Nicki Minaj
Hinsichtlich der Lieblingsfarbe von Nicki Minaj besteht ein gewisser Grundverdacht.
Republic Records

Im Englischen steht der Name Pink für unser hiesiges Rosa. Der erst seit gut 50 Jahren auch im Deutschen umgehende Begriff Pink bedeutet bei uns aber, kurz gesagt: Rosa in viel zu hart. Pink fördert Augenkrebs! Während Rosa nach seiner großen Zeit als männliche Farbe während der europäischen Renaissance heute oft auch als Wandfarbe in Gefängnissen eingesetzt wird, um männliche Inhaftierte zu beruhigen, und in arabischen Gegenden immer noch als Farbe der Männlichkeit im Gegensatz zum weiblichen Blau Verwendung findet, gilt Pink seit ihrer Geburt 1959 speziell auch als Farbe von Barbie.

Pink steht nicht nur für Sanftheit, Reinheit, Unschuld, Niedlichkeit, Romantik und Weiblichkeit. Heute steht Pink auch für totale Fashion-Craziness, Geldverbrennen mit Platincard, ein kleines Influencerinnen-Chalet in Dubai, diverse nicht zu wenig, sondern eher zu viel auftragende körperliche Selbstoptimierungen – und eine ziemlich frontal ins Auge gehende Billigkeit. Ob man das nun feministisch deuten kann und mag, liegt im Auge der Betrachterin.

Rap mit alles

Die 41-jährige, aus Trinidad und Tobago stammende und im New Yorker Stadtteil Queens aufgewachsene US-amerikanische Rapperin Nicki Minaj ist im Rahmen ihrer vielen Verkleidungen und fiktionalen Bühnenpersönlichkeiten wie Harajuku Barbie, Tyrone, Chun Li oder Roman Zolanski, als die sie in ihrer kleinen Videoclipwelt auftritt, immer wieder auch auf ihren Spitznamen Black Barbie zurückgekommen. Nach Mixtapes wie Playtime Is Over startet 2010 mit ihrem Debütalbum Pink Friday eine veritable Weltkarriere.

Nicki Minaj

Der Siegeszug mit der Barbie-Farbe setzt sich später mit Pink Friday: Roman Reloaded oder The Pinkprint fort. Diverse im Genre übliche große Preise und einige Verkaufsrekorde in den Charts wie 14 erste Plätze unter den ersten zehn in der Biografie machen sie zur erfolgreichsten Rapperin der Geschichte. Das verdankt sich auch zeitlich geschickt platzierten Kollaborationen mit Eminem, Beyoncé oder Kanye West. Der gemeinsam mit Kanye West eingespielte Track Monster von dessen Album My Beautiful Dark Twisted Fantasy von 2010 zählt zu den Klassikern des Genres. Und man nimmt ihr dieses "motherfucking monster" auch tatsächlich ab.

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Das Markenzeichen von Nicki Minaj setzt sich nun auch auf ihrem ersten Album seit fünf Jahren fort. Nicki Minaj mag zwar auch auf The Pink Friday 2 in vielen Zungen sprechen. Immerhin extemporiert sie gern zwischen schmusiger R’n’B-Flauschigkeit und räudiger, vor allem gegenüber Rap-Kollegen und -Kolleginnen ziemlich biestiger Straßenbitchigkeit mitunter ein wenig quäkend und nasal. Musikalisch allerdings wird grundsätzlich einmal alles an die Wand geklatscht, was an plakativen Tiktok-Stilen derzeit gängig ist. Mal sehen, was von den 22 Stücken hängenbleibt.

Ihr Titelsong des aktuellen Barbie-Films von Greta Gerwig ist zwar vornehm nicht enthalten. Der gibt allerdings mit einem Sample des unsäglichen alten Eurodance-Songs Barbie Girl der dänischen Band Aqua von 1997 die Richtung vor. Und bist du nicht billig, so brauch ich Gehalt.

Nicki Minaj

Super Freaky Girls etwa basiert auf dem totgespielten Sample des Riffs Super Freak von Funkgott Rick James von 1981. Ältere Menschen erinnern sich mit Schrecken an die Deutung des Stücks in U Can’t Touch This von MC Hammer aus dem Jahr 1990. Andere Songs basieren etwa auf When the Part’s Over von Billie Eilish, Heart of Glass von Blondie oder Girls Just Wanna Have Fun von Cyndie Lauper. Das soll wohl ihre Erfolgsbilanz mit kolportierten 147 Millionen verkauften Tonträgern, 114 Platzierungen in diversen Hitparaden und einem geschätzten Privatvermögen von 150 Millionen US-Dollar weiterhin ohne großes Risiko gewährleisten.

Rap, R’n’B, schrille Electronic Body Music mit Schielen Richtung Eurodance, gut abgehangener Pop für die Ü50-Disco, ein Schuss Country noch dazu: Kommen Sie und kaufen Sie. Inhaltlich geht es neben dem Loblied auf die eigene Größe und Einzigartigkeit auch um die kulturelle "Heritage" ihrer Herkunft in der Karibik, immergrünen Sex in Abzählreime verpackt sowie ein wenig Wickel mit der Konkurrenz. Dem diesbezüglichen "Beef" fehlt allerdings ein wenig das Fleisch.

Mehr Bling-Bling

Diesem beliebigen Konzept eines musikalischen Megastores fehlt 2023 leider das Alleinstellungsmerkmal. Wenngleich natürlich hier im Gegensatz zu einer deutschen Entsprechung wie Shirin David von diversen US-Zuarbeitern wie Drake, Future, Lil Wayne oder Lil Uzi Vert entschieden mehr Bling-Bling zugesprochen wird.

Dazu hat Nicki Minaj mit der Social-Media- und Videoclip-Traumstadt "Gag City" einen Albtraum in Pink geschaffen, der sich auf dem Cover von Pink Friday 2 für immer in die Augen brennt. (Christian Schachinger, 15.12.2023)