Mit der Serie
Mit der Serie "Crooks" von Marin Kren mit Georg Friedrich macht Netflix alle froh, die schon "4 Blocks" mochten. Ab 4. April auf Netflix.
Netflix

52 neue Serien aus mehr als 20 verschiedenen Ländern, 26 Weltpremieren, Screenings, Präsentationen, Branchenmeetings, Pressekonferenzen, dazu Masterclasses mit Schauspielern, Regisseurinnen, Autoren und Produzentinnen und begehrte Trophäen: Das Zentrum des europäischen Films mag in Cannes sein, Serien haben in Lille ihr Zuhause. Zum 14. Mal präsentiert sich das größte europäische Serienfestival Seriesmania noch bis Freitag im französischen Lille mit vollem Programm. Mehr als 20.000 Besucherinnen und Besucher strömen zu den Veranstaltungen, die verstreut über die ganze Stadt tagsüber bis spät in die Nacht angeboten werden. Und es ist schon erstaunlich: Vor den Kinos bilden sich regelmäßig lange Schlangen, und das, obwohl von jeder Serie durchschnittlich nur zwei Folgen gezeigt werden. Wer mehr sehen will, muss bis zur TV- oder Streamingpremiere warten.

"Das ist ein bisschen so, als würde man bei einem Kinofilm nach 20 Minuten stoppen und sagen, der Rest folgt", wundert sich Frederic Lavigne, der das Festival kuratiert. Binge-Watching wird auf später verschoben.

Kleine Happen

So muss es also um den kleinen Happen gehen, der Appetit macht auf mehr. Mehr wovon? Eskapismus, Familiendramen, History, Crime und Fantasy lauten die Prognosen für die kommenden Monate, und ja, das ist alles nicht neu und doch symptomatisch. Inhaltlich gehen Sender und Plattformen nach dem Crash im Vorjahr auf Nummer sicher und schauen auf vergangene Erfolge: "Wenig Risikobereitschaft viel copy and paste", beobachtet Seriesmanias Programmdirektor Lavigne.

Beispiele? Das schwedische "8 months" spielt Intrigen in der schwedischen Regierung, erinnert in der Mache stark an "Bad Banks". "Eine gefährliche Freundschaft" verhandelt Lust und Laster am französischen Hof zur Zeit Ludwigs XIII., "Dans l'ombre" dockt eindeutig bei "House of Cards" an. Netflix steuert mit "Crooks" gezielt das "4 Blocks"-Publikum an. Man kann das Rad nicht neu erfinden.

Sparen, sparen, sparen

Gespart wird an allen Ecken und Enden, nur merken soll es keiner. Internationale Plattformen zogen im Vorjahr die Bremse und drosselten das Produktionsvolumen weltweit, in Europa ist Ähnliches zu bemerken. In den USA werden Serien der Reihe nach gecancelt. Nach dem Höhepunkt 2022 mit 600 Staffeln waren es 2023 mit 516 erstmals deutlich weniger. Europa steht ebenfalls vor der Trendwende, wie ein Bericht der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle belegt. 873 in Europa produzierte Serienstaffeln waren 2022 zwar noch mehr als im Jahr davor. Die produzierten Stunden gehen jedoch nach unten. Serien werden kürzer. Sechsteiler sind längst Usus, bei Seriesmania scheint die Zahl der Miniserien mit maximal vier Folgen auf.

Marktbeobachter Gilles Fontaine sieht darin "Warnsignale". Überrascht ist er nicht: "Nach jahrelangem Wachstum muss sich die Branche auf eine Zeit der Marktkonsolidierung einstellen", sagt Fontaine. EU-Referatsleiterin für audiovisuelle Industrie und Medienförderprogramme Lucia Recalde sieht die Entwicklung ebenfalls als normalen Verlauf: "War das Level der Produktionen der vergangenen Jahre haltbar? Wahrscheinlich nicht." 350 Jahre würde es brauchen, wenn man all das schauen wolle, was an Plattformen angeboten werde. Kein Mensch könne das.

Abwarten und schauen

Die portugiesische Produzentin Pandora Gagnon da Cunha Telles hakt ein: "Ja, es gibt die Warnsignale. Die Märkte in Polen und Deutschland schrumpfen. Aber es gibt auch Anzeichen für das genaue Gegenteil. Die Produzentin führt als Beispiel ihr Heimatland an. "Die Zahl der Serien explodiert. Vielleicht müssen wir ein wenig abwarten und schauen, wie sich der Markt entwickelt."

Unternehmen konzentrieren sich darauf, Streaming profitabel zu machen, was für starken Kostendruck sorgt und auf insgesamt weniger Serien hinausläuft. Eine "neue Normalität" sieht die britische Produzentin Jane Trainer kommen. Insbesondere werde es " Veränderungen am Markt für Koproduktionen geben". Bis zu einem gewissen Grad stimmt das schon jetzt: Koproduktionen zwischen Ländern, die nicht dieselbe Sprache sprechen, steigen stark, wohingegen die Zusammenarbeit zwischen gleichsprachigen Ländern, etwa zwischen Österreich und Deutschland, zurückgeht.

Kollaborationen

"Vielleicht muss es mehr um internationale Kollaborationen gehen", regt EU-Referatsleiterin Recalde an: zwischen Autoren, Schauspielerinnen, Produzentinnen und Crew-Leuten. Recalde meint "konstruktive Zusammenarbeit". Für Producer Gagnon da Cunha Telles ist das "okay, wenn es nicht dazu führt, Rechte von Produzenten zu unterlaufen".

Neuer Schwung kommt hingegen in den Rechtehandel: Um die Serienbibliotheken zu füllen, braucht es Inhalte. Während in den vergangenen Jahren die großen Plattformen ihre Serien eher von konkurrierenden Anbietern abzogen und bei sich bunkerten, wird jetzt wieder mehr zugekauft. "Es ist immer noch genug Geld im Spiel", sagt eine Produzentin bei Seriesmania. "Die Herausforderung wird sein, die Kreativität zu halten." (Doris Priesching, 20.3.2024)

Hinweis: Die Autorin nimmt als Jurorin beim Seriesmania-Festival in Lille teil. Reise und Aufenthalt werden zum Teil von der Festivalorganisation übernommen.

Info

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle

Mehr

So funktioniert das Geschäft mit den Serien

Streaming vs. TV: Die nächste Schlacht im Streamingkrieg

Warum Netflix auf Wrestling setzt