Peter Kubelka und sein Buchtipp.
Rebhandl

Heute am 23. März jährt sich zum 90. Mal der Tag, an dem er ins Leben geworfen wurde. Schon mit fünf Jahren konnte er lesen. Mehr als an Bücher erinnert er sich aber daran: "Der Pfarrer von Windischgarsten, wo Sie ja herkommen, hat immer unglaublich lange Predigten gehalten. Seine Besonderheit war, dass er, wenn er nachdenken musste, immer ein riesiges weißes Taschentuch herausgezogen und sich lange und umständlich geschnäuzt hat, sicher vier Mal während jeder Predigt." Das war um 1947 herum, und vielleicht trugen diese Predigten und das Schnäuztuch dazu bei, dass er schon vor seinem 18. Geburtstag ein Dokument verfasste, in dem es hieß: "Hiermit erkläre ich meinen Austritt aus der Menschheit. Hochachtungsvoll, Peter Kubelka."

Im Innviertel, wo er herkommt, könnte ein Grundstein für seine Distanz zur Sprache und zum Leben insgesamt gelegt worden sein, denn: "Wenn Sie mich als Innviertler besucht hätten, dann hätten Sie gesagt: ‚Grüß Gott, Herr Kubelka, i kammat wegn dem Gespräch.‘ Dort wird nämlich alles im Konjunktiv ausgedrückt: ‚I kammat wegn da Watschn, di i da gebn woit.‘ Oder: ‚Entschuidign S’, gnä’ Frau, i tatat Ihna gern pudern.‘ Und das ist eigentlich unglaublich! Diese Errungenschaft, dass man dem Universum nicht wie ein Tölpel direkt auf den Leib rückt, sondern sagt: ‚Entschuldigung, ich warat a da.‘ Das ist etwas Wunderbares!"

Und als er eben Voltaires Candide las (und mittlerweile sicher noch 20-mal gelesen hat), "war das für mich eine Lebensbestätigung und hat viele Sachen klargemacht, die ich schon vorher gespürt habe, zum Beispiel das Bedürfnis nach der Berechtigung von Ironie. Da war Voltaire für mich eine unglaubliche Befreiung!" Umso bitterer, dass er heute noch miterleben muss, wie alle Fähigkeit zur Ironie und Distanz verlorengeht. "Dieser Zwang, Spannungen in der Sprache in ein harmloses Ausrinnen zu verwandeln, macht ja alles kaputt. Da gibt es kein Auf und Ab mehr, nur noch einen Strom von Langeweile." In diesem Sinne: Wir tatatn Ihna gern recht herzlich zum Geburtstag gratuliern, Herr Kubelka! Und dass S’ g’sund bleibatn! (Manfred Rebhandl, 23.03.2024)