Altes Foto in vergilbtem Fotoalbum
Alte Fotoalben sind oft der Ausgangspunkt für eine weite Reise in die Vergangenheit der eigenen Familie.
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Zu Weihnachten werden wir gerne nostalgisch. Blättern in Fotoalben, schwelgen in Erinnerungen – wie es war, als die Oma noch lebte. Und irgendwann stellen sich viele die Frage: Wer war da eigentlich noch, vor der Oma? Wer waren meine Ururgroßeltern? Wo kamen sie her? Welchem Beruf sind sie nachgegangen? Fragen, auf die es im Regelfall Antworten gibt – wenn man weiß, wo man nachschaut. Wir bieten Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Quellen für die Recherche zu Ihren Vorfahren in Österreich und Deutschland.

Der Dachboden und das Monster Kurrent

Das Gute liegt oft sehr nah. Wer bislang um verstaubte Schränke und Truhen einen großen Bogen gemacht hat, sollte jetzt damit anfangen. Zwischen Gmundner Keramik und altem Weihnachtsschmuck verbergen sich oft wahre Schätze: von Fotos und Postkarten über Zeugnisse, Heiratsurkunden und Kaufverträgen bis hin zu ganzen Tagebüchern.

Vermutlich stoßen Sie bereits auf einen der großen Angstgegner der Ahnenforschung, wenn sie in alten Briefen zu lesen beginnen: Der Kurrentschrift, die einem gerne mal ein n für ein e vormacht. Transkriptionstabellen oder KI-Anwendungen wie Transkribus können helfen. Es lohnt sich jedenfalls, dranzubleiben.

Die Schätze der Kirchen

Denn Kurrent, ab dem 16. und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die prägende Schreibschrift im deutschsprachigen Raum, wird ihnen bald wieder begegnen. Zum Einstieg in die systematische Recherche nach einem Stammbaum sind Matrikenverzeichnisse eine wahre Goldgrube: Das sind die Bücher, in denen Pfarrgemeinden über Jahrhunderte hinweg Geburten, Eheschließungen und Todesfälle verzeichnet haben.

Wer also zum Beispiel Namen, Geburtsdatum und Geburtsort einer Urgroßmutter weiß, kann ihren Taufeintrag nachschlagen und bekommt Informationen über ihre Eltern, über Taufpaten, oft auch über die Hebamme. In vielen Fällen wurden nachträglich Eheschließungen und das Todesdatum der Person ergänzt. Von hier aus lässt sich über die Daten der Eltern des Neugeborenen immer weiter und immer verzweigter in der Geschichte zurückgehen.

Das internationale Projekt Matricula verzeichnet online verfügbare Bestände von Matriken in Österreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern. In Österreich sind die römisch-katholischen Pfarren mit Ausnahme des Burgenlands vollständig erschlossen. Dazu gibt es viele Verzeichnisse aus evangelischen Gemeinden und die zweier griechisch orthodoxer Gemeinden aus Wien. Wo es keine online verfügbaren digitalen Bestände gibt, lohnt es sich, in den jeweiligen Diözesanarchiven nachzufragen. Selbiges gilt auch für die Israelitische Kultusgemeinde Wien, in deren Archiv vor Ort in digitalen Beständen recherchiert werden kann.

Taufbuch Marktl mit Eintrag zu Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.)
Taufbücher sind für genealogische Recherchen unersätzlich. Das Bild zeigt in Zeile sieben den Eintrag zu Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI.
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Wichtig zu beachten ist bei allen Archivrecherchen: Personenbezogene Daten unterliegen einer Sperrfrist. In Österreich beläuft sich diese bei Taufbüchern auf 100 Jahre. Bei Trauungsbüchern sind es 75, bei Sterbebüchern 30 Jahre. Trotzdem sind letztere in den Kirchenmatriken nur bis 1938 verfügbar. Danach änderte sich die Zuständigkeit der Buchführung – sie wanderte zu den Standesämtern.

In Stadt und Land

Um die Eckdaten einer Person mit Leben zu füllen, empfiehlt es sich, in Landes-, Stadt- oder Gemeindearchiven Anfragen zu stellen, ob dort Dokumente zu einer gesuchten Person vorliegen. Ein Stapel Meldezettel gibt Auskunft darüber, wie oft ihre Urgroßmutter ihren Wohnort wechselte und wohin. Ob sich die Staatsanwaltschaft wegen eines Delikts für Ihren Urgroßonkel interessierte könnte auch für Sie interessant sein. An welches Archiv Sie sich wenden, hängt sehr davon ab, in welcher Region Sie suchen. Die Bestände vieler Gemeinden sind mittlerweile in Landesarchive gewandert. Vor allem größere Städte haben hingegen eigene Stadtarchive.

Nicht immer ist die Rechercheanfrage kostenfrei. In Oberösterreich etwa kostet eine beauftragte Recherche pro halber Stunde 27 Euro, in Wien 35 Euro, im Grazer Stadtarchiv ist die erste halbe Stunde kostenfrei. Aber keine Angst vor der Kostenexplosion: Im Regelfall bekommen Sie eine Rückfrage, bevor Archivmitarbeitende eine aufwendige Recherche fortsetzen.

Anno dazumal: Recherche in digitalen Zeitungsarchiven

War ihre Urgroßtante eine Berühmtheit? Nein? Vielleicht wissen Sie es aber auch nur noch nicht. Es zahlt sich jedenfalls aus, alte Zeitungen nach ihr oder anderen Verwandten zu durchforsten. Dazu müssen Sie nicht tausende vergilbte Seiten studieren. Es genügt eine Volltextsuchein der Sammlung historischer Zeitungen und Zeitschriften der Österreichischen Nationalbibliothek (Anno). Das Gute: Ihre Urgroßtante muss keine Opernsängerin gewesen sein, um hier zu erscheinen. Anno verzeichnet unzählige regionale und lokale Blätter, die von der spektakulären Hochzeit über den Ausflug des Seniorenvereins bis hin zur Wirtshausschlägerei über alles berichteten – meist unter Verwendung der vollen Namen der Betroffenen.

Großvater und der Krieg

Der Verlauf des 20. Jahrhunderts bringt es mit sich, dass die meisten Biografien unserer Vorfahren in irgendeiner Form von den beiden Weltkriegen geprägt waren. Die Frage: "Großvater, was hast du eigentlich im Krieg gemacht?", ist dabei eine, die vielen am Herzen lag, die sie vielleicht aber nie stellten – oder nie beantwortet bekamen – bis es zu spät dafür war. Trotzdem können Sie ihr noch heute auf den Grund gehen. Der Start dafür ist eine Anfrage beim Deutschen Bundesarchiv, das die personenbezogenen Unterlagen von Angehörigen der Wehrmacht verwahrt.

Wer einen Benutzungsantrag, ein Rechercheansuchen und ein paar Wochen bis Monate an Zeit mitbringt, bekommt dann im Regelfall eine chronologische Liste der Wehrmachtseinheiten, in denen eine Person gekämpft hat. Im Regelfall: Denn manche Unterlagen wurden zerstört, gingen verloren oder sind so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie aktuell nicht einmal von den Mitarbeitenden des Archivs verwendet werden dürfen.

Wann sich die gesuchte Person mit der jeweiligen Einheit wo genau aufgehalten hat, lässt sich dann mit dem digital frei verfügbaren Verzeichnis "Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS 1939 – 1945" rekonstruieren. Ergänzt wird das Standard-Nachschlagewerk durch das Open-Source-Projekt "Lexikon der Wehrmacht". Wer es noch genauer wissen will, kann – sofern noch vorhanden und digitalisiert – die Unterlagen der betreffenden Einheiten studieren, um ein Bild davon zu bekommen, worin deren Aufgabe bestand und wo sie eingesetzt waren. Quellensammlungen gibt es dazu wieder beim Deutschen Bundesarchiv oder beim Deutsch-Russischen Projekt zur Digitalisierung deutscher Dokumente in Archiven der Russischen Föderation.

In den NS-Gauakten im Österreichischen Staatsarchiv finden sich wiederum Unterlagen zu einer möglichen Mitgliedschaft in der NSDAP, möglicherweise auch Akten, die auf eine politische Gegnerschaft zum Nationalsozialismus hinweisen. NS-Registrierungsakten - das sind Akten über die Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg - finden Sie in den jeweiligen Stadt- oder Landesarchiven. Die Seite "ns-quellen.at" hilft, den Überblick zu bewahren.

Auf Suche mit dem Roten Kreuz

Wenn Sie wissen, dass Ihr Verwandter im Weltkrieg in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, können Sie die Details dazu über das Rote Kreuz recherchieren. Denn der sowjetische Inlandsgeheimdienst NKWD legte zu jedem Kriegsgefangenen eine Akte an, die Angaben zu Ort und Zeit der Gefangennahme und Gefangenschaft, Kerninformationen zur Biografie des Gefangenen, aber auch Details bis hin zum Beruf des Vaters seiner Frau beinhaltete. Diese Dokumente liegen in einem Moskauer Archiv, sind digitalisiert und können beim Suchdienst des Roten Kreuz beantragt werden.

Sollten Sie sich bis hierhin mit der Kurrentschrift angefreundet haben, bekommen Sie es jetzt mit der nächsten Herausforderung zu tun: Nämlich das russische Dokument in kyrillischer Handschrift zu transkribieren und zu übersetzen – oder jemanden damit zu beauftragen, denn die sowjetische Geheimdienstbeamten schrieben nicht immer besonders leserinnenfreundlich.

Der Suchdienst des Roten Kreuzes hilft übrigens auch bei der Klärung von unbekannten Schicksalen während des Zweiten Weltkriegs, der Ungarnkrise 1956 oder der Balkankriege in den 1990ern.

Das Wichtigste: Geduld

Ist einer Ihrer Vorfahren im Krieg gefallen ist, sind Sie sich aber nicht sicher, wo genau, oder wo er begraben liegt? Dann können Sie eine Suchanfrage bei der Kriegsgräberfürsorge des Deutschen Volksbunds stellen, der 5,4 Millionen Kriegstote und Vermisste erfasst hat.

Das Wichtigste bei der Ahnenforschung werden Sie aber nicht im Internet finden: Es ist Geduld. Auf Antworten aus den verschiedenen Archiven warten Sie gerne mal mehrere Monate. Manche Dokumente sind schwer oder gar nicht zu entziffern. Und gerade in den Wehrmachtsunterlagen gleicht die Suche nach der richtigen Einheit der nach einer Nadel im Heuhaufen. Aber Sie werden sehen: Es zahlt sich aus. (Michael Windisch, 25.12.2023)