Anna Heuberger beschäftigt sich seit langem mit Selbstgemachtem. Vor über zehn Jahren hat die Österreicherin ihr Hobby zum Beruf gemacht. Nun gibt sie in einem Buch Tipps zum Basteln von Geschenken. Wir haben mit ihr übers Basteln und Selbermachen gesprochen.

STANDARD: Warum kann es guttun, als erwachsener Mensch Dinge selbst zu machen?

Heuberger: Ich war in den vergangenen 20 Jahren beruflich und privat vor allem digital unterwegs. Mit Handarbeit und Handwerk analoge Dinge zu machen ist etwas ganz anderes und macht Spaß. Im letzten Jahr habe ich auf der Scheibe zu töpfern begonnen – für mich ist das kreative Gestalten eine Auszeit. Ich kann ein Projekt von A bis Z durchplanen und halte am Schluss ein fertiges Objekt in den Händen, das ich entweder behalte oder verschenke. Darüber hinaus hat man ein Erfolgserlebnis.

STANDARD: Machen die Teilnehmerinnen Ihrer DIY-Kurse ähnliche Erfahrungen?

Heuberger: Viele trauen sich nicht, selbst kreativ zu werden. Wir helfen dabei, wieder ein bisschen Kind sein zu können. Bei kreativen Menschen im Workshopleiterbereich beobachte ich eine Liebe zum Handwerk, einen wertschätzenden Umgang mit Handgemachtem wie Siebdruck, Buchbinden oder Papiergestaltung.

Anna Heuberger
Christoph Liebentritt

STANDARD: Warum haben Sie nie mit dem Basteln aufgehört?

Heuberger: Gute Frage. Beruflich mache ich das schon seit elf Jahren. Meine Zeit mit solchen Tätigkeiten zu verbringen ist ein bisschen ein Luxus – damit meine ich keinen Luxus à la Chanel. Mein Job sorgt aber immer wieder für Erstaunen. In Meetings mit Unternehmen werde ich häufig gefragt, ob ich das hauptberuflich mache. Dass das ein Job ist, verstehen nicht alle.

STANDARD: Wer kommt denn zu Ihnen?

Heuberger: Das Gros der Interessierten ist zwischen 25 und 45 Jahre alt, wir haben aber auch 16-Jährige oder Menschen über 70 bei uns. Überwiegend kommen Frauen, manchmal werden die Partner mitgenommen.

STANDARD: Die Geschlechterklischees werden noch gelebt?

Heuberger: Durchaus. Vor zehn Jahren habe ich DIY-Projekte mit Zement gemacht, damals kamen mehr Männer.

STANDARD: Was interessiert gerade besonders?

Heuberger: Dinge für zu Hause zu machen ist besonders angesagt. Advent- oder Trockenblumenkränze binden, Kerzen gießen – unabhängig von Weihnachten. Textilarbeiten wie Häkeln, Weben, Needle-Punching, Makramee sind auch beliebt.

STANDARD: Warum machen die Leute Dinge lieber selbst, als sie bei Ikea einzukaufen?

Heuberger: Das frage ich mich auch oft. Ich glaube, es ist mittlerweile ein Verständnis dafür da, wie Dinge hergestellt werden. Außerdem geht es um das Erlebnis, Dinge selbst zu machen. Wir haben auch Workshops als Webinar angeboten, das hat nicht so gut funktioniert wie unsere Events vor Ort. Die gemeinsam verbrachte kreative Zeit ist mehr wert, als ein Youtube-Video anzuschauen.

STANDARD: Auch die Selbermach-Trends wechseln. Welcher Hype der vergangenen Jahre ist schon wieder von gestern?

Heuberger: Es gab einen riesigen Hype um Kaligrafie, Lettering und Brush-Lettering. Das ebbt meiner Beobachtung nach ein bisschen ab. Wenn man sich Poster oder Werbung im Corporate-Bereich anschaut, sieht man, dass der Mainstream-Hype passé ist. Dafür wollen seit etwa zwei Jahren alle Keramik machen.

STANDARD: Warum machen sich jetzt alle die Finger schmutzig?

Heuberger: Töpfern macht Spaß – und man hinterlässt etwas: Eine Keramikvase bleibt im besten Fall für länger.

STANDARD: Beeinflussen Social Media die DIY-Szene?

Heuberger: Auf jeden Fall. Trends wie Makramee und Sticken sind so zu uns aus den USA herübergeschwappt – mit etwa vier Jahren Verspätung. In Australien gibt es eine DIY-Szene, in Italien oder Schweden auch. Früher war Pinterest besonders wichtig, für mich und meine Altersgruppe ist Instagram relevant. Viele coole Tiktok-Creators sind oft auch auf Instagram aktiv.

STANDARD: Ist Selbstgemachtes günstiger?

Heuberger: Wenn man versiert ist, bestimmt. Ein aus einer hochwertigen Wolle selbstgestrickter Pullover ist sicher günstiger als ein Designerpullover. In den Anfängen hingegen habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein Projekt teurer werden kann, weil viel Trial and Error dabei ist. Auf Social Media gibt es Reels, in denen Menschen bekennen, dass etwas Selbstgemachtes zehnmal so teuer war.

STANDARD: Es geht auch viel Zeit drauf!

Heuberger: Richtig, Zeit und Geld – dessen sollte man sich bewusst sein. Ich selbst habe hobbymäßig mit Keramik angefangen, 2019 meinen ersten Kurs belegt, Anfang 2022 folgten ein Intensivkurs und einige weitere Kurse. Etwa ein Jahr lang hat es gedauert, bis ich meine eigenen Sachen schön gefunden habe.

STANDARD: Alternativ kann man sich auf Youtube Hilfe suchen ...

Heuberger: Stimmt, es kommt sehr darauf an, wie man am besten lernt. Ich kann das sehr gut mit Bewegtbildern, Fotos zu einzelnen Arbeitsschritten können aber auch hilfreich sein.

STANDARD: So mancher glaubt, zwei linke Hände zu haben. Lässt sich handwerkliches Geschick erlernen?

Heuberger: Ja, man sollte allerdings geduldig sein und nicht nach zwei Stunden aufgeben. Man muss lieb zu sich selbst sein, sich vom Perfektionismus verabschieden. Workshop-Teilnehmerinnen frustriert manchmal, wenn wir Workshop-Leiterinnen Dinge besser können. Wir haben das einfach schon sehr oft gemacht.

STANDARD: Wie vermeide ich, dass das Selbermachen keine frustrierende Erfahrung wird?

Heuberger: Ich rate, mit etwas Einfachem zu beginnen. Und dann dieses öfter zu wiederholen, bevor ich mich an ein großes Projekt wage. Wenn ich stricken lernen will und mit einem Pullover starte, ist das vielleicht nicht so zielführend. Dann doch besser mit einem Stirnband beginnen. Oder bei der Keramik nicht gleich ein ganzes Geschirrset planen. Vielleicht werden aus den Häferln am Anfang Espressotassen. Man sollte sich Zeit lassen.

STANDARD: Klassiker, die man für Weihnachten oder Nikolo selbst machen kann?

Heuberger: Nikolosackerln lassen sich recht einfach selber nähen – zudem kann man sie immer wieder verwenden. Das finde ich gut. Alte Schuhschachteln mit Geschenkpapier überziehen, die zu den Geschenken passen. Baumschmuck ist ein nettes Gastgeschenk. Mit Filz bestickt oder mit Watte befüllt, kann man ihn auch als Geschenkanhänger verwenden. Eine Christbaumkugel, mit etwas Tafelfarbe angemalt, kann man als Tischkarte verwenden. Man muss nicht kompliziert denken. Oder Dinge in einer neuen Farbe ansprühen.

STANDARD: Ihr aufwendigstes DIY-Projekt?

Heuberger: Ein Obstkorb, der aus einem Keramikgitter besteht. Ich habe einige Tage gebaut daran, durch die Brennprozesse ist das recht aufwendig. Für die Hochzeit von Freunden habe ich als Deko Fächer, Wimpel, Pompoms gemacht. Planung, Organisation und Einkauf sollte man nicht unterschätzen und immer mit einrechnen. Zum Glück gibt es mittlerweile in Wien mehr Bastelbedarf als noch vor zehn Jahren.

STANDARD: Ist das wirklich immer eine gute Idee, Selbstgemachtes zu verschenken?

Heuberger: Es kommt immer darauf an, wem man schenkt. Mama oder Oma gefällt Selbstgemachtes sicher. Das ist zumindest meine Erfahrung. Egal ob Häferl, Papierblumen oder ein Trockenblumenkranz, das kam eigentlich immer gut an. Schwester oder Freundinnen sind möglicherweise kritischer. Grundsätzlich sollte man ein bisschen Selbstkritik ablegen und stolz auf das Selbstgemachte sein. Ich finde die Philosophie des Wabi-Sabi in diesem Zusammenhang ganz passend. Auch das vermeintlich Unvollkommene ist schön. (feld, 3.12.2023)

Anna Heuberger, "Das große DIY-Geschenke-Buch", 192 Seiten, Verlag Christophorus, € 31,50
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