Wenn Christina Hirschl begeistert über Quantensensoren und verschränkte Photonen spricht, blitzt die promovierte Physikerin in ihr auf. Um unsere Umgebung noch genauer, schneller und sicherer messen zu können, gehe es darum, die physikalischen Limits auszureizen und gar zu überschreiten, erklärt die Geschäftsführerin des außeruniversitären Forschungszentrums Silicon Austria Labs (SAL) mit Standorten in Graz, Villach und Linz.

Christina Hirschl Silicon Austria Labs
Christina Hirschl leitet das außeruniversitäre Forschungszentrum Silicon Austria Labs seit Juni 2023.
©helgebauer

Quantengyroskope könnten dafür sorgen, dass zur Erdvermessung nur mehr einer statt aktuell zwei Satelliten notwendig sind. Und bei selbstfahrenden Autos könnte ein dreidimensionaler Laserscanner (Lidar) mit Quantentechnologie Hindernisse wie Fußgänger künftig doppelt so schnell erkennen.

Mit Sensoren kennt sich Hirschl schon allein aufgrund ihres Lebenslaufs bestens aus. Nach ihrer Promotion an der Universität Wien über Computersimulationen zu chaotischen Eigenschaften von Flüssigkeiten forschte sie für das Weltraumunternehmen Beyond Gravity. Vor ihrer Ernennung zur Geschäftsführerin im Juni 2023 war sie bei SAL und der Vorgängereinrichtung Carinthian Tech Research für die Bereiche Smart Systems und Sensor Systems verantwortlich. Die industrienahe Forschung hat es der Kärntnerin also von Beginn ihrer Karriere an angetan.

Sinnesorgane der Technik

"Wir alle wissen, dass elektronische Systeme die Zukunft sind und überall im täglichen Leben vorkommen. Sensoren wiederum sind die Sinnesorgane der Technik. Um ein Feedback erzeugen zu können, muss ständig gemessen werden", erklärt Hirschl im STANDARD-Interview. Bei der Vision, die menschlichen Sinnesorgane nachzubilden, habe man in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon große Fortschritte gemacht. Bis das "Sehen", "Hören", "Riechen", "Schmecken" und "Tasten" so zuverlässig funktioniert, dass komplexe Aufgaben wie etwa das Autofahren sicher automatisiert werden können, sind aber noch viele Hürden zu nehmen.

Neben der Miniaturisierung, die in den vergangenen Jahren in sämtlichen Elektronikgeräten von Smartphones bis Smartwatches praktisch live mitverfolgt werden konnte, geht es aber auch um das Zusammenspiel der mittlerweile zahllosen Sensoren. Denn um wirklich von ihren Fähigkeiten zu profitieren, etwa in der viel beschworenen intelligenten Stadt der Zukunft, müssen sie vernetzt sein und Daten austauschen. Doch sie dürfen sich dabei nicht stören oder beeinflussen. In vielen Situationen wie etwa bei Gesundheitsdaten müssen zudem Privatsphäre und Sicherheit gewahrt bleiben. Dass ein Sensor ungehindert Daten des Nachbarsensors ausliest, muss in solchen Anwendungsfällen verhindert werden.

Selbstfahrendes Auto
Selbstfahrende Autos sind immer noch nicht perfekt beim Erkennen von Hindernissen.
AFP/JOSH EDELSON

Um im Bereich der Mikroelektronik weltweit zu reüssieren, kann das 2018 gegründete SAL, zu dessen Gesellschaftern unter anderem das Klimaschutzministerium, der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) sowie die Länder Kärnten, Steiermark und Oberösterreich zählen, nicht nur auf die 320 Beschäftigten aus über 40 Nationen bauen. Zuletzt konnte die Forschungseinrichtung auch die Eröffnung des größten Forschungsreinraums Österreichs feiern, mit dem man zu einer der vier größten europäischen Institutionen für Mikroelektronik aufsteigen will.

Am Standort in Villach können seit Oktober auf 1100 Quadratmetern Prototyp- und Kleinserien für Mikro- und Nanoelektronik produziert werden. Bis zu 25 Wafer – Siliziumscheiben, auf denen Strukturen wie eben Sensoren aufgebracht sind – können gleichzeitig produziert werden.

Wie stark die Miniaturisierung bereits fortgeschritten ist, zeigt sich daran, dass auf der Siliziumoberfläche mit 200 Millimeter Durchmesser etwa 500 Sensoren Platz haben. Ein feuchtigkeits- und temperaturstabiler Reinraum, der frei von Fremdpartikeln sein muss, ist für die Herstellung derartiger Elektronikelemente unerlässlich. Neben der eigenen Erforschung neuer Materialien und Prototypen wird der Reinraum auch Industriepartnern zur Verfügung gestellt, quasi als Schnittstelle zwischen Forschungsentwicklung und Serienfertigung.

Nachhaltige Elektronik

Doch nicht immer geht es um reine Hardwarelösungen. Moderne Sensorsysteme sind auch von entsprechender Software abhängig. Diese kann im besten Fall dafür sorgen, dass auch Hardware eingespart werden kann. "Wenn ich aus zwei Sensoren einen dritten berechnen kann und diesen nicht mehr brauche, hilft das, Kosten, Platz, aber auch Energie zu sparen – sowohl in der Herstellung als auch im Betrieb", erklärt Hirschl. Künstliche Intelligenz und maschinenbasiertes Lernen sollen auf diesem Weg helfen.

Mikroelektronik
Sensoren sind die "Sinnesorgane der Technik".
SAL/Katharina Dobernig

Das Thema Nachhaltigkeit vom Ressourcen- bis zum Energieverbrauch spiele gerade in der Mikroelektronik mittlerweile eine essenzielle Rolle und treibe viele an, die den außeruniversitären Forschungsweg beschritten haben. "Die Elektronik, die wir entwickeln, ist sehr energieeffizient und klein, wir wissen aber, dass wir in Zukunft noch viel mehr Sensoren brauchen und produzieren werden."

Hier den Balanceakt zu schaffen und auch dem leider noch verbreiteten Trend zur Wegwerfgesellschaft entgegenzuwirken, bleibe die große Herausforderung. "Ein grünes Mascherle reicht jedenfalls nicht", ist Hirschl überzeugt. Diese Erkenntnis dürfte in der Industrie bei vielen aber schon aufgrund wirtschaftlicher Faktoren wie hohen Material- und Energiekosten angekommen sein. Das österreichische Forschungszentrum will dazu jedenfalls seinen Teil beitragen, um das digitale Zeitalter in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. (Martin Stepanek, 29.12.2023)