Robert Comploj beim Blasen einer Glaskugel
Im 18. Bezirk fertigt Robert Comploj filigrane ­Christbaumkugeln aus Glas – mundgeblasen.
Heribert Corn

Was an seinem eigenen Christbaum hängt? Weiß Robert Comploj gar nicht so genau. "Viel vom Flohmarkt. Und ein paar meiner eigenen Kugeln sind sicher auch dabei." Comploj betreibt eine Glasbläserei im 18. Wiener Bezirk. Er fertigt Vasen, Gläser, Objekte – und die kunstvollsten Christbaumkugeln der Stadt. Vielleicht auch des Landes, denn Glasbläsereien wie seine gibt es kaum noch in Österreich.

Die Manufaktur liegt versteckt in einem Hinterhof. Vorne ein schlichter Verkaufsraum, dahinter – in einer hohen Halle mit Dachfenstern und Glasfront – die Werkstatt. Es riecht nach Sauna. Mittendrin steht Robert Comploj in Jeans und T-Shirt. Hinter ihm bullern zwei massive Öfen. Der eine zylindrisch, der zweite rund wie ein Ei. Darin wird, bei 1100 Grad, das Glas geschmolzen.

Trotz Konkurrenz durch industriell arbeitende Glasfabriken und gestiegener Kosten, die ihn mit seinen gasbeheizten, rund um die Uhr laufenden Öfen besonders treffen, gehen die Geschäfte gut. Er sei zufrieden, meint er bescheiden und fährt sich durch die verwuschelten Haare. Comploj lebt von Auftragsarbeiten. Die Weihnachtskugeln seien nur ein Sidebusiness, "eine Herzensangelegenheit".

Weihnachtskugel zum Sommerhit

"Österreich hat eine lange Glastradition", sagt er. Doch wie überall – Italien, Frankreich, Deutschland – haben auch hier viele Glashütten zugesperrt. Glas wird heute maschinell in großen Fabriken hergestellt. Günstig und schnell, aber auch seelenlos, austauschbar.

Im Studio Comploj lebt die Tradition weiter, in modernem Design. "Contemporary Glassblowers" nennen sie sich. Das Glashandwerk sei eher konventionell, meint der 41-Jährige. "Wir geben dem Ganzen einen zeitgenössischen Touch." Dass es hier alles andere als konventionell zugeht, merkt man schon von außen. Laute Musik dringt auf den Hof – "Calm Down", der Sommerhit 2023.

Innen sind Comploj und seine drei jungen Mitarbeitenden gerade dabei, einen Lampenschirm zu fertigen. Rotleuchtend, flüssiges Glas wird gegossen, geformt, mit schwerer Schere geschnitten. Schnelle, konzentrierte Handgriffe – angetrieben von der Musik. Erst als das Objekt im Abkühlschrank verstaut ist (bei "nur" 500 Grad, wie der Glaskünstler später erzählen wird), hat Comploj Zeit für Besuch. Zeit, um vorzuführen, wie aus der heißen Glassuppe filigrane Christbaumkugeln werden.

Einem mundgeblasene Christbaumkugel
Robert Comploj betreibt eine der letzten Glashütten des Landes.
Heribert Corn

Eine Herzensangelegenheit also. Vor allem die Vorweihnachtszeit mag Comploj, die Vorfreude. Den Stress um die Geschenke und den Konsumrausch eher weniger. "Früher wurde Weihnachtsschmuck über viele Jahre peu à peu gesammelt. Heute hauen manche ihre Sachen jedes Jahr weg, um sich im nächsten Neues zu kaufen." Seine Kugeln kosten 38 Euro aufwärts. Dafür sind sie zeitlos und halten – Schmück- und Baumunfälle ausgenommen – ein Leben lang.

Wie eine Kaugummiblase

Der stattliche Preis erklärt sich, wenn man Comploj bei der Herstellung zusieht. Er öffnet das kleine Türchen und taucht einen langen Metallstab in die tanzenden Flammen. Wie roter, dickflüssiger Honig klebt die flüssige Masse daran, die er nun flink in rosa Staub wendet (spezielle Glasfarbe, die so weltweit "nur noch von zwei, drei Produzenten" hergestellt wird). Dann bläst er vorsichtig hinein. Wie eine Kaugummiblase dehnt sich das Glas am anderen Ende des Stabes aus.

Um der Kugel ein Muster zu verpassen, bläst Comploj die Kugel kurz in eine Form. Nun muss der Stab wieder rasch in den Ofen, damit das Glas nicht zu kalt wird und springt. Dann wieder Blasen. Mit der Zange die Sollbruchstelle markieren. Ofen. Blasen. Sachte, denn sonst platzt die Kugel. Gleichzeitig darauf achten, den Stab immer zu drehen, damit es gleichmäßig rund wird und das Glas nicht runterfällt.

Zum Schluss setzt Comploj eine kleine Glasschlaufe auf die perfekt gerundete, mit Wabenmuster überzogene Kugel. Tradition und Moderne, auch hier: Ein Murano-Muster, uralt und traditionell, trifft auf moderne Farben und Formen. Wem das zu schlicht ist, der findet die Kugeln auch überzogen mit leichtem Glanz und Glitzerstaub. Und wer es "ein bisschen wilder" mag, der greift zu schwarzen oder blassweißen Kugeln, die wie eingedrückte Bälle aussehen. "Die werden freigeblasen und danach wieder zerstört", erklärt Comploj.

Zum Glas kam der gebürtige Tiroler durch Zufall. Nach seiner Tischlerlehre ging er zurück an die Schule, um seine Matura nachzuholen, entschied sich für den Designzweig, wo er das Glashandwerk kennen- und lieben lernte. "Mach was anderes", riet man ihm. "Das hat eh keine Zukunft." Comploj aber blieb beim Glas, einem Material, das ihn in seiner Wandelbarkeit bis heute fasziniert. Zehn Jahre bereiste er die Welt, besuchte Länder, in denen das Handwerk noch gefördert und gelehrt wird: Dänemark, Schweden, Italien, Australien, Amerika.

Christbaumkugel aus Glas
Robert Comploj kam durch Zufall zu den Kugeln, weil ’s trotz Stress "schon schee" ist, die Weihnachtszeit.
Heribert Corn

Er erlernte die alten Traditionen und entdeckte modernes Design. In seinem Studio Comploj, das er nach seiner Rückkehr gründete, verbindet er beides. Im Mai bezog er seine neue Werkstatt. Auch die entdeckte er durch Zufall. Eine alte Autowerkstatt im Hinterhof. "Das Gebäude war total runtergekommen", erzählt er. Heute ist es ein modernes, luftiges Studio – so schick, dass es von großen Modemarken für Events gebucht wird.

Aussterbendes Handwerk

Ein Großteil der Glaskugeln wird heute – wie auch die meisten Wein- und Trinkgläser – maschinell gefertigt. "Viele Leute fragen sich: Warum soll ich 50 Euro ausgeben, wenn ich das Glasl für zwei Euro bei Ikea bekomme?" Auch an den Schulen und Kunstuniversitäten gehe die Wertschätzung für das Handwerk zunehmend verloren. Zu anstrengend, zu energieintensiv. "Kommt bald eh alles aus dem 3D-Drucker", heißt es da.

Ja, der Beruf sei anstrengend, sagt Felix, der gerade mit einem Mitarbeiter den eiförmigen Ofen mit Quarzsand – Ausgangsstoff der Glasproduktion – nachgefüllt hat. Türchen auf, Schaufel rein, Türchen zu. Schnelle Bewegungen, damit ja keine Wärme entweicht. "Anstrengend, aber wunderschön."

Im ganzen deutschsprachigen Raum gebe es zwölf Ausbildungsplätze, erzählt der Niederösterreicher, der im bayerischen Zwiesel gelernt und vor kurzem im Studio Comploj angefangen hat. Auf die Frage, warum er sich den Beruf ausgesucht habe, antwortet er mit einer Gegenfrage: "Die ehrliche oder die kitschige Antwort?" Beide! "Weil ich ein Problem mit Aufmerksamkeit habe und das Glas mich dazu zwingt." Und, das ist die kitschige, "weil es ein wunderschönes Handwerk ist. In einem Moment ist das Material flüssig wie Honig, im nächsten hart wie Stein."

Mit seiner Begeisterung ist er nicht allein. In den Workshops, die Robert Comploj allmonatlich veranstaltet, finden sich immer mehr junge Leute. "Früher waren das vor allem pensionierte Architekten, 65 plus." Jetzt liege der Altersdurchschnitt bei 30. "Es gab vor ein paar Jahren mal eine Netflix-Show, wo es auch um Glasbläserei ging", erzählt Comploj. Auch die Videos, die er regelmäßig auf Instagram postet, tragen dazu bei. Man müsse "die Geschichte des Glases" erzählen. Ran an die Kunden. Ab dem 12. Dezember hat er erstmals einen Pop-up-Verkauf in der Herrengasse. Mit Christbaumkugeln, aber auch zeitlosen Glasobjekten. Wobei eigentlich die Kugeln zeitlos sind. Im Winter sind sie Christbaumschmuck. Den Rest des Jahres Designobjekt. "Ich hab Kunden", erzählt Comploj, "die hängen sie ganzjährig auf." (Verena Carola Mayer, 12.12.2023)