Totale Sonnenfinsternis in Schwarz-Weiß
Die totale Sonnenfinsternis in Nordamerika sorgt für viel mediale Aufmerksamkeit. Zu Recht.
AP/Timothy D. Easley

Mitten am Tag verlieren die Farben der Landschaft an Sattheit. Es wird rapide dunkler und kühler. Vögel hören auf zu fliegen und stimmen ihren Abendgesang an, manch ein Hund oder Pferd wird nervös. Auch bei Menschen löst das Phänomen seit Jahrtausenden Aufregung und Faszination aus. Ein gigantischer Schatten – der Neumond – hat sich vor die pralle Sonne gestellt und verdunkelt den Himmel für alle, die gerade in der Totalitätszone stehen.

Das ist am 8. April wieder der Fall: Der "Pfad der Totalität" liegt quer über Nordamerika. Von Mexiko bis Kanada gibt es Regionen, in denen man die totale Sonnenfinsternis sehen kann. Jährlich kommt es zu zwei bis fünf Sonnenfinsternissen. Meist wird nur ein Teil der Sonne verdeckt, dann spricht man von einer partiellen Finsternis oder einer ringförmigen Finsternis, wenn sich der Mond dabei mittig vor die Sonne schiebt. Die totale Sonnenfinsternis oder Eklipse ist seltener und immer nur von einem Teil der Erde aus sichtbar.

Karte Pfad der totalen Sonnenfinsternis über die USA
Von Südwesten nach Nordosten verläuft in Nordamerika der "Totalitätspfad" der Sonnenfinsternis. Hier hat die Nasa ihn auf einer Karte der USA dargestellt.
NASA's Scientific Visualization Studio

Während der Totalität ist es so dunkel wie während eines Vollmonds: Am Tageshimmel kann man andere helle Sterne und Himmelskörper erkennen. Sofern man es schafft, sich von dem Anblick der schwarzen Sonne zu lösen, der mehrere Sekunden bis Minuten anhält. Seit Anbeginn der Menschheit muss das Phänomen uns erstaunt und mythische Geschichten provoziert haben. Das "religiöse Ereignis" veranlasste kürzlich sogar sechs Gefängnisinsassen in New York dazu, eine Sondererlaubnis zur Himmelsschau einzuklagen, wohingegen dies anderen Haftgenossen aus nicht ganz klaren Gründen verwehrt wird.

Freilich interessiert sich auch die Wissenschaft dafür. Durch das Beobachten der Sonne während einer totalen Finsternis ist ihre Korona sichtbar, die sonst aufgrund der starken Helligkeit der Sonne kaum erkennbar ist. Dabei handelt es sich um ihren Strahlenkranz, der aber nicht einfach nur abstrahlendes Licht ist, sondern Plasma. Dieses Plasma ist erstaunlicherweise noch heißer als die Sonnenoberfläche. Warum, ist Physikerinnen und Physikern noch immer nicht ganz klar. "Es ist, als ob man sich von einem Lagerfeuer wegbewegt", sagt Sonnenexperte James Klimchuk vom Goddard Spaceflight Center der US-Weltraumbehörde Nasa. Aber anstatt dass es kühler wird, wird einem wärmer. "Warum sollte das passieren?"

Mehr Sonneneruptionen

Derzeit ist die Sonne besonders aktiv. Es gibt vermehrt Sonneneruptionen, bei denen Plasma ausgeworfen wird. Als Sonnensturm beeinflussen sie sogar die Erde und ihr Magnetfeld, sie sorgen für Polarlichter und können in seltenen, ernsteren Fällen Satelliten sowie Stromnetze stören.

Eine Sonneneruption aus der Nähe.
Eine Sonneneruption aus der Nähe.
NASA/Goddard/SDO

Das sorgt auch dafür, dass die aktuelle Eklipse ein paar Exklusivitäten parat hat. Mit etwas Glück kann man dabei einen koronalen Massenauswurf beobachten, einen massiven Auswurf von Plasma. Die starke Aktivität der Sonne hat zudem zur Folge, dass die Strahlen der Korona nicht nur vor allem seitlich entlang des Sonnenäquators auftreten, sondern gleichmäßiger rundherum verteilt sind.

Die Vorgänge in der Sonnenkorona können Fachleute nicht nur per Teleskop am Boden betrachten, sondern auch über Satelliten und Sonden. Unterwegs sind derzeit etwa der Solar Orbiter der europäischen Weltraumorganisation Esa, der erstmals die Pole der Sonne erforscht. Auch die widerstandsfähige Parker Solar Probe der Nasa, das erste Gefährt im All, das durch die Korona flog, ist der Sonne nah.

Dieses Bild einer totalen Sonnenfinsternis wurde aus 21 Fotos zusammengesetzt.
Dieses Bild einer totalen Sonnenfinsternis wurde aus 21 Fotos zusammengesetzt.
REUTERS/Jonathan Ernst

Die kombinierten Beobachtungen aus der Nähe und auf der Erde während einer Sonnenfinsternis – und einem Sonnenmaximum – versprechen neue Erkenntnisse. Außerdem werden Flugzeuge entlang des Totalitätspfads unterwegs sein, um mit neuen Instrumenten weitere Daten zu sammeln.

Länger und besser erreichbar

Durch das Verdecken der hellen Sonne wird nicht nur die Korona besser sichtbarer, sondern auch Asteroiden. In der Nähe des Merkurs dürften sich etwa fliegende Gesteinsbrocken befinden, die Astronominnen und Astronomen bisher nicht auf dem Schirm hatten und die potenziell gen Erde fliegen könnten. Und noch eine nützliche Besonderheit: Im Vergleich zur Sonnenfinsternis 2017 in Nordamerika ist die diesjährige Aprilfinsternis außerdem länger zu sehen, nämlich bis zu viereinhalb Minuten in Mexiko.

Sie wird auch deshalb für viele aufregend sein, weil in ihrer Totalitätszone nicht nur viel Land im Gegensatz zu Ozeanen liegt, sondern auch viele Großstädte. Mehr als 30 Millionen Menschen wohnen auf dem Pfad der Sonnenfinsternis, viele weitere können ihn gut erreichen und ebenfalls beobachten. Sie müssen Augenschutz in Form spezieller Brillen tragen, um keine bleibenden Schäden zu riskieren. Für alle anderen gibt es immerhin Livestreams, etwa diesen:

Total Solar Eclipse Livestream | April 8, 2024
Das McDonald Observatory in Texas zeigt einen Livestream der Sonnenfinsternis, durch den man auch in anderen Teilen der Erde am Montag ab 19 Uhr mitteleuropäischer Zeit das Phänomen beobachten kann.
McDonald Observatory

In Europa bekommt man von dieser Verfinsterung nicht viel mit, abgesehen von den erwarteten beeindruckenden Fotos und Videos. In den kommenden Jahren liegen die Pfade der Finsternis für Zentraleuropa auch ungünstig. Wer nicht bis 2075 oder 2081 warten kann oder will, sollte in den kommenden Jahren eine Augustreise nach Spanien planen (siehe Infobox).

Eine besondere Ära der Erdgeschichte

Auch hierzulande kann man sich in der Zwischenzeit aber darüber wundern und freuen, dass wir zu einer Zeit leben, in der wir überhaupt totale Sonnenfinsternisse beobachten können. Dass Sonne, Mond und Erde passend in einer Linie stehen, kommt zwar öfter vor. Aber weil der Mond rund 400-mal kleiner ist als die Sonne und uns gleichzeitig etwa 400-mal näher ist, kann er sie passend abdecken.

Junges Mädchen mit Haarschmuck hält sich eine Schutzbrille für die Sonnenfinsternis vor die Augen.
Spezielle Schutzbrillen sind beim Sonnenfinsternisschauen Pflicht: Selbst Schweißerbrillen sind nicht für Helligkeiten wie die der Sonne ausgelegt.
AP/Esteban Felix

Dieses Verhältnis war nicht immer so, und es wird nicht immer so sein. In einigen Millionen Jahren wird der Mond zu klein sein, um die Sonne vollständig zu verdecken: Er bewegt sich allmählich von der Erde weg, etwa vier Zentimeter pro Jahr.

Eine Reise zur Zone der totalen Finsternis zahlt sich aus, wie viele Menschen bestätigen können, die etwa 1999 die Sonnenfinsternis über Zentraleuropa miterlebten. Die 74-jährige Physikerin Patricia Reiff von der Rice University in Houston, Texas, reiste für 25 solcher Ereignisse extra an – in diesem Jahr kommt das Spektakel quasi zu ihr nach Hause. Der Himmel verdunkelt sich bei 99-prozentiger Sonnenabdeckung etwa nicht so stark, dass man andere Himmelskörper gut sehen könnte. Laut Reiff sind 99 Prozent "cool, aber die Totalität ist der absolute Wahnsinn".

Laut Comicautor und Wissenschafter Randall Munroe ist eine 90-prozentige Sonnenfinsternis nicht annähernd so cool wie die 100-prozentige. 

Doch wie immer könnte ein anderer, erdnäherer Faktor der spektakulären Sichtung noch einen Strich durch die Rechnung machen: das Wetter. (Julia Sica, 8.4.2024)