Kanzler Olaf Scholz bleibt dabei: Er will der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung stellen.
Kanzler Olaf Scholz bleibt dabei: Er will der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung stellen.
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In all der Unruhe und Verwirrung in Deutschland – am Montag bekamen immerhin Schülerinnen und Schüler an einem beruflichen Schulzentrum in Sindelfingen (Baden-Württemberg) Auskunft von Olaf Scholz (SPD). Der deutsche Kanzler war zu einer "Fragestunde" dorthin gekommen und nutzte diese für eine Klarstellung: Deutschland wird der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper liefern.

Denn, so Scholz: "Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann. Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlossen." Dann fügte er noch hinzu: "Ich bin der Kanzler, und daher gilt das." Scholz ist auch deshalb gegen eine Taurus-Lieferung, weil mit den Marschflugkörpern russisches Territorium getroffen werden könnte.

Einsatzszenarien diskutiert

Das abgehörte Gespräch von hochrangigen Bundeswehr-Offizieren über Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde, kam nicht zur Rede. In diesem war von den Teilnehmern betont worden, dass weder Scholz noch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für eine Taurus-Lieferung an die Ukraine seien. Erwähnt wurde auch, dass es kaum möglich sein würde, Taurus kurzfristig zu liefern, ohne dass deutsche Soldaten an der Zielauswahl beteiligt wären.

Aber Scholz wird dieses abgehörte Gespräch noch einige Zeit intensiv beschäftigen. "Dieser hybride Angriff zielt darauf ab, Unsicherheit zu erzeugen und auseinanderzudividieren", warnt ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums.

Aus Moskau hieß es am Montag, der Mitschnitt des Gesprächs bezeuge die "direkte Verwicklung" des Westens am Konflikt in der Ukraine. "Die Aufnahme selbst lässt vermuten, dass die Bundeswehr substanziell und konkret Pläne diskutiert, russisches Territorium anzugreifen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Unklar sei, ob die Bundeswehr auf Geheiß der deutschen Regierung oder auf Eigeninitiative agiere.

Es stelle sich die Frage, ob Scholz die Lage unter Kontrolle habe. "Aus der Aufnahme selbst geht hervor, dass innerhalb der Bundeswehr Pläne für Angriffe auf russisches Territorium inhaltlich und konkret diskutiert werden. Dazu bedarf es keiner juristischen Interpretation. Das ist alles mehr als offensichtlich", so Peskow.

Baerbock warnt

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte hingegen: "So wichtig es für uns als Bundesregierung ist, diesen Vorfall jetzt aufzuklären, so klar sind aber die Fakten. Und es kann hier zu keiner Täter-Opfer-Umkehr kommen." Denn, so Baerbock: "Hätte Russland dieses Land nicht brutalst angegriffen, dann müsste die Ukraine sich auch nicht verteidigen. Dann müssten wir auch keine Waffen liefern, wenn dieser Völkerrechtsbruch von Russland nicht ausgegangen wäre."

Zwar sprach sich Baerbock nicht direkt für eine Lieferung von Taurus aus, aber sie erklärte: "Alle Materialien, die auf dieser Grundlage dafür genutzt werden können, die müssten wir intensiv prüfen. Und aus meiner Sicht ist die Faktenlage da sehr, sehr klar." Die ablehnende Haltung von Kanzler Scholz wird in Berlin nicht von allen in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP geteilt. Bei den Grünen und den Liberalen gibt es durchaus den Ruf nach Taurus-Unterstützung.

U-Ausschuss im Gespräch

Die oppositionelle CDU will zunächst eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag einberufen und da auch Scholz hören. "Das ist eine so brisante Angelegenheit", betonte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frey (CDU). Bei der CSU ist auch ein Untersuchungsausschuss im Gespräch.

Für den ehemaligen britischen Verteidigungsminister Ben Wallace kommt der Abhörskandal nicht überraschend. "Wir wissen, dass Deutschland von russischen Geheimdiensten ziemlich durchdrungen ist. Das zeigt, dass sie weder sicher noch zuverlässig sind", sagte er der "Times". Die Luftwaffenoffiziere hatten in dem abgehörten Gespräch angedeutet, dass sich britische Militärs in der Ukraine aufhalten. (Birgit Baumann aus Berlin, 4.3.2024)