Die Numismatik besitzt ja nun nicht gerade den größten Sexappeal unter den historischen Wissenschaften. Auch wenn dem Sammeln alter Münzen vielleicht ein etwas angestaubter Charme anhaften mag, hinter vielen der Geldstücke stecken unvermutete Geschichten und Rätsel, die Einblicke in eine turbulente Vergangenheit gewähren.

Eine solche reichlich ominöse Münze tauchte vor einigen Jahren in der Sammlung der Päpstlichen Katholischen Universität von Peru (PUCP) in Lima auf. Die genaue Provenienz des einzigartigen peruanischen Zehn-Cent-Stücks, eines sogenannten Dinero, ist nicht ganz klar. Fest steht nur, dass es irgendwann zwischen 2014 und 2018 von lokalen Händlern angekauft worden war, zusammen mit rund 400 anderen Silbermünzen aus der Zeit von 1863 bis 1917.

Münze, Dinero 1899
Vorder- und Rückseite der peruanischen Zehn-Cent-Münze aus dem Jahr 1899. Der Dinero ist ein Kuriosum, denn in diesem Jahr wurde von der Münze in Lima kein Geldstück mit diesem Nennwert herausgebracht.
Foto: PUCP/Luis Ortega

"Unmögliches" Geldstück

Zunächst fiel die Münze also nicht weiter auf. Aufmerksam wurde man auf das Geldstück erst, als eine Gruppe von Studenten des Fachbereichs Chemie die Münzen für eine Abschlussarbeit näher untersuchen sollten. Das Merkwürdige an ihr war das Jahr ihrer Prägung: 1899 stand dort – und das war ein Problem, denn laut offiziellen Aufzeichnungen wurden in diesem Jahr in Peru überhaupt keine Münzen dieses Nennwerts geprägt. Genau genommen dürfte diese Münze gar nicht existieren.

In der Literatur war der 1899er-Dinero erstmals in einem Katalog aus dem Jahr 1978 aufgetaucht. Auch in zwei anderen, etwas jüngeren Verzeichnissen der Bibliothek der Numismatischen Gesellschaft von Peru fanden sich Hinweise auf diese Silbermünze – jeweils begleitet von dem Vermerk "Fälschung".

Freiheitsgöttin und Landswappen

Eine Falschmünze also – doch damit alleine wollten sich Luis Ortega und seine Kollegin Fabiola Bravo-Hualpa von der PUCP nicht zufrieden geben. Die Forschenden versuchten mehr über die Münze herauszufinden, gerieten dabei jedoch zunächst nur in Sackgassen: "Niemand war in der Lage, weitere Informationen darüber zu liefern", so Ortega. Daher wandten sich die beiden Chemiker dem Material der Münze zu. Verriet ihre Zusammensetzung vielleicht etwas über ihren rätselhaften Hintergrund?

Bei oberflächlicher Betrachtung glich der 1899er-Dinero in praktisch allen Details anderen Dineros dieser Ära. Die silberfarbene Münze ist mit einem Durchmesser von 17,95 Millimeter etwa so groß wie ein modernes US-amerikanisches Zehn-Cent-Stück. Zum Vergleich: Eine europäische Zehn-Cent-Münze hat einen Durchmesser von 19,75 Millimeter. Auf einer Seite zeigt der 1899er-Dinero eine sitzende Frau, die die Freiheitsgöttin darstellt, die andere Seite ziert das peruanische Wappen.

Verräterische Zusammensetzung

Nichts deutete also auf den ersten Blick auf eine Fälschung hin, auch wenn ihr Prägejahr wohl keinen anderen Schluss zulässt. Erst als Ortega und Bravo-Hualpa die 1899er-Münze mit Röntgenstrahlen beschossen, offenbarte sich die Täuschung. Die im Fachjournal "Heritage Science" veröffentlichten Materialanalysen zeigten, dass der Dinero zum größten Teil aus Kupfer, Zink und Nickel besteht, eine Legierung, die auch als Neusilber bekannt ist und häufig bei der Herstellung von Essbesteck, Ziergegenständen und beim Instrumentenbau verwendet wird. Im Unterschied dazu bestehen echte Dineros, die in dieser Zeit von der Münzanstalt in Lima geprägt wurden, zu rund 90 Prozent aus Silber.

Und noch etwas konnten die Forschenden feststellen: Der Dinero von 1899 wies Spuren von Eisen, Kobalt und Blei auf, Verunreinigungen, die charakteristisch sind für ältere Legierungen. Damit konnten Ortega und Bravo-Hualpa nachweisen, dass die Münze vor langer Zeit gefälscht wurden. Aufgrund der offensichtlichen Abnützungsspuren gehen die Forschenden davon aus, dass sie tatsächlich kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert hergestellt wurde, vermutlich aber nicht in Peru.

Münzen, Dinero, Peru
Der 1899er-Dinero (links) im Vergleich zu echten peruanischen Zehn-Cent-Stücken aus dieser Zeit.
Fotos: PUCP/ Luis Ortega/ Fabiola Bravo-Hualpa

Unwissende Fälscher

"Da Neusilber zu dieser Zeit in Peru für Münzen nicht verbreitet war, ist es wahrscheinlich, dass der 1899er-Dinero im Ausland entstand", meinte Ortega. "All das spricht dafür, dass die Fälscher nichts davon wussten, dass im Jahr 1899 in Peru offiziell gar keine Dineros geprägt wurden."

Diese Ergebnisse würden freilich sehr gut ins Bild passen, so Ortega: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Münzen mit vergleichsweise geringem Wert in Peru sehr willkommen. Die Wirtschaft des Landes lag in Folgen des Pazifikkriegs am Boden. Während die peruanische Regierung sich damals darauf konzentrierte, Banknoten mit größerem Nennwert zu drucken, um internationale Kredite zu tilgen, ging die Produktion von Silbermünzen mit geringem Nennwert drastisch zurück – eine Entwicklung, die besonders die breite Masse des Landes traf.

Aufschlussreicher Irrtum

Das ging so weit, dass die Menschen in Peru damit begannen, Münzen aus den Nachbarländern zu verwenden. Manche halbierten sogar die existierenden peruanischen Kleinmünzen, um kleine Transaktionen durchzuführen zu können. "Für Fälscher waren das hervorragende Bedingungen, denn Münzen mit geringerem Wert wurden in der Bevölkerung dringend benötigt", sagte Ortega. Als die Falschmünzer jedoch einen Dinero mit dem Prägejahr 1899 herausbrachten, unterlief ihnen ein erheblicher Schnitzer, denn die Fälschung dürfte damals durchaus aufgefallen sein.

Für die moderne Geschichtswissenschaft ist ein solcher Irrtum allerdings eine aufschlussreiche Informationsquelle über die wirtschaftliche und politische Situation der damaligen Zeit – ein regelrechter numismatischer Glücksfall. Ortega und Bravo-Hualpa haben ihre Untersuchungen der vermeintlichen Zehn-Cent-Münze aus dem Jahr 1899 freilich noch lange nicht abgeschlossen. Das Team plant als Nächstes ein Treffen mit einem in Lima ansässigen Sammler, der eine große Menge an Münzen aus der Zeit zwischen den 1830er- und 1960er-Jahren zusammengetragen hat. Die Sammlung soll einen weiteren Dinero von 1899 enthalten, heißt es. (Thomas Bergmayr, 9.1.2024)