Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "illustration of a friendly looking robot, presenting newspapers, looking at the camera. --ar 3:2"
Midjourney/Der Standard

Im Wettlauf um die Vorherrschaft bei KI-Tools ist derzeit Google jener Konzern, der mit einer Flut an Ankündigungen für Aufsehen sorgt und die eigene Struktur dafür auf den Kopf stellt. So etwa am vergangenen Donnerstag. Da hieß es, dass der erst im vergangenen Jahr geborene Chatbot Bard in Gemini umbenannt wird und in Smartphones integriert wird – Letzteres vorerst aber nur in den USA. Gemini wird auf dem Handy nicht nur Fragen beantworten, sondern auch Timer stellen und das Smart Home steuern können. Sie ahnen es schon: Der einst hochgelobte Google Assistant wird damit schrittweise ersetzt, nachdem Google in der entsprechenden Abteilung großflächig Personal gekündigt hatte.

Mit Gemini Advanced kommt außerdem eine fortgeschrittene Version, die auf dem stärksten KI-Modell Googles, Gemini Ultra 1.0, basiert. Dieses ist im Gegensatz zur sonstigen Gemini-Nutzung kostenpflichtig, soll aber dafür auch in Anwendungen wie Gmail und Google Docs integriert werden. Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, eine offensichtlichere Kriegserklärung an Microsofts Copilot, der sich ebenfalls kostenpflichtig in diverse Office-Programme integriert, kann es wohl nicht geben.

Diese Ankündigungen kamen erst eine Woche nachdem Google weitere KI-Neuerungen angekündigt hatte. So haben auch Userinnen und User in Europa nun Zugriff auf Googles zweitstärkstes KI-Modell, Gemini Pro, das multimodal arbeiten, also zum Beispiel hochgeladene Bilder interpretieren kann. In den USA – und in Europa via VPN – kann der Bot außerdem Bilder auf Textbefehl erstellen. Ich habe es ausprobiert, die Ergebnisse können sich sehen lassen. Und vor allem: Im Gegensatz zur kostenpflichtigen Version von ChatGPT ist das multimodale Gemini gratis.

Taylor Swift: Nackt und pro Trump?

Diese Tools ermächtigen die Menschen, doch mir großer Macht kommt bekanntermaßen große Verantwortung – und dieser Verantwortung sind sich offenbar nicht alle bewusst. So tauchten diese Woche Videos auf, welche die Sängerin Taylor Swift als vermeintliche Unterstützerin Donald Trumps zeigen. Erst kurz davor war das Netz mit KI-generierten Fake-Nacktbildern des Popstars geflutet worden.

Dies ging offensichtlich auf eine Challenge der Plattform 4chan zurück, bestehende Sicherheitsvorkehrungen in KI-Tools und Social Networks zu umgehen. Genutzt wurde dabei anscheinend Microsoft Designer, hochgeladen wurden die Bilder auf Elon Musks X, wo man kurzfristig gar die Nutzung des Suchbegriffs "Taylor Swift" unterband. Swift ist jedoch kein Einzelfall: So musste Scarlett Johansson schon ungefragt als Werbe-Testimonial herhalten, Wähler in den USA wurden von einem gefälschten Joe Biden angerufen.

Deepfakes als Gefahr für alle

Zu bedenken ist auch, dass die Problematik nicht nur Prominente betrifft: Etliche Teenager sind schon Opfer von Deepfakes geworden, bei denen Klassenkameraden sie in Pornos montiert hatten. Die Tools sind oft kostenlos verfügbar, die Nutzung wird immer einfacher, als Ausgangsmaterial reichen wohl schon Bilder, welche die Opfer zuvor unachtsam auf Plattformen wie Instagram geladen haben.

Ein ganz anderer Fall von Schaden durch KI-Deepfakes wurde diese Woche wiederum in Hongkong bekannt: Dort überwies ein Mitarbeiter 23 Millionen Euro an Betrüger, nachdem diese den CFO des Unternehmens in einem Videocall täuschend echt nachgeahmt hatten.

Wird der kommende AI Act, der vor einer Woche mit der Zustimmung der EU-Botschafter eine wichtige Hürde genommen hat, die Kriminellen von ihren Taten abhalten? Eher nicht. Stattdessen werden wir uns in den kommenden Jahren zunehmend in Eigenverantwortung üben müssen, also skeptisch sein gegenüber allen Inhalten im World Wide Web, egal wie realistisch sie auch sein mögen. Das wird mit den wachsenden technischen Möglichkeiten nicht einfacher werden.

Apropos: Für kommende Woche hat Google schon wieder die nächste KI-Präsentation angekündigt. Man darf gespannt sein. (Stefan Mey, 10.2.2024)