Die Saalausstattung im Bezirksgericht Döbling ist deutlich luxuriöser als jene im Landesgericht für Strafsachen Wien. Dafür sind die Verhandlungen mitunter turbulenter.
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Wien – Leserinnen und Leser außerhalb der österreichischen Bundeshauptstadt sind möglicherweise nicht so bewandert hinsichtlich des Images der einzelnen Bezirke Wiens. Daher sei vorausgeschickt, dass man landläufig davon ausgeht, dass der sozioökonomische Status der Einwohnerschaft von Wien-Döbling höher ist als beispielsweise der von Wien-Floridsdorf. Wie ein Prozess am Bezirksgericht Döbling zeigt, gibt es aber durchaus Gemeinsamkeiten in der Sprache der beiden Stadtteile. Angestrengt hat ihn Thomas Drozda, von 2016 bis 2017 für die SPÖ Kanzleramtsminister in der Regierung Kern, und mittlerweile Vorstandsdirektor der Stadt-Wien-nahen Wohnbaugesellschaft Arwag Holding. Sein Begehr: Eine ehemalige Mitarbeiterin soll beleidigende Postings über ihn aus sozialen Medien löschen und versprechen, derartige Äußerungen in Zukunft zu unterlassen.

Der Verhandlungssaal H im zweiten Stock der Heniksteinvilla – übrigens die ehemalige "Privatirrenanstalt Dr. Görgen", in der 1850 der Dichter Nikolaus Lenau verstarb – entspricht dem Bild, das man von einem Bezirksgericht in Döbling hat. Von der Decke baumelt ein Luster, auf dem Boden liegt ein Orientteppich, die breite Fensterfront lässt viel Licht in den Saal. Der Fall, über den Richterin Ulrike Schabauer zu entscheiden hat, erreicht nicht ganz das ortsübliche Niveau. Beklagt ist eine Jus-Absolventin, die einst unter Drozda gearbeitet hat. Das Arbeitsverhältnis ging ganz offensichtlich nicht friedlich auseinander, was die Frau um die 30 auch öffentlich kommentierte. Mit "unfeinen Ausdrücken", wie selbst ihr Anwalt konzedieren muss. Sie nannte Drozda "Hurensohn", "Lügner", "Bitch", prophezeite, dass er "vor Gericht gefickt wird", oder stellte ihn mit "Fick dich, Thomas Drozda" vor eine anatomische Herausforderung.

Offenbar arbeitsrechtliche Differenzen

Der Rechtsvertreter der Beklagten versucht zunächst, die Postings als harmlos darzustellen. "Dass jemand vor Gericht gefickt wird, verletzt nicht die Menschenwürde", argumentiert er. "Lügner ist eine Behauptung", sieht er auch hier keinen Klagsgrund, und überhaupt sei Drozda eine Person des öffentlichen Lebens, die mehr aushalten müsse als andere. Seine Mandantin echauffiert sich während der Verhandlung immer wieder, schließlich lässt sich Folgendes destillieren: Sie ist überzeugt, dass ihr die Auszahlung geleisteter Überstunden zustehe, für den Beweis benötige sie aber zwei Aktenordner mit Aufzeichnungen, die die Arwag Holding ihr angeblich verweigert. Das sei auch der Grund ihres Ärgers und für die Postings gewesen.

"Es geht hier um die Postings und nicht diese Unterlagen", versucht die souveräne Richterin das Thema wieder auf den Prozessgegenstand zu lenken. "Und 'Hurensohn' und 'Lügner' geht wirklich nicht!", stellt sie klar. "Er ist ein Lügner! Er ist ein pathologischer Lügner! Ich sag ihm das auch ins Gesicht!", gibt die Beklagte sich unversöhnlich. Sie habe auch etwas bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt, verrät sie, außerdem plant sie einen Prozess vor dem Arbeits- und Sozialgericht. "Das ist hier der falsche Raum und der falsche Ort", erklärt ihr Schabauer neuerlich und versucht es diplomatisch: "Solche Postings bringen ja kein Ergebnis, und sie sind nicht erlaubt", belehrt sie die Beklagte, nachdem die weitere Tiraden gegen den Kläger loslässt und Drozda unter anderem als "Trottel" bezeichnet.

"Werde ihn zu Tode klagen!"

Mit ihrer ruhigen und besonnenen Art gelingt es der Richterin, die Emotionen aus der Situation zu nehmen und einen Vergleich auszuhandeln. Die Beklagte verspricht, die inkriminierten Postings auf diversen Plattformen binnen fünf Tagen zu löschen und sie nicht öffentlich zu wiederholen. "Ich werde Thomas Drozda nie mehr erwähnen, aber ich werde ihn zu Tode klagen!", verspricht sie. Es folgt noch ein Gerangel um den Bedeutungsinhalt einzelner Beiträge: Etwa einen ausgestreckten Mittelfinger oder ein Rapvideo. "Das hat nichts mit Herrn Drozda zu tun!", beteuert die Beklagte, die behauptet, mit einem bekannten Künstler verheiratet zu sein.

Nach telefonischer Rücksprache mit Drozda erklären sich auch seine beiden Anwältinnen mit dem Vergleich einverstanden. Am Ende geht es nur mehr um die Kostenaufteilung. Der Anwalt der Beklagten schlägt vor, dass jede Seite die eigenen Beträge zahlt, wie das bei einem Vergleich oft der Fall ist. Drozdas Rechtsvertreterinnen sehen das anders, auch hier kann bei einem Streitwert von 5.000 Euro schließlich ein Kompromiss gefunden werden: Die Beklagte ist bereit, 300 Euro als Kostenbeitrag zu leisten. Beide Seiten unterzeichnen den Vergleich, nach über einer Stunde Verhandlung ist der Rechtsfrieden zumindest in dieser Sache wieder hergestellt. (Michael Möseneder, 5.2.2024)