Eine ehemalige Industriehalle in der Nordwestbahnstraße und das Kunsthaus Wien sind Orte der ersten Klima-Biennale.
Eine ehemalige Industriehalle in der Nordwestbahnstraße und das Kunsthaus Wien sind Orte der ersten Klima-Biennale.
Claudius Schulze

Durch das planierte Betonfeld an der Wiener Nordwestbahnstraße 16 haben sich Bäume gekämpft. Zumindest wirkt es so, wenn man das Festivalareal auf dem Industriegelände betritt: Die Pflanzen haben den betonierten Boden durchbrochen, rundherum liegt Schutt und Geröll.

Ganz so invasiv und autonom hat sich die Natur das Gelände aber nicht zu eigen gemacht – für den Durchbruch waren dann doch Menschen zuständig. So hat das Team der Klima-Biennale Wien rund um die künstlerischen Leiter Claudius Schulze und Sithara Pathirana den Asphalt entsiegelt und ausgemusterte Bäume aus Baumschulen der Umgebung eingesetzt. Die Gestaltung des StudioVlayStreeruwitz und Landschaftsarchitekten Rajek Barosch ist Teil der Ausstellung Songs for the Changing Seasons, die bis zum 14. Juli auf dem Areal in der Nordwestbahnstraße zu sehen sein wird. Für 100 Tage legen dabei Akteure der Kunst, Architektur, Wissenschaft und des Designs ihren Fokus auf einen neuen, nachhaltigen Zukunftsentwurf.

Nachhaltiges Handeln

Das bleibt auf dem weitläufigen Areal auch deutlich, nachdem man den Klimagarten im Hof passiert und die riesige Industriehalle betreten hat: Zeichnungen, Videoarbeiten oder Plastiken hängen von der Decke oder sind am Boden befestigt, sie sind bunt, vielfältig und könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Vieles dreht sich hier um künstlerische Vorschläge für neue Formen der städtischen Koexistenz, die verschiedenen Medien beleuchten die Frage aus vielen, oft unerwarteten Perspektiven.

Nachhaltiges Handeln hat dabei Priorität: Die chilenische Künstlerin Natalia Montoya kam zwar mit dem Flugzeug nach Wien, hat die Figuren aus Brot für ihre Installation Ajayu aber in der Zentrale der Bäckerei Ströck in der Donaustadt gebacken. Oder Luis Penn von der Akademie der bildenden Künste, der im Rahmen der von Studierenden gestalteten Schau Strategies & Solutions die Lautsprecher für seine Soundarbeit Chumbaba in alten Baustellenkisten aufbaut.

So wenig Abfall wie möglich

So wenig Abfall wie möglich zu verursachen sei von Anfang an ein logisches Ziel gewesen, erzählt Festivalleiter Claudius Schulze, er selbst wirkt aber überrascht, wie gut das tatsächlich funktioniert. Ein einziger Container ist nach sechs Wochen des Aufbaus am vergangenen Mittwoch lediglich am Boden mit Müll bedeckt. Und weil man die Klimakrise bei der Klima-Biennale vor allem auch als gesellschaftliche Herausforderung betrachtet, steht die Gemeinschaft im Vordergrund des Festivals.

Rund 100 Partnerinstitutionen veranstalten Begleitprogramme, auf dem Areal gibt es Spielzonen für Kinder, die "Klima-Kantine" verkauft Vegetarisches und Veganes unter zehn Euro, während Fleischgerichte real und somit höher bepreist sind, und der Festivalpass basiert auf dem "Pay what you can / Zahle, was es dir wert ist"-System und kostet so viel, wie er jedem Einzelnen eben wert ist. Der Pass sichert nicht nur unbegrenzt freien Eintritt zu dem Gelände in der Nordwestbahnstraße, auch die Ausstellung Into the Woods im Kunsthaus Wien, dem Initiator der Biennale, ist damit kostenlos, zu verpartnerten Schauen etwa im Mak oder in der Kunsthalle gewährt er ermäßigte Eintrittspreise.

Bunt, poppig und in ihrer Erscheinungsform breit gefächert zeigt sich die Kunst bei der Klima-Biennale Wien.
Bunt, poppig und in ihrer Erscheinungsform breit gefächert zeigt sich die Kunst bei der Klima-Biennale Wien.
Claudius Schulze

Auf dem Festivalgelände selbst sind im Rahmen einer Kooperation mit der Vienna Design Week nachhaltige und manchmal ein wenig schräg anmutende Alternativen zu gängigen Alltagsgegenständen zu sehen: Design with a Purpose zeigt Möbelstücke aus Industrieabfällen, energieeffiziente Chips und ein WC, das Urin und Fäkalien voneinander trennt, um diese später weiterverarbeiten zu können.

Boku an Bord

Das Kunsthaus Wien widmet sich in Into the Woods währenddessen dem Kreislauf des Waldes und kooperiert dafür mit dem Institut für Soziale Ökologie und dem Institut für Waldökologie der Boku; die Arbeiten befassen sich mit Facetten des menschlichen Einflusses und der fortschreitenden Zerstörung, aber auch mit den in sich geschlossenen kollektiven und symbiotischen Aktivitäten des Waldökosystems. Im bepflanzten "Klima-Biennale Pavillon" des Künstlerkollektivs Breathe Earth Collective im Innenhof des Ausstellungshauses finden laufend Diskussionen oder Performances statt.

Besonders dicht ist das Programm in der Eröffnungswoche gestaltet. Tägliche Workshops, Vorträge oder Exkursionen in und um die Festivalzentralen Kunsthaus Wien und Nordwestbahnstraße sowie in den Partnerinstitutionen führen in die Themen ein und schaffen eine Grundlage für den weiteren Verlauf der Biennale – es soll nicht bei einem einzigen Besuch bleiben, wünschen sich die Leiter Pathirana und Schulze: "Unser Ziel ist es, dass die Besucherinnen und Besucher immer wieder zurückkommen und in den Austausch gehen." Darum soll es auf der Klima-Biennale gehen und letztendlich auch beim Kampf gegen die Klimakrise: um gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Willen, immer wieder Schritte für Veränderungen zu setzen. (Caroline Schluge, 6.4.2024)