwickeln und am Kontakt mit der Kundschaft in einem so schönen Setting behalten?" Die Lösung ist einmal mehr ungewöhnlich und besteht im völligen Verzicht auf bezahlte Werbung. Wozu auch? Bechter will zuerst, "dass wir im Bregenzerwald supercoole Sachen machen und davon leben können". Möge es so bleiben. (RONDO, Doris Priesching, 16.10.2023)

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