Signa, Versteigerung, Aurena
Als eine Art Sinnbild für die Arbeit der Signa versteht dieser junge Mann seine Beute auf der Wiener Freyung: zwei Papierkörbe.
Michael Hausenblas

Wiens erster Bezirk erwacht allmählich. Die letzten Lieferwagen verschwinden, die Frequenz an Menschen auf ihrem Weg ins Büro, in ein Geschäft oder sonst wohin steigt. Auf der Freyung, gleich neben der Zentrale der Signa, weisen zwei mäßig gelungene Plakate den Weg zur Abholstätte für die ersteigerten Objekte aus der Signa Holding. Wie es schon seit längerem durch die Medien geistert, wurden unter anderem Signa-Monopolys, Besprechungstische, Fußmatten und sogar Klobürsten feilgeboten. Für eine Signa-Fußmatte seien gar 1.600 Euro geboten worden. Was René Benko persönlich benutzte, dürfte im Dunklen bleiben.

Zwei Sicherheitsmänner des Online-Auktionshauses Aurena fragen beim Eingang freundlich nach einem Ausweis, Nichtbieter und -bieterinnen müssen leider draußen bleiben. Eine vor Ort anwesende Dame des Unternehmens entschuldigt sich dafür.

Signa, Versteigerung, Aurena
Das Entrée zur Abholung der ersteigerten Gegenstände gleich beim Palais Ferstel am Mittwochmorgen.
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Mit dem Draußenbleiben ist man nicht alleine, auch einige Kamerateams harren der Dinge und halten Ausschau nach erfolgreichen Schnäppchenjägern. Doch die lassen auf sich warten. Einzig und allein ein paar Speditionswagen versprechen Hoffnung, dass hier auch tatsächlich etwas in die Gänge kommt. Gestartet hat die erste von mehreren Abholungsaktionen um acht Uhr. Genannte Dame von Aurena rechnet mit 100 Abholungen für diesen Tag.

Nach einer guten halben Stunde tröpfeln erste Kundschaften aus dem Durchgang. Die Journalistenteams haben sich wie Flipperkugeln in Stellung gebracht.

Auskunftsfreude

Ein älterer Herr, dem äußerst wenig Auskunftsfreude anzusehen ist, stöhnt unter der Last zweier großer Einkaufstaschen. Reckt man den Hals, kann man etwas erspähen, das nach einem Haufen schwarzer Aktenmappen aussieht. Aus der anderen Tasche lugt eine Louis Vuitton heraus. Eilig macht er sich aus dem Staub.

Es geht auch anders: Zwei junge Männer, der eine studiert Jus, der andere lernt auf der Wirtschaftsuniversität, grinsen schelmisch und geben bereitwillig Auskunft über ihre Beute. Es handelt sich um eine Leuchte namens Tolomeo aus dem Hause Artemide, ein echter Designklassiker. 180 Euro haben sie dafür berappt. Viel haben sie sich im Vergleich zum regulären Preis damit nicht erspart.

Signa, Versteigerung, Aurena
Aus Spaß haben diese beiden Studenten eine Designerleuchte aus den Signa-Räumlichkeiten ergattert.
Michael Hausenblas

Wie es zu ihrem Onlinebummel kam? "Wir hatten nach einer Prüfungsphase ein bisschen Langeweile, also steigerten wir halt mit. Es war unser einziges Gebot", sagt einer der jungen Männer. Wie wichtig es sei, dass der Geist von Signa bei der Leuchte mitschwingt? "Sagen wir es so: Wir sehen es als Spaß mit einem Schuss Nostalgie in Sachen österreichischer Pleitegeschichte." Dann erkundigt sich der Mann mit Krawatte nach einer Idee, wo man das fesche Teil zu Hause aufstellen solle. Nun, es wird sich bestimmt ein Plätzchen finden. Zum Abschied bitten sie um ein Foto vor dem verschlossenen Portal der Signa-Zentrale ein paar Meter weiter im Palais Harrach. Aber gerne. So viel Auskunftsfreude muss belohnt werden.

Benko fürs Büro

Als Nächstes verlässt ein Mann mit Bart das Areal. Auch er möchte namentlich nicht genannt werden. Wie einen Bauchladen trägt er mehrere gewölbte Platten in seinen Armen vor sich her und hält eine davon in die Kamera. "Das sind Akustikpaneele, die ich für die Kanzlei eines Freundes in Frankfurt abhole. Dieser meinte, das wäre ein Stück Benko fürs Büro", sagt er und schießt nach: "Das könnten Sie doch gleich als Überschrift für Ihren Artikel nehmen." Es gibt schlechtere Ideen.

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"Ein Benko fürs Büro", meint dieser Abholer von Akustikpaneelen, die nach Frankfurt weiterreisen werden.
Michael Hausenblas

Die Frauenquote wird bislang verschmäht. Im Hintergrund tackert ein weiterer Mann mit einem Bürorollwagen übers Pflaster, während zwei andere mit errötetem Kopf ein blaues Sofa in Richtung Lieferwagen schleppen. Volée übernimmt man den Herrn mit Rollwagen von einem Kamerateam, das weiterzieht. Er hat das Stück für seinen Bruder in Empfang genommen. Dessen Kaufentscheid interpretiert der Abholer eher rational bedingt, handle es sich doch um ein gut gemachtes Objekt des Möbelherstellers Vitra.

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Für seinen Bruder nahm dieser Mann einen Rollwagen fürs Büro in Empfang. Der Kaufentscheid sei durchaus ein rationaler gewesen.
Michael Hausenblas

Highlight ist schließlich ein Jüngling, der zwei Papierkörbe in Händen hält und diese stolz in die Kamera hält. "Ich sehe die Sache als Gag, als Gaudi. Gewissermaßen stehen die Kübel auch als Sinnbild für die Arbeit der Signa." Am lustigsten sei, dass die Dinger noch nicht einmal geleert worden seien, sagt er weiter und zeigt schmunzelnd auf ein paar Papierknäuel am Boden der Körbe. Schnäppchen waren diese übrigens mitnichten. 99 Euro und zwölf Cent habe er dafür hingeblättert, dabei sei der Ausrufungspreis bei lediglich 30 Euro gelegen. "Plötzlich, gegen Ende der Frist, entstand ein Bieterkampf, den ich für mich entscheiden wollte", sagt er und macht sich von dannen.

Auch wenn Mitleid fehl am Platz ist, hat die Szenerie, dieses Fleddern hier auf der Freyung, etwas Armseliges. Bei aller Hetz, die manche dabei haben. Wenigstens ist die ganze Sache nachhaltig. Ach ja, mit dem Chrysler Building unterm Arm tauchte leider niemand auf. Aber das kann ja noch kommen. (Michael Hausenblas, 24.1.2024)