INDIANAPOLIS, IN - MAY 29: NTT IndyCar, Indy Car, IRL, USA series driver Josef Newgarden poses with the Borg Warner Trophy at the traditional winner s photo shoot taken on May 29, 2023, after winning the 107th running of the Indianapolis 500 at the Indianapolis Motor Speedway in Indianapolis Motor Speedway. Photo by Brian Spurlock/Icon Sportswire AUTO: MAY 29 INDYCAR Series The 107th Indianapolis 500
Rennfahrer Josef Newgarden darf eine mächtige Kanne für seinen Erfolg beim Autorennen Indianapolis 500 entgegennehmen. Genannt wird sie Borg-Warner Trophy.
IMAGO/Icon Sportswire

In Wimbledon geht es um die goldene Ananas. Eigentlich ist die Frucht ein imaginärer Trostpreis, der jedem schnurzegal sein kann. Aber bei dem edlen Rasenturnier der internationalen Top-Tennisspieler wird der Sieger bei den Herren eine Ananas in den Himmel strecken, denn die sitzt ganz oben auf dem 1887 zum ersten Mal verliehenen Pokal. Ein bulliger Kelch mit zwei fein geschwungenen Henkeln und passendem Deckel. Eine Bilderbuchtrophäe.

Ist das süße Obst aus Metall ein skurriler Einfall vom Urheber des Cups? Selbst beim ehrwürdigen All England Tennis Club kann das niemand genau erklären. Aber die Londoner erzählen die schöne Geschichte von der Ananas als Luxusfrucht, die im späten 19. Jahrhundert auf der Insel schwer zu bekommen, deshalb so exklusiv und damit reif für die Pokalspitze war. Die Tennistrophäe gehört dank des blankgeputzten Bromeliengewächses zu den außergewöhnlichen Sportpreisen. Deren Aufmachungen sollen zeigen, dass sich Anerkennung auch erkennen lassen muss.

Es sind meist Prunkfantasien in Edelmetall, Marmor und Kristall. Polierte Oberflächen, die den Glanz der Athleten widerspiegeln sollen. Die Siege sollen so ewig nachhallen, von Nachhaltigkeit bei den Materialien kann allerdings keine Rede sein. Die Beständigkeit des Ruhms steht dann meist in gläsernen Vereins­vitrinen oder auf Podesten, den Staub­wedel stets in Reichweite.

Die Wimbledon-Tennis-Trophäe für Männer (die linke der beiden) ziert eine kleine Ananas. Vergeben wird sie seit 1887.
Die Wimbledon-Tennis-Trophäe für Männer (die linke der beiden) ziert eine kleine Ananas. Vergeben wird sie seit 1887.
IMAGO/Mark Greenwood/IPS/Shutterstoc

Glamouröser Becher

Die protzigen Pokale, abgeleitet vom lateinischen Boccale, dem bauchigen Trinkgefäß der Römer, stammen aus einer Zeit, als der pompöse Kelch ein Zeichen für "Ich-bin-wer" war. Denn nur die Bonzen der Antike, der Adel und der Klerus, konnten sich solche glamourösen Becher fürs öffentliche Bankett und private Orgien leisten. Wenn am 14. Juli der Fußball-Europameister gekürt wird, gibt es für den Sieger den silbernen Henri-Delaunay-Pokal, benannt nach dem Franzosen, der einst die Idee einer Fußball-Europameisterschaft hatte.

Die aktuelle Ausfertigung kommt ausgerechnet aus einem Land, das der Europäischen Gemeinschaft die rote Karte gezeigt hat, von der Londoner Goldschmiede Asprey. In der aus Sterling-Silber bestehenden und 60 Zentimeter hohen Vase lassen sich nicht nur vortrefflich literweise Siegerbier über Trainer und Spieler schütten, sondern auch Sonnenblumen für die Siegesfeier arrangieren.

Das geht mit dem WM-Cup erstaunlicherweise nicht. Er ist ein viereinhalb Kilogramm schwerer Batzen 18-karätigen Goldes, der zwei Fußballer zeigt, die die Arme nach oben recken und die Weltkugel in den Händen halten. Schon bemerkenswert, das goldige Handspiel.

Vom Vorgängermodell, dem Jules-Rimet-Pokal, gibt es nur noch Bilder und Repliken. Dabei wäre der Vintage-Style mit der Siegesgöttin Nike im Flügellook heute fast schon einen Designpreis wert. Doch das Prachtstück wurde 1983 in Rio de Janeiro, also in dem Land mit fünf Weltmeistertiteln, gestohlen und offenbar später eingeschmolzen.

Der erste Preis beim legendären Autorennen Indy 500 in Indianapolis fällt zwar noch in die Becherkategorie, ist aber stolze 1,63 Meter groß. Beim Tennis scheint man besonders wagemutig zu sein. In Acapulco kann sich der Gewinner über eine silberne Birne mit einem goldenen Tennisball im Inneren freuen, und bei den Dubai Duty Free gibt es für den besten Tennisspieler einen mit Gold verzierten Krummdolch.

Den Henri-Delaunay-Pokal darf der neue Fußball-Europameister am 14. Juli dieses Jahr in die Höhe stemmen.
Den Henri-Delaunay-Pokal darf der neue Fußball-Europameister am 14. Juli dieses Jahr in die Höhe stemmen.
IMAGO/HMB-Media

Kopfsteinpflaster

Einem wahren Helden fällt ein Stein vom Herzen, wenn er mit seinem Rennrad bei Klassiker Paris–Roubaix die Kopfsteinbuckelpisten, die "Paves", ohne Reifenschaden und Kopfsturz überstanden hat. Wer dann die Ziellinie als Erster überfährt, darf wenig später den symbolischen Preis seiner Siegerfahrt, einen Pflasterstein, dem Himmel sei Dank, genau in diese Richtung heben.

Ebenso passgenau gibt es für die besten bulligen Eishockeystars der ameri­kanischen National Hockey League den Stanley Cup in Babybadewannendimension. Er ist fast 90 Zentimeter hoch. Eingraviert sind die Namen sämtlicher Spieler und Funktionäre der Vereine, mittlerweile mehr als 2.300. Der überdimen­sionale Kelch wird nicht nur ausgestellt, sondern auch benutzt. Jedes Mitglied des siegreichen Teams darf den Pott jeweils für einen Tag an einen Ort seiner Wahl mitnehmen. So machte er eine erstaun­liche Eventkarriere. Mehrere US-Präsidenten durften ihn im Weißen Haus anfassen, er diente als Taufbecken für die Töchter eines deutschen Verteidigers der Boston Bruins, ging in einem Pool baden und diente als Frühstücksschüssel für Cornflakes.

Die älteste Segelregatta der Welt darf sich rühmen, den wohl antikesten Pokal zu überreichen. Der besten Crew beim America’s Cup wird der "Auld Mug" überreicht, eine silberne Kanne, die auch aus einer archäologischen Ausgrabung stammen könnte. Seit 1851, dem ersten Wettbewerb rund um die britische Insel Isle of Wight, hat sich das Design nicht geändert. Tradition in glänzender Manier. (RONDO, Oliver Zelt und Caroline Wesner, 3.7.2024)