Wien - Der Rauch steht noch in der Straße, wo gerade eine Rakete eingeschlagen ist. Eine Frau steht in der Ruine ihres Elternhauses und schreit den Namen ihrer Schwester in die Trümmer. Im Hintergrund zischt die nächste Rakete im Tiefflug am tiefblauen Himmel entlang. Der Krieg hier in der Ukraine ist in vollem Gange. Die zehnteilige Serie "In Her Car" nähert sich dem Grauen im Osten Europas mit künstlerischen Mitteln. Abrufbar in der ZDF-Mediathek.

Dieser Tage jährt sich die russische Invasion in der Ukraine zum zweiten Mal. Zu diesem Anlass haben gleich sieben öffentlich-rechtliche TV-Sender aus Europa (ohne den ORF) eine gemeinsame Dramaserie über den Beginn des Krieges in der Ukraine geschaffen. Obwohl fiktional erzählt, fängt die Produktion beinahe dokumentarisch den tobenden Krieg in unaufgeregten Kameraschwenks und entsprechenden Bildern ein. "In Her Car" zieht den Zuschauer mitten ins Geschehen, das man sonst nur aus verwackelten Handyvideos und den Nachrichten kennt.

Mitfahrmöglichkeiten

Im Mittelpunkt steht die ukrainische Therapeutin Lydia. Sie beschließt nach Ausbruch des Krieges, die Menschen vor Ort zu unterstützen. Sie bietet Mitfahrmöglichkeiten in ihrem Auto an, damit die Menschen zu ihren Liebsten oder in Sicherheit gelangen können. Auf der Reise berichten ihr die Fahrgäste von persönlichen Schicksalsschlägen und Ängsten, aber auch von Träumen und Hoffnungen für eine bessere Zukunft. Jede Episode erzählt die Geschichte eines anderen Fahrgastes mit einem individuellen Blick auf die aktuelle Lage.

Therapeutin Lydia (Anastasia Karpenko) in
Therapeutin Lydia (Anastasia Karpenko) in "In Her Car" auf ZDF Neo.
Foto: ZDF/ROMAN LISOVSKY

Die Serie erzählt nicht nur die Lebensgeschichten der Passagiere in einem Dialog zwischen ihnen und Lydia nach, in Rückblenden werden die Zuschauer auf eine Reise in ihre früheren Leben mitgenommen. Es sind bewegende Einzelschicksale, die nach Ausbruch des Krieges eine neue Wendung genommen haben. So gibt die Serie ganz unterschiedliche Einblicke in die ukrainische Geschichte und Kultur.

Auch die Vergangenheit von Protagonistin Lydia wird in jeder Folge etwas weiter ausgeleuchtet. Denn ihre therapeutische Begleitung durch die Ukraine, die sie verschiedenen Menschen bietet, ist auch eine aufschlussreiche Reise für sie selbst. So erfährt der Zuschauer in jeder Episode mehr über den Tod ihrer Schwester.

Rückblenden und Schrecken des Krieges

Die Serie ist kein klassisches Kammerspiel, welches nur von seinen Dialogen zwischen zwei Figuren lebt. Die Szenen spielen sich nur in Teilen in dem beengten Raum des Autos ab. Der Film taucht in Rückblenden in das Leben der Figuren ab und zeigt auch eindrücklich die Schrecken dieses Krieges in der Gegenwart.

Im Vordergrund stehen aber stets die Geschichten und Schicksale der unterschiedlichen Menschen, die nichts mit dem Krieg zu tun haben. Der Krieg steht in der Serie über allem - ist er doch der Grund für die vielen beeindruckenden Begegnungen und fahrenden Therapiesitzungen der Protagonistin. Er bleibt aber auch etwas Diffuses, etwas Ungreifbares, das sich nur durch wummernde Bombeneinschläge, aufsteigende Rauchsäulen oder langen Staus vor der polnischen Grenze fernab der Frontlinie erahnen lässt.

Regisseur Eugen Tunik drehte "In Her Car" unter herausfordernden Produktionsbedingungen während des Krieges in Kiew und Umgebung. Dahinter stand die Absicht, ukrainische Filmschaffende vor Ort zu unterstützen und den Menschen, die unmittelbar von Krieg betroffen sind, zeitnah ein Forum zu geben – abseits der Nachrichtenberichterstattung.

Die Serie ist eine einfühlsame Geschichte derjenigen, von denen man während eines Krieges normalerweise nichts erfährt, sie erzählt die Geschichte der Betroffenen im Land. "In Her Car" ist eine Geschichte von Verlust, Mut, Hoffnung und Resilienz in herausfordernden Zeiten. (APA, 21.2.2024)