Der Inhalt der persönlichen Bibliothek des britischen Naturforschers Charles Darwin (1809–82), dem Vater der Evolutionstheorie, ist nun erstmals vollständig rekonstruiert und öffentlich zugänglich gemacht worden. Dem Forschungsergebnis waren fast zwei Jahrzehnte akribischer detektivischer Arbeit vorausgegangen, bei der es Tausende von Büchern, Zeitschriften, Broschüren und Artikeln in der Bibliothek des Naturforschers aufzuspüren galt.

Das Ölgemälde stellt Charles Darwin in seinem Studienzimmer im Down House in der Grafschaft Kent dar, wo er von 1842 bis zu seinem Tod 1882 mit seiner Frau und den Kindern lebte.
National University of Singapore/State Darwin Museum, Moscow

7.400 Titel

Geleitet wurde das Projekt von dem Wissenschaftshistoriker John van Wyhe des Instituts für Biowissenschaften an der National University of Singapore (NUS), der die Webseite darwin-online.org.uk mit umfassenden Informationen und Quellen zum Leben und Werk Darwins betreibt. Die erstellte 300 Seiten lange Liste enthält 7.400 Titel mit insgesamt 13.000 Bänden einschließlich Büchern, Schriften und Magazinen. Die Website enthält 9.300 Links, die zu kostenlos verfügbaren Kopien der Werke führen.

"Diese nie da gewesene detaillierte Sicht auf Darwins komplette Bibliothek erlaubt mehr denn je die Einsicht, dass er keine isolierte Figur war, die für sich gearbeitet hat, sondern ein Experte seiner Zeit, der auf die fortgeschrittene Wissenschaft, die Studien und andere Kenntnisse tausender Menschen aufgebaut hat", sagte van Wyhe.

Schulbücher

Einige der in dem Katalog angeführten Bücher stammen aus Darwins Schulzeit, darunter beispielsweise Oliver Goldsmiths "A history of England" (1821), das er als Preis gewonnen hatte, oder das Lehrbuch seines Schulleiters über antike Geografie. Eine der wichtigsten Quellen für das Projekt waren Auktionsprotokolle.

So wurde etwa 2019 ein Exemplar von Elizabeth Gaskells Roman "Frauen und Töchter" aus dem Jahr 1880 versteigert. Eine Notiz darin hält fest: "Dieses Buch war ein Lieblingsbuch von Charles Darwin und das letzte Buch, das ihm vorgelesen wurde."

Links eine Fotografie von Darwins Bücherwand in seinem Arbeitszimmer. Das rechte Bild zeigt eine Radierung dieses Studienzimmers aus einer anderen Perspektive.
National University of Singapore/State Darwin Museum, Moscow

Frühere Listen beinhalteten nur 15 Prozent der Literatur, die Darwin tatsächlich verwendete. Ergänzt wurden sie unter anderem durch die Auswertung von Referenzen in Darwins Schriften und seiner Korrespondenz sowie eines handgeschriebenen Katalogs von 1875. Die neue Liste zeige, dass Darwin Bände zu einer schwindelerregenden Vielzahl von Themen besaß, so van Wyhe.

Viele fremdsprachige Werke

Beim größten Teil handelt es sich freilich um naturwissenschaftliche Werke, besonders aus den Bereichen Biologie und Geologie. Weitere befassten sich mit Landwirtschaft, dem Züchten von Tieren, ihrem Verhalten und ihren Verbreitungsgebieten sowie mit Philosophie, Religion und weiteren Themen, die Darwin interessierten.

Dazu zählten Kunst, Geschichte, Reise und Sprachen. Der größte Teil der Werke war auf Englisch verfasst, beinahe die Hälfte aber auch in anderen Sprachen, insbesondere Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Veröffentlichung des Katalogs fällt mit dem 215. Geburtstag Darwins am 12. Februar zusammen. (red, APA, 12.2.2024)