Soeben war der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow auf Truppenbesuch vor Ort. Den Angaben staatlicher Medien zufolge verlieh Gerassimow Orden an Soldaten, die an der Einnahme des Orts Awdijiwka beteiligt gewesen seien.

Awdijiwka als Symbol: Die ukrainische Armee ist in der Defensive, es fehlt an Munition und Soldaten. Von beidem hat Russland hingegen reichlich: Rund 500.000 neue Vertragssoldaten hat das russische Militär rekrutiert. Dank der Deals mit Nordkorea und dem Iran hat man genügend Munition und kann internationale Sanktionen umgehen. Die russische Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren, sanktionierte Mikrochips für Hightech-Waffen werden eben über Drittländer geliefert.

Awdijiwka in der Ostukraine: In diesen Tagen ein Symbol für die ukrainische Armee, die in der Defensive ist.
Awdijiwka in der Ostukraine: in diesen Tagen ein Symbol für die ukrainische Armee, die in der Defensive ist.
IMAGO/TASS

Die Organisation Conflict Armament Research mit Sitz in London, teilweise von der EU finanziert, untersucht Waffensysteme in Kriegsgebieten auf die Lieferketten, mit deren Hilfe sie hergestellt wurden. Ihre Erkenntnis: An Russland gelieferte Raketen aus Nordkorea sind mit etlichen Bauteilen aus westlichen Ländern konstruiert worden. Das ergab die Analyse der Trümmer einer in der ukrainischen Stadt Charkiw niedergegangenen ballistischen Rakete aus nordkoreanischer Produktion.

Bereit zu verhandeln, aber ...

In der Rakete seien 290 elektronische Teile verbaut gewesen, die nicht aus dem ostasiatischen Land stammen. Dem Bericht von Conflict Armament Research zufolge handelt es sich vor allem um Teile im Navigationssystem der Rakete.

Wann wird es Frieden geben? "Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen. Sie ändern sich nicht. Ich erinnere Sie an das, worüber wir gesprochen haben – die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine, ihren neutralen Status", antwortete Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangenen Dezember auf eine entsprechende Journalistenfrage. Man sei durchaus bereit, mit den USA, Europa und der Ukraine über deren Zukunft zu sprechen, sagte Putin bei einem Treffen mit der russischen Militärführung.

"Aber wir werden es auf Grundlage unserer nationalen Interessen tun." Und: "Wir werden nicht aufgeben, was unser ist." Gemeint hat Putin damit die von Russland besetzten Gebiete im Nachbarland.

Kriegsmüdigkeit und Sorge

Die Militäroperation begann gegen die Ukraine und nahm später "die Form eines Krieges gegen den kollektiven Westen" an, sodass sie länger dauern könnte als geplant, zitiert die Zeitung RBC Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dies aber werde "den Lauf der Dinge nicht ändern".

Ukrainische Soldaten steuern aus einem Bunker heraus eine Drohne.
Ukrainische Soldaten steuern aus einem Bunker heraus eine Drohne.
REUTERS/STRINGER

Doch nicht nur im Westen, auch in Russland macht sich Kriegsmüdigkeit breit. Zwar glauben 56 Prozent der Menschen im Land, die "militärische Spezialoperation" verlaufe für die russische Armee erfolgreich – so eine Meinungsumfrage vom vergangenen Oktober. Allerdings sind die Zahlen rückläufig: Im Juni 2023 waren es noch 58 Prozent gewesen. Und zunehmend gibt es Proteste im Land.

"Bringt unsere Angehörigen zurück!", lautet die Forderung von Soldatenmüttern und -ehefrauen. Sie legen Blumen am Grab des Unbekannten Soldaten in Moskau nieder, die Polizei versucht, das zu verhindern.

Probleme mit den Veteranen

Ein entsprechender Telegram-Kanal, der Angehörige mobilisierter Menschen vereint, die die Rückkehr ihrer Lieben fordern, wurde am 20. August 2023 gegründet und hat mittlerweile etwa 71.000 Abonnenten und Abonnentinnen. Seit Anfang November führt der Kanal eine Liste mit etwa 30 regionalen Chats. Im November veröffentlichte man dort ein entsprechendes Manifest: "Wir erzwingen keine politischen Entscheidungen hinsichtlich der Macht oder Haltung gegenüber dem bewaffneten Konflikt in der Ukraine. Jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden. Wir werden jedoch denjenigen unterstützen, der uns unsere Männer zurückgibt."

Zum zunehmenden Problem im Land werden auch die vielen Kriegsversehrten, die auf Unterstützung warten. Und gleichzeitig mit den psychischen Folgen der Kampfeinsätze zurechtkommen müssen. Über das Leid und die Probleme der russischen Kriegsveteranen soll die breite Öffentlichkeit möglichst wenig erfahren. Posttraumatische Belastungsstörungen seien aber an der Tagesordnung, weiß die Psychologin Tatjana Kowalenko. "Schlafstörungen, Essstörungen, unerklärliche Aggression oder Gleichgültigkeit gegenüber Familie und Arbeit, Rückzug, Sinnlosigkeit im Leben, Alkoholsucht." Es komme sogar vor, sagt die Psychologin, "dass Veteranen darauf fixiert sind, mit ihren Kameraden an die Front zurückkehren zu wollen". (Jo Angerer aus Moskau, 22.2.2023)